Wohnungsbaugenossenschaften und Stadtentwicklung
Die Wohnungs- und Städtebaupolitik steht in Deutschland vor großen Herausforderungen. Je nach Situation auf den Wohnungsmärkten und in den Wohnquartieren in den Bundesländern sind diese unterschiedlich ausgeprägt. Themen wie bezahlbares Bauen und Wohnen, Energieeffizienz, altersgerechtes Wohnen und Barrierefreiheit stehen bundesweit im Fokus. Aufgabe der Politik ist es, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen und beispielsweise durch öffentliche Förderung neue Chancen zu bieten. In diesem Prozess sind aber auch alle anderen Partner ebenso wichtig. Ohne ein abgestimmtes kooperatives Handeln in den Quartieren kann der notwendige Entwicklungsprozess nicht gelingen. In den Kommunen sind die Partner vor allem die institutionellen Anbieter aus der Wohnungswirtschaft.
Die Wohnungsbaugenossenschaften sind mit ihrer langfristigen Ausrichtung des Geschäftsmodells, der inhärenten Kundenorientierung genossenschaftlicher Wohnformen und ihrer nachhaltigen auf Werterhalt setzenden Bewirtschaftungsstrategie prädestinierte Partner der Kommunen für die Stadtentwicklung.
Das setzt voraus, dass Wohnungsgenossenschaften Stärken und Schwächen ihrer Bestände nüchtern analysieren, notwendige Investitionen vornehmen, damit ihre Bestände an die Anforderungen des demografischen Wandels und der Energieeinsparung angepasst werden und sich aktiv in die Stabilisierung und Sicherung ihrer Standorte einbringen. Das Wohnraumförderungsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen leistet eine wirksame Hilfe um die vielbeschworene Renaissance der Traditionsgenossenschaften in der Quartiersentwicklung wirtschaftlich zu unterstützen.
Wohnraumförderung als Instrument der Quartiersentwicklung
Auf die veränderten Bedarfe an den Wohnungsmärkten, die vom fehlenden bezahlbaren Wohnraum in Wachstumsregionen reichen bis zu überalterten Beständen, deren Modernisierung auf entspannten Märkten bei niedrigem Marktmietenniveau nicht refinanzierbar ist, hat das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW (MBWSV NRW) reagiert. Die Wohnungspolitik wurde in NRW zielgenau, sozial ausgewogen an die veränderten Marktbedingungen angepasst, modernisiert. Mit dem mehrjährigen Wohnraumförderungsprogramm stehen im Zeitraum 2014 bis 2017 Förderdarlehen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Die zinsgünstigen Darlehen werden durch Tilgungsnachlässe ergänzt, um in der aktuellen Niedrigzinsphase einen wirksamen Investitionsanreiz zu schaffen. Kommunen und Wohnungsunternehmen erhalten so eine verlässliche Finanzierungsgrundlage für die gezielte Aufwertung und Stabilisierung von Wohnquartieren. Bei der Konzeption des Programms wurden zudem Förderbausteine für die Quartiersentwicklung gestärkt. Konsequent hat NRW die Wohnraumförderung des Landes in den letzten Jahren so zu einem Instrument der Quartiersentwicklung weiterentwickelt.
Politischer Gestaltungsauftrag: Wohnraumförderung muss bedarfsgerecht und flexibel agieren
Die Förderkulisse in NRW bietet mit ihrer Ausrichtung auf Wohnquartiere auch Perspektiven für die Genossenschaften. Deren Situation ist landesweit nicht einheitlich, sondern erfordert ein differenziertes Förderinstrumentarium. Die Genossenschaften stehen vor großen Herausforderungen: Oftmals sind sie von einer vielfachen Alterung betroffen. Aufgrund ihrer Historie und ihrer Bestandsstruktur ist ihre Bewohnerschaft oftmals überdurchschnittlich alt. Zudem besteht bei zahlreichen Beständen Modernisierungsbedarf. Je nach Marktlage stehen Genossenschaften vor den Herausforderungen, Bestände in schwachen Märkten energetisch und altersgerecht zu modernisieren oder auch Teilabrisse vorzunehmen und qualitativ hochwertigen Ersatzwohnraum zu schaffen. Während dies in stärkeren Märkten weniger problematisch ist, sind hier größere Hemmnisse anzutreffen, um Neubau zu realisieren.
Unser Förderangebot in NRW bietet zahlreiche Möglichkeiten, um mit der Wohnraumförderung Bestände und Quartiere weiterzuentwickeln. Diese Mittel können unabhängig von der Gebietskulisse des besonderen Städtebaurechts landesweit eingesetzt werden. Die Zielgruppe des geförderten Wohnungsbaus berücksichtigt bewusst eine breite Einkommenspalette und ermöglicht so auch einem Großteil der mittleren Einkommensschichten Zugang zu qualitativem und bezahlbaren Wohnraum. Ziel ist es, mit einer großen Vielfalt an Wohnformen bei guter Qualität bezahlbaren Wohnraum für alle Generationen in sozial gemischten Quartieren zu erhalten oder neu zu schaffen. Förderbausteine der Quartiersentwicklung sind der Neubau und die Modernisierung von Mietwohnungen, der Abbau von Barrieren in den Wohnungen ebenso wie im Wohnumfeld sowie die Finanzierung von Abrisskosten im Rahmen von Ersatzwohnungsbau oder auch die Quartiersentwicklung auf Brachflächen. Dabei steht ein breites Angebot für Investoren zur Verfügung: Neubauförderung kann beispielsweise ohne Mietpreis- und Belegungsbindung mit mittelbarer Belegung erfolgen. Dabei wird bisher nicht sozial gebundener Ersatzwohnraum über Flächenpools bereitgestellt. Für Genossenschaften besonders attraktiv sind zudem die zahlreichen Förderangebote für ältere Bewohnerinnen/Bewohner und Bewohnerinnen/Bewohner mit Unterstützungsbedarf. Ebenso interessant sind die Möglichkeiten einer Förderung der baulichen Maßnahmen, die das Wohnumfeld aufwerten oder als soziale Infrastruktur im Quartier zur Verfügung stehen. Diese Angebote werden erfreulicherweise von einigen Wohnungsbaugenossenschaften in NRW bereits genutzt. Unsere Fördermittelabrufe belegen aber auch, dass noch erheblich mehr Genossenschaften diese Mittel nutzen und ihre Bestände so weiterentwickeln können.
