04.02.2016

Kommunen im Wandel

Sind Kommunen die besseren Bestandshalter?

Klaus Graniki, Geschäftsführer, DOGEWO21
Klaus Graniki

Während man bei den Wohnungsbaugenossenschaften den Mitgliedern und bei den Unternehmen der Privatwirtschaft den Anlegern verpflichtet ist, sind die kommunalen Unternehmen im Alltag vieler Orts dazu aufgerufen, den Spagat zwischen politischem Willen der Rathäuser und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit zu schaffen und werden gern als Unterstützer von kommunalen Haushalten in Anspruch genommen. Unabhängig von dieser Einschätzung soll der Mieter als Kunde oder Wähler die erste Priorität haben. Wahrnehmung und Aufgaben der kommunalen Wohnungsunternehmen haben sich seit ihrer Gründung stark verändert und immer wieder dem politischen und gesellschaftlichen Wandel angepasst.

In den letzen mehr als 100 Jahren hat sich die Rolle der kommunalen Wohnungsgesellschaften gewandelt: Die Frage, wie die wachsenden Zahl von Menschen insbesondere aus den ärmeren Bevölkerungsschichten in den größer werdenden Städten mit Wohnraum versorgt werden sollte, führte schon um die vorletzte Jahrhundertwende zur vermehrten Gründung von Wohnbaugenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften. Nach dem 1. Weltkrieg verschärfte sich die Wohnungssituation dieser Bevölkerungsteile weiter. Auch Städte, die noch nicht über ein kommunales Wohnungsunternehmen verfügten, gründeten nun eines. So wurde unser Unternehmen 1918 – also unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs – als Dortmunder Siedlungsgesellschaft gegründet.

Nach dem 2. Weltkrieg war der Wohnungsmarkt durch enorme Kriegsschäden – rund 11 Millionen Wohnungen waren zerstört – geprägt. Dazu musste Wohnraum für rund 10 Millionen Flüchtlinge geschaffen werden. Zu dieser Zeit waren die kommunalen Wohnungsgesellschaften, deren Zahl weiter wuchs, mehr als stark gefordert und wurden maßgelblich durch ihre Gemeinnützigkeit und die staatliche Wohnungsbauförderung jener Zeit getragen. Sie prägten die Entwicklungen auf den kommunalen Wohnungsmärkten erheblich mit – und wurden auch als starker und stabilisierender Faktor wahr genommen.

Nach der Jahrtausendwende erfuhr die Wahrnehmung und Wertschätzung der kommunalen Wohnungsunternehmen einen starken Wandel: Das Wohnungsgemeinnützigskeitsgesetz war entfallen, die Wohnungsmärkte entspannten sich und kommunale Wohnungsunternehmen wurden jetzt eher als „Tafelsilber“ identifiziert, mit dem sich – so die Theorie – die enge Finanzlage mancher Kommune mühe- und risikolos entspannen lasse.

Während die Privatisierung von großen Wohnungsbeständen in den letzten 10 Jahren vor allem bei den Kommunen für Ernüchterung gesorgt hat, wirken sich die Verkäufe auf den Märkten unterschiedlich aus. Selbst die aktuellen Landesregierungen in Berlin bzw. NRW bescheinigen durchaus politische Kurzsichtigkeit beim Verkauf der 49.000 GSW-Wohnungen in Berlin und dem Verkauf der 90.000 LEG-Wohnungen in NRW. Auch wenn die verkauften GSW-Wohnungen vom Markt nicht verschwunden sind, werden die Neubauaktivitäten der landeseigenen Berliner Wohnungsunternehmen nur einen kleinen Beitrag zur Versorgung der Berlinerinnen und Berliner mit preisgünstigem Wohnraum beitragen.

Besonders bemerkenswert verlief 2006 der Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft WOBA in Dresden an Fortress – vereinzelte Städte folgten dem offensichtlich so erfolgreichen Vorbild. Heute wiederum denkt Dresden vor dem Hintergrund steigender Mieten und eines angespannten Wohnungsmarkts über die Gründung eines neuen kommunalen Wohnungsunternehmens nach.

Sind also die kommunalen Wohnungsunternehmen die besseren Bestandshalter? Wie heben sie sich von den renditeorientierten Immobilienunternehmen ab und was tun sie für ihre Mieter und die Kommunen?

Die Mieter der kommunalen Wohnungsgesellschaften können auf einen verlässlichen Vermieter zählen. Und auch die Kommunen können mit festen Konstanten im Wohnungsmarkt rechnen.Die Wohnungsbestände von Finanzinvestoren haben in vielen Kommunen hingegen in den letzten Jahren oft mehrfach den Eigentümer gewechselt. Dabei werden die Bestände nach einiger Zeit oft ohne Investitionen einfach „weitergereicht“ – in vielen Fällen sehen sich Mieter und auch Kommunen mit einer schleichenden Verschlechterung ganzer Quartiere konfrontiert. Und auch dort, wo in Instandhaltung dann tatsächlich investiert wird, erfolgt oft nur das Notwendigste; eine tatsächliche Bestandsverbesserung unterbleibt.

