So wird die ERP-Einführung nicht zu einer Riesen Pleite.
Der Einsatz von Standardanwendungen, den sogenannten Enterprise Resource Planning Systemen (ERP-Systemen), ist in der Immobilienwirtschaft längst tägliche Praxis. Spätestens mit der Umstellung zum Jahr 2000 und der Einführung des Euro wurden den meisten Eigenentwicklungen in den Unternehmen durch Standardprodukte ersetzt. Da die meisten Systeme eine Lebensdauer von zehn bis 15 Jahren haben, kommt der Auswahl des richtigen Systems eine große Bedeutung zu.
Die Zahl der ERP-Systeme für die Immobilienwirtschaft ist überschaubar. Neben drei größeren Lösungsanbietern auf Basis von SAP-Software – Aareon, Comline und Promos – haben sich auch im Nicht-SAP-Umfeld eine Handvoll ernst zu nehmender Lösungsanbieter etabliert. Alle diese Programme bilden die zentralen immobilienwirtschaftlichen Funktionen von der Finanzbuchhaltung über die Bestandsverwaltung bis hin zur Instandhaltung ab.
Hinzu kommen zahlreiche kleine Unternehmen, die mit ihrem Produkt oftmals für ergänzende Funktionen oder Spezialgebiete wie etwa eine Fondsverwaltung oder die technische Abwicklung stehen. Insbesondere im Nicht-SAP-Umfeld macht die Anbindung dieser Programme mangels vorhandener Standardschnittstellen oft einen zusätzlichen Aufwand.
Begleitet werden viele ERP-Einführungen oder Systemanbieterauswahlen im Vorfeld von freien Beratern. Diese tragen in der Regel dazu bei, den internen Anforderungskatalog für eine Systemauswahl zusammen zu fassen und den möglicherweise notwendigen Ausschreibungsprozess formal korrekt abzubilden.
In den meisten Unternehmen stellt sich die grundsätzliche Frage, ob ein SAP-kompatibles ERP-System zum Einsatz kommen soll oder nicht. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Systeme ergeben sich hauptsächlich aus den Anforderungen der Unternehmen.
Im Vordergrund steht die Frage, welche Funktionen und Prozesse abgebildet werden sollen und wie die strategische Ausrichtung des Unternehmens ist. Grundsätzlich kann man festhalten, dass oftmals kleinere Systeme in ihrer spezifischen Anpassung an Kundenbedürfnisse eher limitiert sind. Größere Systeme liefern an dieser Stelle hingegen höhere Freiheitsgrade, erfordern dafür meist aber auch höhere Anfangsinvestitionen oder verursachen laufende Kosten.
Nicht haltbar ist das Vorurteil, dass sich SAP-Systeme grundsätzlich nur für große Unternehmen eignen. Auch ein kleines Unternehmen, das schnell und flexibel am Markt agieren muss, kommt häufig an einer integrierten Lösung nicht vorbei. Eine Unternehmenssteuerung, die auf ständig aktuellen Auswertungen beruht und bei der ein Unternehmer zu jedem Zeitpunkt wissen muss, wie viel sein Unternehmen wert ist, etwa um einen Baukredit aufzunehmen oder um neue Bauprojekte in Angriff zu nehmen, braucht ein System, das ihm die notwendigen Daten auf Knopfdruck bereitstellt. Diese Anforderung erfüllen SAP-Systeme.
Ausgangpunkt der Entscheidung für ein neues System ist immer die Frage, welche Prozesse in diesem System abgebildet werden sollen. Bevor ein Berater hinzugenommen wird, ist es sinnvoll, die Prozesse im Unternehmen zunächst selber zu definieren, um sich klar zu werden, welche Anforderungen überhaupt bestehen. Diese erste Aufnahme kann auch durch einen Berater geschehen, verursacht aber zusätzliche Kosten.
Ein weiterer Vorteil, die Anforderungen selber zu formulieren ist, dass auf dieser Basis eine detaillierte Ausschreibung oder Angebotsabfrage möglich ist. Welche Prozesse abgebildet werden müssen, wie viele Lizenzen benötigt werden, was im Unternehmen selber gemacht werden kann und welche Aufgaben der Berater übernehmen muss, lässt sich erst ermitteln, wenn die Anforderungen definiert sind. Je detaillierter diese Leistungsbeschreibung ausfällt, desto besser können später die Angebote verglichen werden. Auch der tatsächliche Preis für die Einführung lässt sich so leichter ermitteln. Manche Dienstleister tendieren dazu, zunächst den geringsten Preis zu nennen und dann nach und nach Zusatzleistungen und Module ins Spiel zu bringen, die den Preis nach oben treiben.
