Wo zu früheren Zeiten geschafft und gewerkelt wurde, genießen heute Menschen ihren Feierabend: Ob Fabriken, Krankenhäuser oder Kasernen – bereits zahlreiche geschichtsträchtige Immobilien sind angesichts steigenden Wohnraumbedarfs zu Wohnungen umfunktioniert worden. Dahinter steht ein komplexer Prozess, der ein aufmerksames Auge und einen langen Atem voraussetzt.
Die deutschen Großstädte benötigen mehr Wohnungen. In den sieben größten Städten des Landes allein sind es über 88.000 neue Wohnungen, die bis 2020 jedes Jahr entstehen müssen. Insgesamt ermittelte das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) in seiner jüngsten Studie jährlich 385.000 neue Wohnungen, die bundesweit bis 2020 zur Abdeckung des Bedarfs gebraucht werden. Wenn zugleich die Kommunen nicht ausreichend Bauland für Neuentwicklungen ausweisen, richtet sich der Blick zwangsläufig auf den Bestand.
Gerade großflächige Gebäude mit vielfältigen Nachnutzungsmöglichkeiten eignen sich für die Schaffung neuen städtischen Wohnraums. Ein besonderer Fokus besteht hierbei auf Immobilien, die vor der Nachkriegszeit entstanden sind. Denn aus naheliegenden Gründen knapper Ressourcen besitzt der Gebäudebestand aus den 50er und 60er Jahren nicht die Langlebigkeit vergleichbarer Vorgängerbauten. Mit einer sehr stabilen Baustruktur, großzügigen Grundstücken und überdurchschnittlichen Deckenhöhen erfüllen Gebäude aus dem Zeitalter der Industrialisierung entscheidende Bedingungen für eine Konversion. Ihr Resultat kann neben einer reinen Wohnfunktion auch eine Nutzungsvielfalt sein. Historische Gewerbeareale, Kasernen, Bildungsbauten und Krankenhäuser weisen ähnliche planerische Merkmale auf, die sie zum Zentrum einer modernen Quartiersentwicklung prädestinieren. Ihr flexibler Grundriss erlaubt eine Umnutzung zu Wohnräumen, Markthallen, Werkstätten, Ateliers oder Büros. Ehemalige Rangierflächen, Pausenhöfe oder Exerzierplätze werden in der Nachnutzung zu Gärten oder Spielplätzen.
Kapitalstärke und umfangreiche Kenntnisse gefragt
Die Komplexität einer Immobilienkonversion wartet auf Investoren- und Entwicklerseite mit vielfältigen Anforderungen auf. Aufgrund des zeitlichen Rahmens, der sich von der Projektidee bis zum Abschluss der Bauphase auf rund sechs Jahre summieren kann, ist eine ausreichende Kapitalstärke notwendig, um nach getätigter Investition Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Zudem sind mit Bestandsgebäuden vielfältige Unwägbarkeiten verbunden: Eine unzureichende Traglast, Schadstoffe im Material oder die Anpassung an moderne Brandschutzstandards können erhebliche Mehrkosten verursachen.
Im besten Fall weist der Projektentwickler im eigenen Team interdisziplinäre Kenntnisse auf. Das beginnt mit Expertise in der Bauleitplanung und Baurechtschaffung, um durch eine zügige Schaffung von Baurecht im Kostenrahmen zu bleiben. Eine detaillierte Marktkenntnis mit enger lokaler Vernetzung ist ein ausschlaggebender Pluspunkt im kontinuierlichen Umgang mit Planungs- und Baubehörden. Technische und planerische Kompetenz sind bei historischen Bestandsgebäuden umso mehr gefragt, da in vielen Fällen eine unzureichende Objekt- und Baudokumentation vorliegt. Eine professionelle Kommunikation ist bei Konversionsprojekten nicht zu unterschätzen: Die ohnehin gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligung muss als aktive Einbindung gestaltet werden, um bei Vorhaben städtebaulicher Tragweite von Beginn an eine breite Akzeptanz zu erreichen.
Konversion konkret: bundesweite Beispiele
Moderne urbane Quartiere sollten als Orte sozialer Durchmischung konzipiert sein. Projektentwickler können durch unterschiedliche Wohntypen und variable Größen einen Beitrag dazu leisten, dass künftige Bewohner aus unterschiedlichen Einkommens- und Altersgruppen stammen. Als Teil einer übergeordneten Quartiersentwicklung verantwortet formart aktuell den Umbau einer ehemaligen Produktionshalle des 1868 gegründeten Gummiwarenherstellers Clouth im zentrumsnahen Kölner Stadtteil Nippes. Die historische Backsteinfassade aus der Epoche der Industrialisierung bleibt vollständig erhalten. Die Nachnutzung lässt die ursprüngliche Funktion der Produktionsstätte deutlich erkennen: Denn aus der Fließbandhalle ist eine lichtdurchflutete Magistrale geworden, von der die Wohn-, Büro- und Gewerbeflächen abzweigen. Das Projekt „Halle 17“ umfasst 47 Apartments, Lofts und Penthouses mit einer Größe von 55 bis 168 Quadratmetern. Zusätzliche werden drei Gewerbeeinheiten für Gastronomie und Einzelhandel zur Verfügung stehen.
Ein ähnliches Musterquartier des 21. Jahrhunderts mit hoher Nutzungsdichte und kurzen Wegen entsteht im Mannheimer „Franklin Village“, das einst 8.000 Menschen beherbergte. Im Zentrum des ehemals größten Standortes der US-amerikanischen Streitkräfte in Deutschland stehen zwei Kasernen aus dem Kaiserreich, um die sich im Laufe der Jahrzehnte weitere Kasernengebäude, Geschäfte und Sportanlagen gruppiert haben. Die Größe des Areals von rund 18.000 Quadratmetern erlaubt neben der Bestandskonversion die Entwicklung von Neubauten. Von den 210 neuen Wohnungen des formart-Projekts im FRANKLIN Quartier entstehen 36 in ehemaligen Kasernen, die bereits den Vorteil einer vorherigen Wohnnutzung aufweisen.
Ähnlich umfangreich gestaltet sich die Konversion des ehemaligen Ulmer Universitätsklinikums am Safranberg. Der zwischen 1909 und 1912 errichtete Klinikkomplex wird bei einer überwiegenden Wohnnutzung mit insgesamt 400 Wohnungen ebenso Büros, Gastronomie, Herbergen und Arztpraxen umfassen. Für ein einheitliches Erscheinungsbild wurden zunächst Erweiterungsbauten aus den 50er und 60er Jahren abgetragen. An ihrer Stelle entstehen Stadthäuser, die mit der Jugendstilarchitektur des Hauptgebäudes korrespondieren. Bis zum Herbst 2018 entwickelt formart auf dem Safranberg 120 neue Wohnungen, 97 von ihnen im alten Zentralgebäude des Klinikums. Bei Wohnungsgrößen von 28 bis 218 Quadratmetern werden erneut breite Nachfragergruppen von Studenten über Senioren bis zu Großfamilien angesprochen.
Eine Investition in denkmalgeschützte Bestandsimmobilien bietet nicht zuletzt auch einen Bonus für Käufer: Im Laufe von zwölf Jahren können im Rahmen der „Denkmal-AfA“ insgesamt 100 Prozent der Instandhaltungs- und Modernisierungskosten von der Einkommensteuer abgeschrieben werden.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Formart GmbH & Co. KG
Erstveröffentlichung: Immobilienmanager, Mai 2017