16.07.2019

Moderne Stadtquartiere

Quartiersentwicklungen als städtebauliche Akzente

Jan-Oliver Meding, Geschäftsführender Gesellschafter, MPP Meding Plan + Projekt GmbH
Jan-Oliver Meding

In den vergangenen Jahren sind mehrere zentrale Brachflächen in deutschen Großstädten neu erschlossen worden. Ein wesentlicher Schlüssel hierzu heißt Mischnutzung: Gewerbeflächen wechseln sich mit Wohnungen ab, großzügige Gärten und Gemeinschaftsflächen komplettieren das Angebot. Je mehr Durchmischung an Angebot und Bewohnern, desto lebenswerter wird das Quartier als Stadt in der Stadt.

Die Deutschen brauchen immer mehr Wohnfläche. Der durchschnittliche Flächenbedarf pro Person liegt mittlerweile bei über 40 Quadratmetern. Nicht nur der Umfang, sondern auch die Lage spielt eine wesentliche Rolle beim Wohnen. Mittlerweile wohnen drei von vier Bundesbürgern in Städten. Besonders die Großstädte verzeichnen ein kontinuierliches Wachstum. Durch den Mangel an verfügbaren Grundstücken sind Brachflächen in zentralen urbanen Lagen zunehmend in den Fokus der Stadtentwicklung gerückt. Rangierflächen von Güterbahnhöfen, ehemalige Großmärkte, Spitäler oder auch Kasernenareale sind aufgrund ihrer Größe potentielle Objekte für Quartiersentwicklungen. Mit dem Faktor Urbanität geht das Gebot der Mischnutzung einher. Wohnen, Einzelhandel, Büros und Naherholung befinden sich dann am selben Ort. So spiegeln moderne Quartiere die Funktionsvielfalt der Stadt wider. Zugleich wird die fußläufige Erreichbarkeit innerhalb des Quartiers zu einem Pluspunkt ökologisch nachhaltiger Stadtplanung.
Fußläufigkeit ist Wesensmerkmal eines Quartiers. Eine aktuelle Dissertationsschrift ermittelte nach Befragungen für diesen Begriff eine Maximaldistanz von 400 Metern. Das 2007 gegründete US-Unternehmen Walk Score hat die Fußläufigkeit sogar zum Geschäftsmodell erhoben: Ein entsprechender Index zeigt für Wohnungssuchende in den USA, Kanada und Australien die jeweilige Entfernung der gewünschten Wohnung zum Angebot an Einzelhandel, personenbezogenen Dienstleistungen und öffentlichem Nahverkehr. Während die kurzen Distanzen die Abgrenzung nach außen hin vorgeben, ist das Quartier nach innen hin durch seinen Mittelpunkt definiert. Bei Konversionsarealen bietet sich hierfür der historische Baubestand an, seien es alte Produktionshallen oder Kaserne. Eine einheitliche, regional eingebettete Architektur und eine Markenbildung mit Namen und Logo runden die Quartiersmerkmale ab.

Vorteile innerstädtischer Quartiersentwicklungen
Brachflächen in Innenstadtlagen zeichnen sich durch eine bereits gegebene Infrastruktur aus. Für Projektentwickler bedeuten vorhandene Verkehrsanbindungen und eine bestehende Energieversorgung eine erhebliche Einsparung. Im Gegensatz zu Randgebieten reduzieren sich die Erschließungskosten erheblich. Zugleich entfallen ökologische Ausgleichsmaßnahmen wie die Bereitstellung neuer grüner Ersatzflächen. Einsprüche mit Bezug auf den Umweltschutz sind nur in geringem Umfang möglich, da in der Vergangenheit ja bereits eine Nutzung im städtischen Kontext gegeben war. Mit der Einbettung in den Stadtraum gelingt nicht zuletzt eine vereinfachte Vermarktung der Flächen: So ist durch die historische Bedeutung des Areals oder die Verknüpfung mit angrenzenden Anziehungspunkten in der Stadt die passende Geschichte gleich erzählt.