Um eine Leistungsbeschreibung zu erstellen, ist zunächst die Frage nach der Betriebsform zu klären. Die Frage nach einer Inhouse- oder einer Outsourcing-Lösung ist weniger eine wirtschaftliche als eine psychologische. Objektiv haben beiden Varianten klare Vor- oder Nachteile. Von der Vollkostenbetrachtung her ist es heute fast egal, ob man im eigenen Unternehmen einen Raum, Klimatechnik, Brandschutz und IT-Personal zur Verfügung stellt, oder dieses auslagert. Vielmehr haben viele Unternehmen Bedenken, die Daten scheinbar außer Haus zu geben. Das mag auch daran liegen, dass die ERP-Anbieter heute gerne mit dem Modewort der „Cloud“ operieren. Es ist aber keineswegs so, dass Mieter-, Konto- oder Vertragsdaten irgendwo im nebulösen Internet lagern. Vielmehr unterhalten die Anbieter und Dienstleister gut gesicherte Rechenzentren, in denen die Daten gut verwahrt werden.
Auch die zunehmende Mobilität und der damit verbundene Zwang zur Online-Anbindung der ERP-Systeme wird an dieser Wahlfreiheit nichts ändern. Funktionen wie die mobile Wohnungsübergabe, oder Schadenserfassungen im Rahmen der Verkehrssicherung sind Einzelprozesse, die an das eigentliche ERP-System nur angedockt sind. Die originären ERP-Funktionen wie eine Betriebskostenabrechnung werden weiterhin in den Unternehmen ausgeführt.
Im Zuge der Online-Möglichkeiten der Systeme ist die Vernetzung mit verschiedenen Dienstleistern wie Handwerkern oder Versorgungsunternehmen stark im Kommen. Das Interesse der Dienstleister ist bereits groß, viele Immobilien- und Wohnungsunternehmen beobachten die Entwicklung noch etwas vorsichtig. Bei der Entscheidung für ein ERP-System spielt diese Entwicklung nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten Systeme sind dafür bereits ausgelegt.
Das führt auch zu der Frage, in welchem Tempo die Einführung eines neuen Systems vorangehen soll. In unserer Praxis haben wir festgestellt, dass eine stufenweise Vorgehensweise heute nicht mehr sinnvoll ist. Die daraus resultierende parallele Arbeitsweise bringt mehr Ärger und mehr Aufwand mit sich, als eine sofortige Gesamteinführung aller Funktionen zu einem Stichtag, neudeutsch meist als „Big Bang“ bezeichnet. Zumindest die Grundmodule eines ERP-Systems sollten bei der Erstinstallation dabei sein. Ergänzende Funktionen, wie etwa eine Handwerkerkopplung lassen sich problemlos nachträglich hinzufügen.
Das ist auch zumeist ein Unterschied zwischen den SAP- und den meisten alternativen Systemen. Mit SAP wird in der Regel ein Grundstock eingeführt, der dann über Jahre erweitert und optimiert wird. Alternative Systeme werden in der Regel mit allen Funktionen installiert. Damit ergeben sich dann auch die Grenzen des Systems. Das ist nur ein Problem, wenn die Anforderungen an das System unterschätzt wurden.
Kaum Unterschiede gibt es beim Support der einzelnen Anbieter. Alle bieten eine regelmäßige Softwarepflege, Updates und eine Support- oder Beratungshotline an. Natürlich lässt sich im Einzelfall darüber streiten, ob der eine Anbieter beim Support besser oder schlechter ist als der andere. Doch das ist schwer vergleichbar. Grundsätzlich gilt: Ist der Kunde zufrieden, ist der Support gut. Immerhin haben die meisten Unternehmen erkannt, dass eine gute Betreuung im Nachgang das wichtigste Instrument zur Kundenbindung ist. Auch hier muss das persönliche Gefühl den Ausschlag geben. Die Kunst ist es, den Partner zu finden, mit dem man auf Dauer glücklich sein kann.
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Erstveröffentlichung: Oktober 2014, immobilienmanager