Nachhaltigkeit auf der Ebene der Immobilie ist kein neues Thema mehr – wohl aber auf der Unternehmensebene.
Die Nachhaltigkeit von Immobilien ist seit langem messbar – an dieser Stelle seien exemplarisch die Zertifizierungsstandards LEED, BREEAM, HQE und DGNB genannt. Viele international agierende Immobilieninvestoren bemängeln aber, dass ihnen eindeutige Kriterien zur Beurteilung von Nachhaltigkeit in Gebäuden fehlen. Die Zertifizierungssysteme sind zwar im Hinblick auf ihre quantitativen Aussagen nur bedingt vergleichbar, die Ergebnisse mehrerer Immobilien, die nach dem gleichen System zertifiziert sind, können aber sehr wohl in Relation zueinander gesetzt werden. Das Messen von Nachhaltigkeit ist auf der Ebene der Immobilie also beileibe kein neues Thema mehr. Nicht so jedoch auf der Unternehmensebene: Hier ist das Thema Nachhaltigkeit noch vergleichsweise jung, und die Frage, wie hier Nachhaltigkeit messbar gemacht werden kann, steckte hier bis vor kurzem noch in den Kinderschuhen.
Um sich dem Thema zu nähern, haben sich mehrere Immobilienunternehmen unter dem Dach des ZIA zusammengeschlossen und mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Professor Franz Josef Radermacher vom FAW Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung ein Forschungsprojekt initiiert und branchenspezifische Empfehlungen zur Erfassung und Bewertung von Nachhaltigkeit auf der Unternehmensebene entwickelt. Die Ergebnisse wurden im ZIA-Nachhaltigkeitsleitfaden zusammengefasst.
In der Arbeit ist einmal mehr deutlich geworden: Die Immobilienwirtschaft umfasst eine große Bandbreite von Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten – vom Immobilienfinanzierer über den Architekten, Projektentwickler bis zum Fondsunternehmen oder der börsennotierten Immobilien-Aktiengesellschaft. Neben allgemeinen Nachhaltigkeitsanforderungen, die für alle Unternehmen der Immobilienwirtschaft gelten, resultieren aus der Branchenvielfalt geschäftsfeldspezifische, voneinander abweichende Nachhaltigkeitsansprüche an die Unternehmen. Um diesen entsprechen zu können, ist eine Orientierung am Lebenszyklus der Immobilie und eine Bündelung der Aktivitäten der Unternehmen im Lebenszyklus in Gruppen notwendig. Die einzelnen Cluster decken je einen spezifischen Teilausschnitt der gesamten Prozesskette und darüber hinaus alle Branchenfelder ab. Insgesamt wurden sieben Cluster identifiziert: Erstellen, Betreiben und Vermieten, Investieren, Finanzieren, Nutzen, Beraten sowie Forschen und Lehren.
Verbindlichkeit erhalten die Nachhaltigkeitsziele durch die freiwillige Selbstverpflichtung auf einen zweistufigen Nachhaltigkeitskodex, der aus den allgemeinen und geschäftsfeldspezifischen Nachhaltigkeitsanforderungen abgeleitet ist. Der Kodex unterscheidet zwischen Empfehlungen, die übergeordnet für alle Unternehmen der Branche gelten sollen, sowie gruppenspezifischen Ergänzungen, die dann nur beispielsweise für Berater oder Finanzierer gelten. Ein Beispiel für die übergeordneten Empfehlungen ist die Mitarbeiterorientierung. Der verantwortungsvolle Umgang, die Entwicklung und Fortbildung von Mitarbeitern sind wichtige Grundlagen nachhaltigen unternehmerischen Handelns. Ein weiteres Beispiel für einen übergeordneten Aspekt ist, sich hohen Compliance-Anforderungen zu stellen. Hinzu kommen besagte unternehmens- spezifische Ergänzungen. Nehmen wir als Beispiel die Gruppe der Ersteller. Zu den Empfehlungen zählt hier unter anderem, durch frühes integratives Planen und gemeinsame Projektarbeit der am Bau und Betrieb beteiligten Unternehmen Synergien bei Energieeffizienz und Klimaschutz zu erzielen.
Nun wissen wir alle: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Was nützen gutgemeinte Empfehlungen, wenn sie im Zweifel nicht eingehalten werden? Um dem zu begegnen, wird nahegelegt, dass sich die Unternehmen freiwillig zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichten. Die Berichte sollen nach einheitlichen Standards erstellt werden und somit für die erforderliche Transparenz sorgen. Dabei sollen die Vorgaben der Global Reporting Initiative (GRI) zur Anwendung kommen. Es wäre an dieser Stelle wenig sinnhaft gewesen, das Rad neu zu erfinden – die GRI-Standards sind bereits weltweit etabliert. GRI sieht eine Reihe wirtschaftlicher, ökologischer und soziokultureller Leistungsindikatoren vor, die entsprechend im Nachhaltigkeits-Reporting berücksichtigt werden sollen.
Übertragen auf die Immobilienwirtschaft ist die Immobilienbewertung ein Beispiel aus dem ökonomischen Bereich. Im Reporting sollte transparent dargestellt werden, in welchem Maße Nachhaltigkeitskriterien bei der Bewertung von Immobilien, die erstellt oder erworben werden, einfließen. Beispiele aus dem Bündel ökologischer Leistungsindikatoren sind die Energie- und Wasserverbräuche im Unternehmen. Im Feld soziokultureller Faktoren seien exemplarisch die Krankheitsquote, die Mitarbeiterfluktuation oder auch die Ausgaben und spezielle Programme für Familienverträglichkeit genannt. Alle Leistungsindikatoren sollten – sofern möglich – nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ dargestellt werden, um eine größtmögliche Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
Das Themenfeld rund um Nachhaltigkeitsberichte und die Messbarkeit von Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene ist in der Immobilienwirtschaft noch vergleichsweise jung. Und dennoch gilt, dass einzelne Immobilienunternehmen auch bereits vor Fertigstellung des ZIA-Nachhaltigkeitsleitfadens Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht haben. Perspektivisch wird das Thema an Bedeutung gewinnen, und Nachhaltigkeitsberichte werden mehr und mehr zur Grundlage für eine nachprüfbare Messung der jeweiligen Unternehmensaktivitäten in diesem Bereich. Dass die Initiative hierfür aus der Immobilienwirtschaft selbst kam, ist nur konsequent. Denn das Thema Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene kommt früher oder später auf die Immobilienwirtschaft zu. Und im Zweifel ist es immer besser, in Vorlage zu gehen als darauf zu warten, dass von außen der Rahmen vorgegeben wird.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2011/2012