08.05.2023

Ohne privates Kapital geht es nicht

Richard Haimann, freier Immobilienredakteur,
Richard Haimann

Bis 2050 wollen die EU-Staaten klimaneutral werden. Für Investoren bieten sich dadurch vielfältige Anlagechancen, wie etwa bei regenerativen Energien.

Mit dem „European Green Deal“ wollen die EU-Staaten bis 2050 klimaneutral werden. Um das Ziel zu erreichen, sind dazu allein in den kommenden zehn Jahren 1.000 Milliarden Euro nötig, 383 Milliarden Euro davon sollen bei Profi- und Kleinanlegern generiert werden. Für institutionelle Investoren bieten sich damit vielfältige Anlagechancen – nicht nur beim Umbau der Strominfrastruktur von fossilen Brennstoffen zu regenerativen Energien, sondern auch im Immobiliensektor und bei Verkehrsprojekten.

Es sind ambitionierte Pläne für ein ambitioniertes Vorhaben: Bis 2050 wollen die 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union klimaneutral werden. Bereits 2030, in nur sieben Jahren, sollen die Treibhausgas-Emissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. „Es steht ein enormer Umbau an“, sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der „European Green Deal“ sieht nicht weniger vor als die massivste Umwandlung der Energie- und Verkehrsinfrastruktur in einem Staatenverbund mit 446,8 Millionen Einwohnern in der kürzesten Zeit der bisherigen Geschichte. Geothermie-, Sonnen-, Wasser- und Windenergie sollen binnen 27 Jahren Kohle- und Gaskraftwerke komplett ersetzen, sämtliche Immobilien so intensiv saniert werden, dass sie kaum noch beheizt werden müssen, der Öffentliche Nah- und Schienenverkehr ausgebaut, der Individualverkehr von Verbrennungs- auf Elektromotoren umgestellt werden.

Die Pläne sind ehrgeizig. „Die EU-Kommission will mit ihrem Green Deal Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen“, sagt Philippe Woesch, Rechtsanwalt und Finanzierungsspezialist bei der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein.

Zusätzlich will die EU mit dem geplanten Netto-Null-Industrie-Gesetz die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in den Mitgliedsländern sichern und sie weniger abhängig von Rohstoffimporten machen. Der Staatenverbund reagiert damit auf außerordentlich hohe Subventionen Chinas für seine Unternehmen und den von US-Präsident Joe Biden massiv reduzierten Steuern für Produkte, die in den USA, Kanada und Mexiko gefertigt werden.

Um den „European Green Deal“ zu realisieren, sind nach Berechnungen der EU-Kommission allein in den kommenden zehn Jahren Investitionen von mindestens 1.000 Milliarden Euro nötig. 503 Milliarden Euro werden dazu aus dem EU-Haushalt fließen. 114 Milliarden Euro sollen die Mitgliedsstaaten aufbringen, die übrigen 383 Milliarden Euro private Investoren. Für Letztere sollen diverse steuerliche Incentives, finanzielle Förderungen und der Abbau bürokratischer Hürden und Anreize bieten, in diesen Sektor zu investieren.

„Die EU hat erkannt, dass die Klimaziele ohne privates Kapital nicht zu erreichen sind“, sagt Andrea Lehmann-Gutermuth, Managing Director bei Selenius Capital Advisors, die sich auf die Platzierung von Infrastruktur- und Private-Equity-Fonds bei institutionellen Investoren fokussiert. Mit den Brüsseler Plänen eröffnet sich eine Plethora an Investmentmöglichkeiten. Insbesondere beim bevorstehenden Umbau der Energieinfrastruktur. „Erneuerbare Energien bilden das Rückgrat der Energiewende“, sagt Lehmann-Gutermuth.

Anlagen zur Gewinnung regenerativ erzeugten Stroms müssen nicht nur fossile Kraftwerke ersetzen, sondern auch den durch die E-Mobilität und die fortschreitende Digitalisierung wachsenden Energiebedarf abdecken. „Trotz aller Bemühungen um die Steigerung der Energieeffizienz wird die Nachfrage nach Strom bis 2050 weiter steigen“, sagt Markus W. Voigt, CEO der Düsseldorfer aream Group, einem Spezialisten für Solar- und Windkraftinvestments. „Den erneuerbaren Energien stehen goldene Zeiten bevor.“

Das sehen auch institutionelle Investoren so und allokieren immer mehr Kapital in die Energiewende. So erhielt der auf erneuerbare Energien spezialisierte Hamburger Asset Manager Luxcara für seinen im Herbst 2021 aufgelegten Infrastrukturfonds FLAVEO IV Fund bis Ende vergangenen Jahres Kapitalzusagen über mehr als eine Milliarde Euro. „Nicht nur die meisten unserer bestehenden Investoren, sondern auch eine Reihe neuer Investoren aus mehreren Ländern haben sich beteiligt“, sagt Alexander Ruesch, Investor Relations Direktor bei Luxcara.

