Die Branche braucht eine Fachausbildung
Die Gewerbeimmobilien-Branche ist in den vergangenen Jahren von einem Erfolg zum anderen geeilt, hat Rekord um Rekord gebrochen. Geht es der Branche gut? Das kann man wohl mit einem eindeutigen Ja beantworten. Also weiter so? Nein – denn gerade in Zeiten guter Geschäfte ist es umso wichtiger, kritische Analyse zu betreiben und über den Erfolg heute nicht die Grundlagen von morgen zu vergessen. Denn so blendend die Branche dasteht, hat sie sich in den vergangenen Jahren doch weitgehend auf die Zahlen konzentriert und dabei Bilder zumindest vernachlässigt. Vor allem das Bild, das wir in der Öffentlichkeit abgeben, unser Ansehen, das über die Branche selbst hinausgeht. Je nach Interpretation hat uns diese Nachlässigkeit bereits ein Imageproblem beschert, was der Branche und unserem Berufsstand langfristig schaden könnte – wenn wir nicht gegensteuern.
Die Antwort auf das drohende Imageproblem muss eine höhere Professionalisierung mit transparenten Standards sein. Um glaubwürdig zu bleiben, muss die Branche diese selbst definieren, einführen und permanent kontrollieren. Sollten die Gewerbeimmobilien-Unternehmen das Thema erneut auf die lange Bank schieben, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit Forderungen aus der Politik geben. Ist es erst einmal so weit, reagiert die Branche als Getriebener, was die inhaltliche Gestaltungsfreiheit deutlich einschränkt. Zunächst müssen wir uns vor Augen halten: Welches Bild hat die Öffentlichkeit von einem Immobilienmakler? Wir müssen klären, wie der Wissensstand über unsere Branche eigentlich ist. Was von uns erwartet wird und auch, welche falschen Bilder es durch Missverständnisse oder mangelnde Information gibt.
Als Grundlage ist es also nötig, zu definieren, was ein Gewerbemakler macht und was ihn auszeichnet. Oder als Arbeitstitel: „Wie sehen wir uns und wo wollen wir hin?“ Die kritische Selbstvergewisserung ist nötig, basieren auf ihr doch alle weiteren Schritte, die letztlich als Korrekturen am bisherigen Verhalten zu verstehen sind. Entsprechend realistisch muss Bilanz gezogen werden, sonst kann kaum einer der folgenden Schritte seine nötige Wirkung entfalten. Was in anderen Teilen der Arbeitswelt seit Jahrzehnten Gang und Gäbe ist, sollte auch im Gewerbeimmobiliensektor eingeführt und allgemeingültigen Standards angepasst werden: eine fachliche Zusatzausbildung. So hat beispielsweise die Fortbildung zum Wirtschaftsprüfer in der Finanz- und Steuerberaterbranche ein hohes Renommee erlangt, weil sie klare Voraussetzungen hat und entsprechend hohe Hürden bei der Fortbildung und Prüfung. Im Umkehrschluss weiß aber auch jeder Kunde, dass er mit einem Wirtschaftsprüfer Qualität engagiert und dafür auch ein entsprechendes Honorar einkalkulieren muss. Gleiches gilt unter Medizinern für die Fortbildung zum Facharzt, die eine Spezialisierung auf der Basis des Allgemeinmediziners ist – klar definiert, geschätzt und deshalb anerkannt.
Genau diesen Weg müssen auch die Berater in der Gewerbeimmobilienbranche gehen. Ein Ansatz ist es, mit den Industrie- und Handelskammern Ausbildungen zu definieren, die diese Fachkenntnisse vermitteln. Und zwar so vereinheitlicht, dass der Abschluss zum „Gewerbeimmobilienkaufmann“ wirklich etwas darüber aussagt, was die Person fachlich kann.
Eine zweite Möglichkeit sind Studiengänge, die viel stärker in die Fachrichtung Gewerbeimmobilien gedreht werden. Bereits jetzt gibt es an Hochschulen die Fachrichtung „Immobilienökonomie“. Doch ist es wichtig auch dort einen stärkeren Schwerpunkt auf gewerbliche Immobilien zu legen beziehungsweise einen Aufbaustudiengang mit diesem Fokus ins Leben zu rufen. An Nachfrage sollte es angesichts des internationalen wie dynamischen Charakters unserer Fachbranche sicherlich nicht mangeln.
Diese Fortbildungsmöglichkeiten bieten auch talentierten Quereinsteigern die Chance, in der Branche kompetent Fuß zu fassen und zugleich ihre Erfahrungen aus dem bisherigen Berufsleben mit einzubringen. Die Ausbildung ist aber zunächst nur das Fundament. Fast genauso wichtig ist, wie man mit dem fachlichen Wissen und dessen Besitzern umgeht. Auch hier sind andere Branchen weiter: Journalist kann sich jeder nennen, Redakteur nur, wer ein Volontariat absolviert hat. Ebenso achtet der plastische Chirurg – dessen Bezeichnung geschützt ist – genau darauf, dass er nicht mit dem Schönheitschirurgen in einen Topf geworfen wird.
Genauso muss der „Experte für Gewerbeimmobilien“ – wie auch immer er letztlich genannt wird – darauf achten, dass seine Bezeichnung klar definiert und als Marke geschützt wird. Da geht es nicht darum, sich vom klassischen Wohnungsmakler zu distanzieren, sondern vielmehr darum, herauszustellen welchen Mehrwert, welche Zusatzfähigkeiten Spezialisten für Gewerbeimmobilien leisten und ebenso in welchem Umfeld sie das tun. Entsprechend offensiv muss diese Bezeichnung vermarktet werden, damit Öffentlichkeit und Kunden diesen Mehrwert erkennen und schätzen lernen.
Damit diese neu geschaffene Marke nicht zum Feigenblatt verkommt, ist allerdings eine kritische Selbstkontrolle nötig. Die Standards müssen immer wieder den Entwicklungen des dynamischen Marktes angepasst werden. Die Branche muss sich zur freiwilligen Selbstkontrolle verpflichten, damit die Marke eine nachhaltige Wirkung entfalten kann. Wann sollten wir damit beginnen? Eigentlich gestern. Da es dafür aber zu spät ist, kann die Antwort nur lauten: so schnell wie möglich.
Der Aufwand für dieses Projekt darf nicht unterschätzt werden. Es muss genau durchdacht werden, um qualitativ bestehen zu können. Ebenso ist aber auch nicht der Ertrag zu unterschätzen. Mit der Standardisierung einer fachlich hochwertigen Ausbildung werten wir unsere Arbeit auf und sorgen ebenso dafür, dass unsere Leistung in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Darüber hinaus sichern wir mit diesen Schritten aber auch die Zukunft unserer Branche. Denn im Wettbewerb um die besten Köpfe müssen wir klar darlegen können, warum es sich lohnt, sein Berufsleben den Gewerbeimmobilien zu widmen. Nur wenn wir jetzt unsere Hausaufgaben machen, können wir in einem sehr eng umkämpften Arbeitsmarkt auch übermorgen noch bestehen und den milliardenschweren Beitrag zur Volkswirtschaft leisten, der unsere Branche aktuell auszeichnet.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftbericht 2016