Internationale Investoren nehmen den polnischen Wohnungsmarkt ins Visier
Die westeuropäischen Wohnungsmärkte sind vielen Investoren mittlerweile zu teuer. Die Pandemie hat die Preise weiter steigen lassen. Daher richten immer mehr Anleger den Blick auf Polen: Im größten Land in CEE ist ein freier Mietmarkt erst im Entstehen. Allerdings ist die Nachfrage nach modernen Wohnungen bereits sehr groß. Immer mehr Investoren steigen in den Markt ein. Das größte Risiko ist, dass der Markt noch völlig neu und nicht etabliert ist.
Die Preise für Wohnimmobilien befinden sich in ganz Westeuropa auf einem sehr hohen Niveau. Daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Im Gegenteil – die Preise kletterten auch im Krisenjahr weiter. In Deutschland beispielsweise stiegen die Preise von Bestandswohnungen laut Analyseinstitut Empirica im ersten Quartal 2021 im Jahresvergleich um 11,8%. Laut Value AG betrug der Anstieg innerhalb des gleichen Zeitraums sogar 15,4 Prozent:
Die steigenden Preise führen im Umkehrschluss zu sinkenden Immobilienrenditen: In allen klassischen westeuropäischen Destinationen fallen oder stagnieren die Renditen laut Catella European Residential Market Map flächendeckend. Beispielsweise lagen Ende 2020 die Spitzenrenditen in Stockholm bei 1,5 Prozent, in Zürich bei 1,6 Prozent, in Berlin bei 2,4 Prozent, in Paris bei 2,8 Prozent, in Amsterdam bei 3,2 Prozent und in Luxemburg ebenfalls bei 3,0 Prozent.
Eine interessante Alternative dazu, die bislang noch vergleichsweise wenig Beachtung findet, ist der polnische Wohnungsmarkt. In der Hauptstadt Warschau liegen die Spitzenrenditen bei 4,4 Prozent, in Krakau erreichen sie 4,3 Prozent und in Breslau sogar 5,4 Prozent. In den Vororten von großen Städten wie Breslau, Danzig und Krakau reichen sie laut JLL sogar bis zu 6,0 Prozent. Unterm Strich sind die Renditen um 1,5 bis 2,5 Prozentpunkte höher als in Westeuropa.
Dieses Renditeplus sollte ausreichen, um den Markt einer genaueren Betrachtung zu würdigen. Wo existieren Risiken und wo liegen die Chancen auf dem polnischen Wohnungsmarkt?
Qualität des Wohnungsbestandes entspricht nicht modernen Anforderungen
Zuerst zu den Chancen: Betrachtet man den Markt, dann fällt als erstes der hohe Anteil der Eigentumswohnungen im Vergleich zu den Mietwohnungen auf. Mit 84 Prozent lebt die große Mehrheit der Polen in Eigentumswohnungen. Nur 16 Prozent mieten. Dies ist eine deutlich geringere Mietquote im Vergleich zu Ländern wie etwa der Schweiz (57 Prozent), Deutschland (49 Prozent) oder Schweden (38 Prozent). Allerdings ist in Polen die Qualität bei beiden Arten von Wohnungen in der Regel nicht sehr hoch und genügt modernen Anforderungen nicht mehr. Der Grund: Bei den Eigentumswohnungen handelt es sich zum großen Teil um Plattenbauten aus den 1960er bis 1980er Jahren, bei den Mietwohnungen entfällt der größte Teil auf kommunale Wohnungsunternehmen. Ein freier Wohnungsmarkt – abseits der kommunalen Wohnungsunternehmen – existiert kaum und ist erst im Entstehen begriffen. Insgesamt gibt es in Polen derzeit 14 Millionen Wohnungen. Davon entfällt nur ein Prozent auf moderne Mietwohnungen in institutionellem Eigentum. Zum Vergleich: In Westeuropäischen Ländern schwankt dieser Anteil zwischen 15 und 50 Prozent.
