Stationäre Einzelhändler und Kommunen müssen aktiv werden
Der Onlinehandel ist aus unseren Köpfen, Handys und Computern nicht mehr wegzudenken. Hat er sich in den vergangenen Jahren erst langsam dem klassischen Handel genähert und zunächst überwiegend die vorher durch den Versandhandel besetzten Bereiche abgegriffen, wird er nun zunehmend zu einer Herausforderung für den klassischen stationären Handel.
Die Anforderungen der Kunden ändern sich. Vor allem Textil- und Elektrohandel verspüren dies deutlich, der Buchhandel hat vielerorts bereits die Segel gestrichen und sich der Macht des Internets und den häufig auch bequemen und zeitlich stark belasteten Kunden gebeugt. Doch muss dies nicht zwingend auch für alle anderen Branchen gelten: Der Lebensmitteleinzelhandel verzeichnet in Deutschland gerade mal 0,3 Prozent Umsatz über Onlinekanäle und verschiedene Studien zeigen, dass der stationäre Handel weiterhin stark gefragt ist. Er muss nur flexibler werden und sich den geänderten Kundenwünschen anpassen.
Zum einen bringt der Onlinehandel Herausforderungen mit sich, die nicht ohne größere logistische Maßnahmen gelöst werden können: Die bestellte Ware muss an den Kunden zugestellt werden – häufig ist dabei ein erster Zustellversuch auch gar nicht erfolgreich. Nach Erhalt der Ware muss diese durch den Kunden unter Umständen wieder zurückgesandt werden – er muss das gelieferte Päckchen bei einer Sammelstelle abgeben, sich dazu in seiner Freizeit in lange Warteschlangen stellen. Der Verkäufer muss – derzeit noch ohne dafür vom Kunden bezahlt zu werden – die Ware zurücknehmen, zurücktransportieren und erneut dem Versand zuführen.
Allein hierfür entstehen ihm nach Untersuchung durch die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Otto-Friedrich- Universität Bamberg durchschnittliche Kosten in Höhe von 15,18 Euro pro zurückgesandtem Artikel. Untersuchungen haben darüber hinaus ergeben, dass eine Händlertreue beim Onlinekauf nicht mehr zu beobachten ist – der Kunde nutzt völlig frei alle im Internet verfügbaren Quellen und achtet nicht mehr auf den Anbieter, sondern überwiegend auf den günstigsten Preis.
Auf der anderen Seite bietet der stationäre Handel – so er sich an modernen und konsumentenfreundlichen Konzepten und Gestaltungen orientiert – Vorteile, auf die Kunden und Verkäufer nicht verzichten können: Attraktive Läden und Innenstädte sind Orte der (menschlichen) Begegnung. Ein schneller Klick im Internet kann nicht Gespräch und Interaktion mit anderen Menschen ersetzen, ein Einkauf verbunden mit einem Bummel durch die Innenstadt und dem Genuss eines Eises im Sonnenschein kann nicht dem allein am Schreibtisch hinuntergestürzten Kaffee gleichgesetzt werden.
Der durch den demografischen und strukturellen Wandel begünstigte Standort Innenstadt in einer „Stadt der kurzen Wege“ mit einer hohen Serviceorientierung (Ware vor Ort oder am nächsten Tag erhältlich, Umtausch ohne große Warteschlange, direkte Bedienung ohne den Zwischenschritt „Post“) führt letztlich zu Zeitersparnis und Lebensqualität und gestaltet Einkaufen als Erlebnis und Marktplatz.
Wichtig ist, dass die Händler sich der Nachfrage der Kunden nach guten Standorten und attraktiven Konzepten stellen und der Multichannel-Nachfrage auch im stationären Handel einen ausreichend großen Platz einräumen. Nur wenn der Kunde sich vorab informieren kann, beim Besuch des Shops auch gleichzeitig noch andere Annehmlichkeiten in Anspruch nehmen kann und sich somit von den Vorteilen des stationären Handels gegenüber dem Onlinehandel selbst überzeugen kann, wird der stationäre Handel die Umsatzzahlen gegenüber dem Onlinehandel halten können.
Auch sollten für ein erfolgreiches Bestehen am Markt neben dem Onlinehandel weitere aktuelle Einflüsse auf die Handelsentwicklung berücksichtigt werden. Zum einen müssen Kommunen Anreize schaffen, die neuartige Konzepte zulassen und fördern. Zum anderen müssen Händler lernen, Kundenwünsche zu leben und sich den neuen, flexiblen Anforderungen zu stellen. Diese sind nach Studien der Stiftung für Zukunftsfragen der demografische Wandel, der Struktur- und Anspruchswandel (vor allem im Bereich Qualität/Service), die zunehmende Medialisierung, die unterschiedlichen Entwicklungen im Bereich Globalisierung/Lokalisierung und die zunehmende Erlebnis- und Genussorientierung der Kunden.
Ziel aller mit Einzelhandel und Einzelhandelsimmobilien befasster Unternehmen sollte sein: Einkaufen muss Spaß machen, Aufenthaltsqualität ist das Ziel! Dies zu vermitteln, Herausforderungen und bestehende Probleme zu diskutieren hat der ZIA-Ausschuss Handel und Kommunales in seinen Mittelpunkt gestellt. Die Auswirkungen von gesetzlichen Vorgaben, von Rechtsauslegung und wirtschaftlicher Realisierbarkeit stellen dabei den Schwerpunkt der Themen dar. So hat sich der Ausschuss im vergangenen Geschäftsjahr intensiv mit Fragen des Ansiedlungsrechts in Deutschland aber auch auf europäischer Ebene befasst, Dynamik und Strukturwandel im Handel und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Stadterneuerung als kommunale Daueraufgabe diskutiert und Marktentwicklungen und Marktstrategien ausgewertet. Weitere Themen waren u.a. Nutzen und Wirkung von Business Improvement Districts (BIDs) und die Einflussmöglichkeiten auf Ansiedlung und Förderung von Einzelhandel in Stadt und Region. Schließlich hat er sich im direkten Dialog mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, Politik und Kommunen für eine attraktive und aktive Innenstadt eingesetzt.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2013/2014