03.05.2017

Recruiting Immobilienwirtschaft

War for Talents

Michael Harter, Geschäftsführender Gesellschafter & Gründer, Westwind Real Estate Executive Search GmbH
Michael Harter

Die Immobilienwirtschaft hat sich in den zurückliegenden zehn bis zwanzig Jahren deutlich verändert. Die Branche ist moderner und professioneller geworden. Es wird schneller gebaut, vermietet, gekauft und verkauft als je zuvor. Auch auf dem Stellenmarkt hat sich einiges getan: Zahlreiche anerkannte Lehr- und Forschungseinrichtungen bieten immobilienwirtschaftliche Studiengänge und Ausbildungen an. Hoch qualifizierte Spezialisten sind rar und sehr gefragt, ebenso wie Führungskräfte mit immobilienwirtschaftlicher Erfahrung. Getrieben durch die Professionalisierung und den demografischen Wandel hat sich der Markt der Stellenanbieter zum Markt der Stellennachfrager entwickelt. Wo einst viele Stellensuchende um wenige Stellenangebote konkurrierten, tummeln sich heute im sogenannten War for Talents viele Arbeitgeber um wenige gut ausgebildete Nachwuchs-, Fach- und Führungskräfte.

Unternehmen der Immobilienwirtschaft müssen sich Nachwuchskräften gegenüber als attraktive Arbeitgeber mit einem vielfältigen Aufgabenspektrum, ausgezeichneten Karrierechancen und einer hohen Arbeitsplatzsicherheit positionieren. Dabei ist das veränderte Informations- und Kommunikationsverhalten der zwischen 1980 und der Jahrtausendwende geborenen Vertreter der Generation Y bzw. der Millenials zu berücksichtigen. Dieses spielt sich nicht mehr in der Welt der Printmedien, des Telefons und des Fernsehens ab, sondern im Internet.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) führte mit der IAB-Stellenerhebung 2015 eine repräsentative Betriebsbefragung zum Thema Stellenbesetzung durch. Diese ergab unter anderem, dass es vor allem die mittel- bis hochqualifizierten Mitarbeiter sind, die ihre Stelle im Internet, vorwiegend auf der Firmenhomepage oder bei Internet-Jobbörsen suchen und finden. Die Immobilienwirtschaft ist hier im Vergleich zu anderen Branchen strukturell benachteiligt. Immobilienunternehmen sind nicht im gleichen Maße auf eine hohe Bekanntheit und starke Marken angewiesen, wie zum Beispiel die Automobil- oder Sportartikelindustrie. Sie haben es deshalb entsprechend schwer, bei Internet-Jobbörsen eine ausreichend hohe Aufmerksamkeit mit ihren Stellenangeboten zu erzielen und die Zielgruppen dazu zu bringen, den Karriereteil ihrer Internetseiten aufzurufen. Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA hat sich als größter Branchenverband deshalb dazu entschieden, die Kräfte seiner Mitglieder zu bündeln und an einer höheren öffentlichen Präsenz und einer stärkeren Wahrnehmung der gesamten Branche zu arbeiten. Dazu hat er mit dem Portal www.gestalte-unsere-zukunft.de ein Informationsangebot speziell für hochqualifizierte Nachwuchskräfte geschaffen, bei dem nicht nur Berufsprofile vorgestellt werden, sondern auch Young Professionals der Immobilienwirtschaft in Video-Interviews Einblicke in ihren beruflichen Alltag geben.

Trotz zahlreicher neuer Möglichkeiten und Entwicklungen im Bereich des Online- bzw. E-Recruiting und des Employer- und Industry Branding bleibt eines unverändert: Die herausragende Bedeutung persönlicher Netzwerke für die Suche neuer Mitarbeiter. Die IAB-Studie ergab für 2015, dass der persönliche Kontakt bzw. die Empfehlung über eigene Mitarbeiter erneut der erfolgreichste Weg bei Stellenbesetzungen war: Bei 50 Prozent aller Neueinstellungen in Deutschland wurde als Suchweg die Ansprache eigener Mitarbeiter bzw. persönlicher Kontakte genutzt. 29 Prozent aller Einstellungen kamen auf diese Weise zustande, was einer Erfolgsquote von 58 Prozent entspricht. Ein deutlicher Hinweis für die Unternehmen, der Entwicklung und Pflege persönlicher Netzwerke auch in Hinblick auf die Mitarbeitersuche einen hohen Stellenwert zu geben.

Der Wandel des immobilienwirtschaftlichen Arbeitsmarktes zum Stellennachfragermarkt führt dazu, dass Mitarbeiter, die sich eigentlich beruflich verändern würden, wenn sie ein passendes Angebot bekämen, nicht unmittelbar aktiv mit der Suche auf dem Stellenmarkt oder in ihren persönlichen Netzwerken beginnen. Sie warten zunächst ab, bis sich eine neue Gelegenheit ergibt. Die Anzahl der wechselbereiten Mitarbeiter, ist deutlich höher als die Anzahl der aktiv suchenden. Hier kommt erneut die Bedeutung der persönlichen Netzwerke ins Spiel: Gut vernetzte Unternehmen werden wechselbereite Mitarbeiter, die zwar nicht aktiv suchen, aber „gefunden werden wollen“ schneller identifizieren und zu einem Wechsel animieren als schlecht vernetzte. Persönliche Netzwerke systematisch und gezielt zur Aktivierung wechselbereiter, aber inaktiver Mitarbeiter einzusetzen, wird im Recruiting-Jargon als „Active Sourcing“ bezeichnet. Der Nachteil dabei: Der Aufbau und die Pflege persönlicher Kontakte erfordert Zeit und finanzielle Ressourcen.