Dem geringen Angebot an Mietwohnungen steht eine große Nachfrage gegenüber, die nicht bedient werden kann. Dies gilt vor allem für die großen Städte. Und perspektivisch wird die Nachfrage weiter anstiegen: Aktuell beträgt der Urbanisierungsgrad – also der Teil der Bevölkerung, der in Städten lebt – in Polen rund 60 Prozent. Dieser Anteil wird den Vereinten Nationen zufolge bis 2050 auf rund 70,4 Prozent anwachsen, parallel steigt auch die Anzahl der Haushalte weiter an.
Größenvorteil: Polen ist der größte Markt in CEE
Ein weiterer Vorteil ist die Größe des Landes und die eher polyzentrische Struktur. Polen hat insgesamt rund 38,3 Mio. Einwohner und ist damit mit Abstand das größte Land in der üblicherweise als CEE (Central- and Eastern Europe) bezeichneten Region zu der neben Polen noch Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn gezählt werden. Dies spiegelt sich in den Fertigstellungszahlen wider. In den vergangenen fünf Jahren entfielen 60 Prozent aller in CEE fertig gestellten Wohneinheiten auf Polen. Die Größe des Marktes ist ein Vorteil für Investoren aus dem Ausland. Sie erlaubt es, das Geschäft nach dem Markteintritt zu skalieren.
Neben der Größe ist die polyzentrische Struktur der Städte ein Vorteil, da sich mehr Investitionsmöglichkeiten bieten als in zentralisierten Ländern wie Frankreich, Schweden oder Großbritannien. In Polen sind mindestens fünf Städte groß genug, um für ausländische Investoren attraktiv zu sein. Dies sind neben der Hauptstadt Warschau Krakau, Breslau, Tricity (Region um Danzig) und Posen.
Zunehmende Urbanisierung und steigende Haushaltszahlen
Des Weiteren gibt es eine Reihe von gesellschaftlichen Veränderungen, die sich positiv auf die Nachfrage nach Wohnungen auswirken. Wie oben bereits erwähnt ist auch Polen vom weltweiten Trend der fortschreitenden Urbanisierung betroffen. Analog dazu steigt die für den Immobilienmarkt noch wichtigere Haushaltsanzahl. Gab es 2018 noch 13,6 Mio. Haushalte, wird diese Zahl bis 2030 auf rund 15,4 Mio. ansteigen. Das entspricht einem Anstieg um 1,8 Mio. Haushalte. Jones Lag LaSalle beziffert den fehlenden Wohnraum aktuell auf rund 1,5 Mio. Einheiten. Für die hohe Nachfrage verantwortlich ist u.a. auch der Trend, dass jüngere, gut ausgebildete Menschen vermehrt in die Städte ziehen. Diese Gruppe ist dem Wohnen zur Miete gegenüber aufgeschlossener als die Generation davor. Mieten wird bevorzugt, weil es mehr Flexibilität erlaubt und geringeren finanziellen Druck mitbringt als der Kauf einer Wohnung. Zusätzliche Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt kommt vonseiten der Studenten. Mit 1,2 Mio. Studenten hat Polen eine der größten Studenten-Communities in Europa. Das Land ist auch bei Studenten aus dem Ausland sehr beliebt. Es gibt einen kontinuierlichen Zuzug von internationalen Studierenden.
Geringe Regulierung und steigende Mieten
Neben der hohen Nachfrage ist die geringe Regulierung des Mietmarktes einer der großen Vorteile für Investoren. Die hohe Nachfrage und die im internationalen Vergleich geringe Regulierung führen zu steigenden Mieten. In allen wichtigen Städten nahmen die Mieten laut Amron Centre Analysis zwischen Q3 2016 und Q3 2020 kontinuierlich zu. Beispielsweise kletterten sie im genannten Zeitraum in Warschau von durchschnittlich rund 1.550 Zloty (entspricht rund 350 Euro) pro Monat und Wohneinheit auf rund 1.700 Zloty (entspricht rund 380 Euro). In Danzig stiegen die Mieten im gleichen Zeitraum von rund 1.500 Zloty auf circa 1.700 Zloty, in Lodz von 900 Zloty auf 1.100 Zloty. Diese Zahlen sind durch den Corona-bedingten Rückgang der Mieten im Q 2 und Q3 2020 verzerrt. Im Q4 2020 sind die Mieten noch einmal gesunken. Wir gehen jedoch davon aus, dass es sich dabei jedoch nur um einen temporären, Corona-bedingten Rückgang handelt, der auf die langfristige Entwicklung keine Auswirkungen haben wird.
