Nach den Entwicklern drohen nun Immobilienbestandshaltern Finanzierungsengpässe
Niedrige Zinsen, eine gute Konjunktur und eine hohe Flächennachfrage haben von 2010 bis Ende 2021 für eine Boomphase am Immobilienmarkt mit ständig neuen Rekorden bei Transaktionsvolumina und Preisen gesorgt. Viele Immobilienunternehmen haben sich in der Niedrigzinsära langfristig mit günstigen Krediten versorgt. Standen in dieser Zeit Kreditverlängerungen an, lief das in den meisten Fällen problemlos. Schon Monate vor dem Auslaufen des Darlehens kam ein Prolongationsangebot der Bank per Brief ins Haus. Diskussionen bei Refinanzierungen drehten sich allenfalls um die Konditionen. Es stand selten zur Debatte, dass eine Bank den Kredit gar nicht verlängert.
Das hat sich grundlegend geändert. Die Banken reagieren auf das gestiegene Ausfallrisiko und halten sich mit Kreditvergaben zurück. Hinzu kommen strengere regulatorische Vorgaben der Bankenaufsicht. Zu den stark gestiegenen Zinskosten kommt hinzu, dass häufig die Werte der besicherten Immobilien sinken. Momentan stehen Abschläge zwischen fünf und 25 Prozent im Raum. Wenn eine Anschlussfinanzierung ansteht, kann weniger Fremdkapital gewährt werden, weil die Loan-to-Values sonst viel zu hoch ausfallen würden.
Für eine Prolongation sind heute 5,5 bis sechs Prozent Kapitaldienstfähigkeit einzuplanen. Bei einem voll vermieteten Objekt ist das kein Problem, aber oft wird ein Objekt mit Leerständen übernommen, um die Mieterqualität zu verbessern.
Eine Beispielrechnung verdeutlicht das Problem: Ein Wohnungsbestand wurde Mitte 2019 mit 50 Millionen Euro bewertet und mit einem Beleihungsauslauf von 70 Prozent von einer Bank finanziert, was 35 Millionen Euro Darlehen entspricht. Die Konditionen: eine Laufzeit von fünf Jahren und ein Zinssatz ohne Tilgung von 1,29 Prozent pro Jahr. Das macht Zinskosten von 451.000 Euro pro Jahr. Bei einer unterstellten Mietrendite von drei Prozent erwirtschaftet das Portfolio jährlich 1,5 Millionen Euro Ertrag. Abzüglich 15 Prozent Bewirtschaftungskosten bleiben 1,3 Millionen Euro übrig. Das reichte, um den Kapitaldienst und die Tilgung (bleibt der Einfachheit halber unberücksichtigt) zu leisten. Muss die gleiche Immobilie nun refinanziert werden, stünden die Fremdkapitalkosten (ohne Tilgung) bei 4,1 Prozent pro Jahr, was eine Belastung von jährlich 1,4 Millionen Euro bedeutet. Diese Kosten können von den 1,3 Millionen Euro Mieteinnahmen nicht vollständig gedeckt werden.
Immobilienbestandshalter könnten 2024 in ähnlichem Ausmaß von Finanzierungslücken betroffen sein wie Projektentwickler 2023. Vielen ist diese Problematik nicht bewusst. Sie bemerken die Gefahr nicht, dass sie im schlimmsten Fall in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. Dabei ist Zeit ein entscheidender Faktor. Denn auch wenn eine vollständige Refinanzierung über eine Bank möglich ist, dauert die Bearbeitung heute deutlich länger als noch vor zwei Jahren. Die Institute prüfen gründlicher. Wichtig ist daher, dass Bestandshalter frühzeitig aktiv werden – mindestens ein Jahr, bevor die Refinanzierung ansteht.
Droht eine Kreditprolongation an fehlendem Eigenkapital bzw. mangelnder Kapitaldienstfähigkeit zu scheitern, gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: Entweder wird vor der Refinanzierung frisches Eigenkapital eingebracht, so dass weniger Fremdkapital aufgenommen werden muss und wieder ein Überschuss entsteht. Eine zweite Möglichkeit wäre ein Abverkauf eines Teils der Portfolios, um so frisches Eigenkapital zu generieren. Die dritte Möglichkeit schließlich ist eine Staffelung der Zinsen. Das heißt, die Zinsen wären anfänglich niedrig und stiegen dann an, so dass sie von den steigenden Mieten gedeckt werden können. Diese Variante kann von Kreditfonds angeboten werden.
Generell können alternative Kapitalgeber wie Kreditfonds und institutionelle Investoren eine Lösung sein, wenn sich Banken zurückziehen. Die Alternativen bieten Finanzierungsformen wie Whole-Loans, Mezzanine-Kapital, Anleihen oder Schuldverschreibungen an, die zusätzliche Flexibilität ermöglichen, aber oft mit höheren Kosten und Risiken verbunden sind. Prinzipiell sind bei alternativen Kapitalgebern die gleichen Faktoren für eine Kreditvergabe ausschlaggebend wie bei den traditionellen deutschen Immobilienbanken: Bonität des Kreditnehmers sowie bei den besicherten Immobilien stabile Cashflows, Objektqualität, Nachhaltigkeitskriterien und Preisstabilität der jeweiligen Nutzungsart.
Aber auch wenn die alternativen Kreditgeber finanzierungswillig sind, braucht es auch hier einen längeren Vorlauf als bei der Hausbank: Der Darlehensnehmer muss eine umfangreiche Dokumentation einreichen. Dazu gehört auch die glaubwürdige Darstellung des eigenen Track Records und der Immobilienkompetenz. Ohne juristische Begleitung und einen Projektberater ist dies in der Regel nicht machbar.
Bei den Kreditfonds, englisch Debt Funds, gibt es verschiedene Arten von Anbietern. Eine wichtige und kapitalstarke Gruppe sind die angelsächsischen Kreditfonds. Diese beobachten derzeit den deutschen Markt intensiv und halten nach Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau. Allerdings sind mit deutschen Bestandsimmobilien die traditionell hohen Renditeanforderungen dieser Gruppe kaum zu erfüllen. US-Amerikaner und Briten erwarten bei Debt-Investments in Bestandsimmobilien zwischen 7,0 und 10,0 Prozent Rendite jährlich. Daneben gibt es deutsche Kreditfonds, die von institutionellen Investoren wie Versorgungswerken, Versicherungen und Pensionskassen gezeichnet werden. Hier sind die Renditeanforderungen niedriger und bewegen sich aktuell zwischen 5,0 und 7,0 Prozent pro Jahr.
Was Immobilienbestandshalter in der aktuellen Marktphase benötigen, ist erstens Problembewusstsein, zweitens eine verlässliche Kalkulation mit einem realistischen Immobilienwert und drittens eine gute Marktübersicht über die aktuell möglichen Finanzierungsbausteine. Sonst drohen sie, in der Refinanzierungslücke zu verschwinden.
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Erstveröffentlichung: März 2024, Börsen-Zeitung