Die Immobilienwirtschaft hat sich bislang erstaunlich wenig mit dem Lieferkettengesetz befasst. Ein Fehler, meint Hanna Ritter, Senior Director ESG bei REICON Consulting. Schließlich sind weit mehr Unternehmen davon betroffen, als auf den ersten Blick vermuten lässt.
Ob Gebäudeenergiegesetz, Wärmegesetz oder das Schneller-Bauen-Gesetz in Berlin – viele Gesetze sorgen in der Immobilienwirtschaft für intensive Diskussionen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz, gehört nicht dazu. Und das, obwohl es zahlreiche Unternehmen aus der Branche betrifft. Das Gesetz soll die Menschenrechte und den Umweltschutz stärken, indem es Unternehmen dazu verpflichtet, bestimmte Sorgfaltspflichten innerhalb ihrer Lieferkette zu beachten. Seit 01.01.2024 gilt es für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden. Indirekt sind aber auch viele kleinere Unternehmen betroffen, wenn sie Teil der Lieferkette eines großen Unternehmens sind. Und das ist schneller der Fall, als manchem lieb ist. Denn das LkSG zielt nicht nur auf „klassische“ Lieferanten ab. Unter der Lieferkette versteht der Gesetzgeber alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sowie alle Aktivitäten, die zu deren Herstellung und Erbringung erforderlich sind. Dies kann auch das Mietverhältnis sein. So ist beispielsweise ein Vermieter von Büro- oder Produktionsflächen Teil der Lieferkette des Unternehmens, das die Flächen mietet, und damit mittelbar vom Gesetz betroffen. Aber auch Projektentwickler, Facility und Property Manager oder Dienstleister wie Handwerksbetriebe können Akteure innerhalb einer Lieferkette sein.
Das Problem: Weil viele unmittelbar vom LkSG betroffene Unternehmen Angst vor möglichen Verstößen gegen das Gesetz und damit verbundenen Sanktionsmaßnahmen haben, wollen sie sich um jeden Preis absichern, was oft zu einer Art Overdoing führt, zum Beispiel in Form von überladenen Fragebögen. Die mittelbar betroffenen, oft kleineren Nachunternehmer wiederum fühlen sich durch diese Abwälzung auf sie, das fehlende Know-how und den zusätzlichen Arbeitsaufwand überfordert. Im schlimmsten Fall kann dies dazu führen, dass sie die Zusammenarbeit beenden oder erst gar keine eingehen.
Glücklicherweise lässt sich dieses Problem vergleichsweise leicht durch eine genaue Risikoanalyse vermeiden. Definieren direkt betroffene Unternehmen die möglichen Risiken vorab detailliert und stellen dann fest, dass im jeweiligen Teil der Lieferkette überhaupt keine Risiken bestehen, müssen diese auch nicht weiter intensiv geprüft werden. Grundsätzlich muss es also das Ziel sein, die Fragebögen so schlank wie möglich zu halten und sie auf die konkreten Leistungen des jeweiligen Nachunternehmers zuzuschneiden.
Beispiel Immobilienmakler: Da sie hauptsächlich in Verkauf, Vermietung und Vermittlung von Immobilien tätig sind, haben sie weniger Berührungspunkte mit den typischen Risiken, die durch Rohstoffbeschaffung, Produktion oder industrielle Prozesse entstehen. Ihre Risiken liegen eher in der Wahrung ethischer Standards im Umgang mit Kunden und Partnern, der Einhaltung von Anti-Diskriminierungsgesetzen und möglicherweise in der Wahl von Geschäftspartnern, die ebenfalls die Anforderungen des LkSG einhalten müssen.
Beispiel FM-Dienstleister: Sie sind weniger betroffen von Risiken, die mit der Beschaffung von Rohstoffen, der industriellen Produktion oder großen Bauprojekten verbunden sind. Ihre Risiken konzentrieren sich eher auf Arbeitsbedingungen, faire Löhne, Arbeitsschutz und den Einsatz umweltfreundlicher Materialien und Prozesse im Rahmen ihrer Dienstleistungen wie Gebäudereinigung oder technische Wartung.
Auch die nur indirekt vom LkSG betroffenen Unternehmen können im Vorfeld viel dafür tun, ihren bürokratischen Aufwand gering zu halten. So etwa, indem sie einen Code of Conduct erstellen, in dem das gewünschte Verhalten bei wichtigen Themen wie Nachhaltigkeitsziele, Compliance oder Prävention von Korruption und Bestechung festgehalten ist.
Aktuell scheinen viele Unternehmen der Immobilienwirtschaft das Lieferkettengesetz vor allem auch deshalb zu vernachlässigen, weil sie den damit einhergehenden Aufwand scheuen. Werden aber die oben genannten Punkte – Risikoanalyse, individuelle Fragebögen und Code of Conduct – berücksichtigt, ist ein Großteil des vom Gesetzgeber geforderten Solls bereits erfüllt.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Reicon Consulting
Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung, Oktober 2024