Derzeit richten zahlreiche internationale Investoren aus den USA, dem Vereinigten Königreich und Deutschland ihren Blick auf den polnischen Wohnungsmarkt. Ihr Kalkül: Sie wollen früh im Marktzyklus einsteigen, denn die Renditekompression wird auch hier kommen. Ein bekanntes Beispiel für einen ausländischen Investor, der jüngst seinen Markteintritt vollzogen hat, ist die deutsche TAG Immobilien AG.
Risiken: Mangel and professionellen Dienstleistern und Wechselkursschwankungen
Den Chancen, die der Markt bietet, stehen auch Risiken gegenüber. Ein Risiko ist das Fehlen von professionellen Dienstleistern. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Property Manager. Allerdings ist absehbar, dass dieses Defizit behoben wird, denn derzeit bereiten verschiedene internationale Property Manager den Eintritt in den polnischen Markt vor. Ein Beispiel dafür ist MVGM Property Management.
Ein weiteres Risiko sehen ausländische Investoren in der Politik der aktuellen polnischen Regierung. Wir nehmen zwar auch wahr, dass der Druck auf die demokratischen Institutionen wie beispielsweise Gerichte steigt. Allerdings hat die Regierung immer betont, dass ihr die wirtschaftliche Stabilität und Wachstum wichtig ist und sie hat bislang kaum gegenteilige Maßnahmen ergriffen. Wenn doch, dann waren in der Regel polnische wie ausländische Unternehmen gleichermaßen betroffen. Daher schätzen wir dieses Risiko insgesamt als gering und beherrschbar ein.
Ein weiteres Risiko ist das Währungsrisiko. Denn anders als bei Büro- und Handelsmietern in Polen, die ihre Miete in Euro zahlen, begleichen Wohnungsmieter ihre Verpflichtungen in Zloty. Investoren aus dem Ausland können dieses Risiko – je nach individueller Risikoneigung – absichern. Das Hedging ist jedoch teuer und relativiert den Renditevorteil ein Stück weit. Ein Investor muss einkalkulieren, dass 1,0 bis 1,5 Prozentpunkte der Rendite für das Hedging aufgewendet werden müssen.
Fazit: Die fundamentalen Kennzahlen des polnischen Wohnungsmarkts sind sehr positiv und deuten auf eine Fortsetzung des Wachstums hin. Dies gilt vor allem für Mieten und Kaufpreise. Aktuell ist diese Gemengelage sehr attraktiv für internationale Investoren – sowohl für institutionelle als auch private Anleger. Ihr Kalkül: Sie sind risikofreudiger und wollen relativ früh im Marktzyklus in den Markt einsteigen. Zwar existieren Risiken wie das Währungsrisiko, die aber beherrschbar sind und von uns als moderat eingestuft werden.
Quellen:
https://www.immobilien-zeitung.de/1000078696/kaufpreise-fuer-wohnraum-wachsen-pausenlos-weiter
https://www.value.ag/pressemitteilung-value-data-insights-1-quartal-2021/
https://www.catella.com/globalassets/global/mix-germany-corporate-finance/europe-residential_market_2020.pdf
Siehe ebenda.
Präsentation von JLL
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155734/umfrage/wohneigentumsquoten-in-europa/
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Trei Real Estate
Erstveröffentlichung: IREI Institutional Real Estate Europe