Active Sourcing kann auch an Personalberater delegiert werden. Diese gehen sehr ähnlich vor und suchen auf dem Wege der Direktansprache nach geeigneten Kandidaten für ihre Auftraggeber. Eine Datenbank sichert ihnen dabei eine hohe Marktdurchdringung, mit dem Ziel, alle zum Suchprofil des Auftraggebers passenden wechselbereiten Kandidaten zügig identifizieren zu können, sie persönlich und diskret anzusprechen und im Falle der Zustimmung dem Auftraggeber zu präsentieren. Ideale Voraussetzungen bringt ein Personalberater für diese Aufgabe dann mit, wenn er auf die Branche spezialisiert ist und die branchentypischen Prozesse kennt.  Ein großes persönliches Netzwerk und ein breit aufgestelltes Berater- und Searcherteam ist hilfreich, um den gesamten relevanten Markt erfassen zu können. Laut IAB-Studie ist die Beauftragung externer Berater und Vermittler zur Besetzung von Positionen für hochqualifizierte Mitarbeiter am erfolgreichsten. Auf Platz zwei folgt die Besetzung über eigene Mitarbeiter und persönliche Kontakte, auf Platz drei die Nutzung von Internet-Jobbörsen. Eine Beauftragung eines Personalberaters ist demnach dann sinnvoll, wenn es sich um Spezialisten- oder Führungspositionen handelt.

Im Schnitt vergehen in Deutschland vom Beginn der Mitarbeitersuche bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn 85 Tage, bei einem vom Betrieb gewünschten Arbeitsbeginn nach 58 Tagen. Bei Akademikern ist die Such- und die Besetzungszeit deutlich länger. Die ungeplante Vakanzdauer, die sich aus der Differenz zwischen dem geplanten und tatsächlichen Arbeitsbeginn ergibt, ist ebenfalls größer. Akademiker beginnen im Schnitt 107 Tage nach dem Suchbeginn mit der Arbeit, bei einem vom Betrieb gewünschten Arbeitsbeginn nach 69 Tagen.

Zum Vergleich: Eine Personalberatung, die auf den Fach- und Führungskräftemarkt einer bestimmten Branche spezialisiert ist, präsentiert die ersten geeigneten Kandidaten innerhalb weniger Wochen. Westwind Karriere benötigt beispielsweise durchschnittlich rund vier Wochen, um 80 Prozent der zum Suchprofil passenden Kandidaten ihren Kunden aus der Immobilienwirtschaft vorzustellen. Erfahrene Personalberater verstehen die im Suchmandat festgelegten Anforderungen als must have und richten ihre Suche zusätzlich an der perspektivisch angestrebten Entwicklung des Auftraggebers aus.  Die Mindestanforderung für beispielsweise einen Senior Asset Manager für 5.000 Wohneinheiten wäre Berufserfahrung mit mindestens 2.000 Wohneinheiten. Zusätzliche Erfahrung in der Vermietungskoordination, in der Ankaufs-Due Diligence oder  im Management eines Gewerbeportfolios mit 20 Büroimmobilien können sich für das Unternehmen in Abhängigkeit von dessen Zukunftsplänen als großer Mehrwert herausstellen. Personalberater, die über die reinen Briefings und Anforderungsprofile hinaus in immobilienwirtschaftlichen Geschäftsmodellen und -prozessen denken, können auch solche Kandidaten identifizieren und ihren Auftraggebern vorstellen.

Zusammengefasst gibt es bei der Rekrutierung in der Immobilienwirtschaft keine Pauschallösung für  alle Positionen. Soll es ein erfahrender Spezialist sein? Ein Teamleiter oder eine Führungskraft? Ist der Personalaufbau eine strategische Entscheidung mit dem langfristigen Ziel, das Unternehmen neu aufzustellen oder soll eine offene Stelle kurzfristig besetzt werden? Verfügt das Unternehmen über die zeitlichen Ressourcen, um in den eigenen Netzwerken zu suchen, selbst Anzeigen zu schalten, Auswahlgespräche zu führen, auf Karrieremessen zu rekrutieren oder eine langfristig angelegte Employer Branding Kampagne zu starten? Oder ist es sinnvoller, kurzfristig einen Personalberater einzuschalten, der einen branchenspezifischen Fach- und Führungskräftemarkt systematisch untersucht und den Anspruch hat, seinem Auftraggeber innerhalb von vier bis sechs Wochen die drei bis vier geeignetsten verfügbaren Kandidaten vorzustellen?

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Westwind Real Estate Executiv Search GmbH
Erstveröffentlichung: Die Immobilienwirtschaft, 05/2016

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