Selbstverständlich ist auch bei den kommunalen Unternehmen Instandhaltung ein wichtiges Thema. Nachhaltige Wohnungswirtschaft wie sie die kommunalen Wohnungsunternehmen verstehen, will aber mehr als einen Status Quo aufrecht erhalten. Die besseren Bestandshalter können sie aber nur dann sein, wenn die Gesellschafter ihnen ermöglichen, nachhaltige Wohnungswirtschaft durch gezielte Investitionen in den Bestand zu betreiben.

Dabei steht bei vielen Unternehmen – und auch bei unserem Unternehmen DOGEWO21 -die Entwicklung ganzer Quartiere im Vordergrund. Dabei geht es vor dem Hintergrund der Energiewende und der demographischen Entwicklung neben den notwendigen energetischen Maßnahmenimmer auch um den Abbau von Barrieren und die Schaffung von mehr altengerechten Wohnungen.

Der demographische Wandel mit seinem stetig wachsenden Anteil an älteren Menschen ist wohl die größte Herausforderung an die Wohnungswirtschaft. Anlässlich des 8. AAL-Kongresses im April 2015 erklärte dazu Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen: „Der altersgerechte Umbau von Wohnungen und die Nachrüstung mit AAL-Systemen sind Schlüssel dafür, den Menschen ein lebenswertes Altern in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen". Dies entspricht den Wünschen der Menschen und ist darüber hinaus auch eine Entlastung der Sozialsysteme. Dabei sind die Herausforderungen an die Branche riesig: Nach Studien werden bis zum Jahr 2020 drei Millionen altersgerechte Wohnungen benötigt – das ist mehr als das Vierfache des heutigen Bestands.

Diese Aufgabe scheint heute schon fast unlösbar, dringend notwendig ist auf jeden Fall eine verbesserte Förderung des altersgerechten Umbaus und der Einführung kommunaler Demografiekonzepte – Maßnahmen wie sie auch der GdW fordert.

Für die Kommunen sind die kommunalen Wohnungsunternehmen auch aus anderen Gründen ein wichtiger Partner: Sie versorgen breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnungen von guter Wohnqualität und mit bezahlbaren Mieten. Und sie beziehen auch die Menschen ein, die sich aus eigener Kraft auf dem Wohnungsmarkt nicht behaupten können. Sie wirken mit bei der Entwicklung von Mietspiegeln und engagieren sich über die eigenen Bestände hinaus in der Quartiers- und Stadtteilarbeit. So erbringen sie auch hier Leistungen für die Stadtgesellschaften, an denen finanzgesteuerte Investoren nur selten Interesse haben. Wer auch immer sich über den Erfolgund die Bedeutung der kommunalen Wohnungsgesellschaften ein Bild machen möchte, sollte hier seinen Blick auch auf die sogenannte Stadtrendite werfen.

Aktuell spielen gerade die kommunalen Wohnungsunternehmen eine zunehmend wichtige Rolle, wenn es um die Unterbringung der großen Zahl von Menschen geht, die als Armutsmigranten oder Flüchtlinge in unser Land kommen.

Die Mehrzahl der kommunalen Wohnungsunternehmen hat sich seit der Jahrtausendwende neu aufgestellt: Sie sind zu modernen, serviceorientierten Unternehmen geworden, in denen wirtschaftliche Überlegungen und Kennzahlen die Geschäftspolitik maßgeblich prägen. Von ihnen wird gefordert, wirtschaftlich und gleichzeitig nachhaltig zu handeln – und auch, unterschiedliche Wünsche aus dem jeweiligen Rathaus zu erfüllen. Und selbstverständlich sollen sie dem Mieter ein guter Vermieter und verlässlicher Partner sein. Viele der kommunalen Unternehmen „schaffen den Spagat“. Dies haben viele Kommunen nach den teilweise stürmischen Entwicklungen der letzten 15 Jahre erkannt. Auch in der Bundes- und Landespolitik gibt es inzwischen mehr Unterstützer der kommunalen Wohnungsgesellschaften als Befürworter von (noch) mehr Privatisierung.

Für eine weitere erfolgreiche Arbeit für unsere Mieter, aber auch für unsere Städte sind eine kontinuierliche Unterstützung durch unsere Gesellschafter und verbesserte Förderungen durch die Landes- und Bundespolitik allerdings unverzichtbar. Nur so können wir die „besseren Bestandshalter“ sein und bleiben.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von DOGEWO21
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung Ausgabe 11/2015