Bewährte Bündnisse - Wohnungsbaugenossenschaften als Partner in den großen Kommunen
In den großen Kommunen wie beispielsweise München, Hamburg und Köln haben sich seit langem wohnungspolitische Bündnisse zwischen Kommune und Wohnungswirtschaft etabliert. Dadurch wird abgestimmtes Handeln gewährleistet und die Weiterentwicklung der Quartiere, vor allem auf angespannten Märkten gezielt angegangen. Bei der Entwicklung von wohnungspolitischen Handlungskonzepten sind Wohnungsunternehmen in der Regel auch finanziell beteiligt und damit gleichberechtigt in den Entscheidungsprozess eingebunden. Wohnungsbaugenossenschaften sind in diesen Bündnissen ein fester Partner. In NRW sind sie beispielsweise neben Köln auch in Dortmund, Münster und Aachen Bestandteil der Wohnungspolitik. Im Kreis der größeren Gesellschaften, zumeist der kommunalen Gesellschaft und der großen ehemals industrieverbundenen Unternehmen, mit denen sie auch in der Runde der „Arbeitsgemeinschaft der großen Wohnungsunternehmen“ sitzen, nehmen sie aufgrund ihrer Größe eher eine untergeordnete Rolle ein. Herausragend sind sie oftmals durch die Realisierung von Nischenprojekten für spezielle Zielgruppen bzw. im experimentellen Wohnungsbau, mit denen sie das Wohnspektrum der großen Kommunen qualitativ erweitern. Zudem kommt ihnen eine wichtige Versorgungsfunktion mit Wohnraum im unteren, öffentlich geförderten sowie im preisgedämpften Wohnungsbau zu.
Unerlässliche Bündnisse - Wohnungsbaugenossenschaften als Motor der Quartiersentwicklung im ländlichen Raum
In den ländlichen Kommunen und Kreisen fehlt der Stadtentwicklungsplanung in der Regel die organisierte Wohnungswirtschaft als Partner. Lokale Bündnisse und die Entwicklung von wohnungspolitischen Konzepten sind hier auch noch nicht so weit verbreitet wie in den großen Kommunen. In diesen Regionen haben Wohnungsgenossenschaften eine besonders wichtige Rolle. Sie sind Experten für Wohnungsbau und –bewirtschaftung und damit erster Partner der Kommunen. Zudem verfügen sie historisch bedingt über Bestände in sehr attraktiven, innenstadtnahen Lagen. In ländlichen Räumen sind sie oftmals die einzig Etablierten, die als Partner der Quartiersentwicklung zur Verfügung stehen. Umso wichtiger ist es, dass Wohnungsbaugenossenschaften hier auch diesem Auftrag nachkommen. Viele kleinere Gemeinden leiden aktuell darunter, dass dort kaum Investoren für den Wohnungsbau auftreten und beispielsweise im unteren und mittleren Preissegment barrierearmen und -freien Wohnraum anbieten. Insbesondere in den ländlichen Kreisen profitieren Gemeinden davon, wenn Genossenschaften gemeindeübergreifend investieren. Die Aktivierung von Investoren für den Wohnungsbau ist somit auch ein wichtiger zukünftiger Bestandteil der Wirtschaftsförderung in den ländlichen Kreisen, neben der Entwicklung der strategischen Planung, der Wohnungspolitik und der Initiierung lokaler Bündnisse.
Welche Impulse Genossenschaften in Quartieren leisten können, belegt beispielsweise die erfolgreiche Umstrukturierung einer Großwohnanlage in Borken in einem kleinstädtischen Umfeld. Mit Einsatz von öffentlichen Fördermitteln ist auf Grundlage eines wohnungspolitischen Handlungskonzeptes ein Teilabriss und Rückbau in Kombination mit einer energetischen Sanierung einer Großwohnanlage aus den 1970er Jahren durch die WohnBau Westmünsterland eG erfolgt. Darauf aufbauend erfolgte die Aufwertung im öffentlichen Raum mit kommunalen Mitteln. So gelang eine umfassende Neuaufstellung des Quartiers.
Wohnungsbaugenossenschaften waren, sind und bleiben ein wichtiger Partner der Quartiersentwicklung in den Kommunen und Gemeinden jeder Größenordnung und in jedem Markt.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Vekehr des Landes Nordrhein-Westfalen
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung Ausgabe 12/2015