Hinter dem Einstieg institutioneller Investoren in den „European Green Deal“ stehen auch pragmatische Überlegungen. „Infrastrukturprojekte haben in der Regel eine geringe Korrelation zu den Kapitalmärkten und weisen eine niedrige Volatilität auf, weshalb sie einen gewissen Schutz vor Inflation bieten“, sagt Robert Guzialowski, Leiter Business Development Real Assets bei der zur Signal Iduna Gruppe gehörenden Kapitalverwaltungsgesellschaft HANSAINVEST. „Außerdem zeichnet sich dieser Bereich durch gut planbare Cashflows und lange Laufzeiten aus, was Infrastrukturinvestments für institutionelle Investoren besonders attraktiv macht.“

DIC Asset hat über ihre Tochtergesellschaft GEG mit dem „GEG Public Infrastructure IV“ einen Fonds aufgelegt, der die Vorteile eines Infrastrukturfonds mit denen eines Immobilienfonds verbinden soll. „Durch die Investition in langfristig vermietete Infrastrukturimmobilien können Investoren die Vorteile der hohen Bonität staatlicher und halbstaatlicher Mieter mit den Vorteilen drittverwendungsfähiger Infrastrukturimmobilien kombinieren“, sagt Torsten Doyen, Vorstand Institutional Business bei DIC Asset. „Alle Liegenschaften des Fonds dienen dem Gemeinwohl der Bevölkerung und helfen, die soziale Infrastruktur in zentralen Lagen zu entwickeln und zu erhalten.“ Eine Zuordnung des Fonds zur qualifizierten Infrastrukturquote sei möglich.

Damit die Energiewende gelingt, muss jedoch nicht nur die Zahl der Solar-, Wasser- und Windkraftwerke massiv gesteigert werden. Benötigt werden auch Technologien, mit denen regenerativ erzeugter Strom vorübergehend gespeichert werden kann für Zeiten der sogenannten Dunkelflaute – für Tage, an denen eine dicke Wolkenschicht die Leistung von Photovoltaikanlagen bremst und kaum Wind weht.

Ein Beispiel für solche Speicher ist der von der EnBW Energie Baden-Württemberg für einen dreistelligen Millionenbetrag geplante Ausbau des bisherigen Laufwasser- und Speicherkraftwerks in Forbach im Schwarzwald zu einem Pumpspeicherwerk. Dazu soll ein unterirdischer Kavernenwasserspeicher samt Rohrleitung geschaffen werden. Bei hoher Stromerzeugung wird das Wasser von dort in ein oberes Becken gepumpt. Bei zusätzlichem Strombedarf wird es von dort in den Kavernenspeicher über eine Turbine abgelassen.

Das Vorhaben zeigt zugleich, wie hoch die bürokratischen Hürden in Deutschland für Infrastrukturinvestments noch sind. Die EnBW hat das Ausbauvorhaben vor fünf Jahren beantragt. Jetzt hat das Regierungspräsidium Karlsruhe die Genehmigung erteilt. „Seit der Einreichung der Antragsunterlagen Anfang 2018 haben wir intensiv mit den beteiligten Behörden zusammengearbeitet, um die vielfältigen Auflagen für ein komplexes Bauvorhaben dieser Art zu erfüllen“, sagt EnBW-Projektleiter Ulrich Gommel.

Hemmnisse durch zeitaufwändige Prüfungen könnten jedoch im Zuge des „European Green Deal“ in den EU-Staaten reduziert werden. „Die derzeit hohen Zinsen erschweren es dem öffentlichen Sektor Projektfinanzierungen selbst durchzuführen, was die Schaffung besserer politischer Rahmenbedingungen für private Infrastrukturinvestitionen fördert“, sagt HANSAINVEST-Manager Guzialowski. „Ein erster wichtiger Schritt ist die beschlossene Novellierung der ELTIF-Verordnung, die den Spielraum für private Investments vergrößert und Infrastrukturfonds zum weiteren Aufschwung verhelfen kann.“

Das Kürzel ELTIF steht für European Long Term Investment Fund. Damit will die EU durch vereinfachte Zulassungen und reduzierte Vertriebsauflagen Investments durch Profi- und Privatanleger in illiquide Anlageklassen wie Verkehrsinfrastrukturprojekte, Großvorhaben in der Realwirtschaft und Immobilien ankurbeln. Das Vorhaben zeigt auch, dass es bei Infrastrukturinvestments nicht nur um Projekte zur Förderung regenerativer Energien geht. Nötig sind auch die Optimierung von Straßen und Schienenwegen, der Wasserver- und -entsorgung sowie die Errichtung und Unterhaltung von Immobilien des öffentlichen Bedarfs.

Welche Potenziale dieses Segment des Immobilienmarktes bietet, zeigt der im vergangenen Jahr aufgelegte offene Spezialfonds „Barton Social Infra Immo“ des Bonner Immobilieninvestors Barton Group. Der AIF mit einem Volumen von 350 Millionen Euro investiert in Schulen, Kindertagesstätten, Bibliotheken, Verwaltungs-, Universitäts- sowie Funktionsgebäude von Polizei und Feuerwehr.

Der AIF ermögliche „institutionellen Anlegern, sich an nachhaltigen Immobilieninvestments zu beteiligen und dabei auch einen Beitrag zur Gemeinwohlentwicklung zu leisten“, sagt Dominik Barton, Geschäftsführender Gesellschafter der Barton Group. „Dabei profitieren die Anleger von einem aktiven Managementansatz, der auch vor dem Hintergrund der kommenden ESG-Anforderungen – insbesondere der relevanten Mietergruppen mit Fokus auf sozialer Infrastruktur – zunehmen wird.“

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Richard Haimann
Erstveröffentlichung: The Property Post print und online im Mai 2023

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