Dem gegenüber stehen gleichwohl auch Risiken. Eigentumsverhältnisse können bei Brachflächen häufig ungeklärt sein. Unerwartet auftretende Altlasten wie chemische Kontaminationen oder Relikte aus Kriegszeiten sind horrende Kostentreiber. Um diese Gefahren abzufedern, bieten sich Arbeitsgemeinschaften in der Projektentwicklung an – gerade auch als Kooperation zwischen Privatwirtschaft und Öffentlicher Hand. Werden Risiken und Folgekosten gemeinsam übernommen, ist ein wesentliches Hindernis für die Entwicklung der Brachfläche beseitigt.
Neben einer personellen Kontinuität der beteiligten Projektparteien – von der ersten Idee bis zur schlüsselfertigen Übergabe –  sind die Kommunikation nach außen und die Gestaltung des Quartiers maßgebliche Erfolgskriterien. Eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung ist gesetzlich ohnehin geboten und kann unter den bestehenden Vorgaben kreativ erfolgen. Planungsworkshops oder Nachbarschaftsumfragen können beispielsweise für eine möglichst breite Zustimmung und damit kürzere Projektzeiten sorgen. Je rascher die Markenbildung des Quartiers erfolgt, desto mehr Aufmerksamkeit wird generiert. Symbole, Visualisierungen und Fotos sind eben zugänglicher als Architektenpläne, Beschreibungen und Bauanträge.

Funktionsfülle als Faktor für moderne Stadtquartiere
In der Quartierskonzeption bietet sich Vielfalt als Leitbegriff an. Mit Bezug auf die soziale Durchmischung ist ein Nebeneinander von Miet- und Eigentumswohnungen unterschiedlicher Größen empfehlenswert. In vielen Großstädten ist ohnehin ein beträchtlicher Teil neuer Wohnungen bei größeren Projekten mit einer Mietpreisbindung versehen. Gerade Familien sind aktive Antreiber für eine lebendige Nachbarschaft, weshalb entsprechende Wohnungsgrößen für sie vorgehalten werden sollten. Vielfalt umfasst auch eine große Nutzungsbandbreite. Einzelhandels- und Gastronomieangebote sind im Erdgeschossbereich unterzubringen, um nach außen eine hohe Passantenfrequenz zu sichern. Eine gleichzeitige Wohnnutzung des Quartiers setzt voraus, dass Innenhöfe oder Dachgärten Rückzugsmöglichkeiten sichern. Ein hoher Anteil an Grünflächen entspricht dem Bedürfnis vieler Städter nach Naturbezug im urbanen Raum. Um dem Erscheinungsbild der Schlafstadt vorzubeugen, sollten Büros oder Ateliers ebenso in das Quartierskonzept einfließen. Durch die unterschiedlichen Nutzungszeiten der einzelnen Gruppen wird eine permanente Belebung des Quartiers garantiert. Gerade in Städten zählen vitale Räume zu den beliebtesten Zonen mit der höchsten Nachfrage. Dies zeigt sich zum Beispiel beim PRAGER CARRÉE, einer Quartiersentwicklung  des Hamburger Projektentwicklers und Investors REVITALIS REAL ESTATE AG vis-à-vis des Dresdner Bahnhofs. Hier ist es dem Hamburger Architekturbüro MPP MEDING PLAN + PROJEKT GmbH gemeinsam mit dem Bauherren gelungen, mit urbaner Architektur und dem Einbezug von Natur in den begrünten Innenhöfen, natürlichen Freiraum für Begegnungen zu schaffen - mitten in der Innenstadt.

Für den ökologischen Fußabdruck des Quartiers lenkt sich der Blick auf die Mobilität: Bewohner in Großstädten greifen verstärkt auf den öffentlichen Nahverkehr und das Fahrrad zurück. Hinweise zur Erreichbarkeit der nächstgelegenen Bushaltestellen und Bahnhöfe, ausreichende Fahrradstellplätze sowie markierte Radwege im Inneren kommen den Bewohnern entgegen und fördern die Umweltfreundlichkeit des Quartiers. Carsharing-Angebote und Aufladestationen für Elektromobile können das Mobilitätskonzept ergänzen.  Fazit: Werden die genannten Kriterien berücksichtigt, entsteht nicht nur im Mikrorahmen des Quartiers eine hohe Akzeptanz. Vor allem sind Quartiere dieser Art städtebauliche Akzente, die über die Stadt hinaus eine hohe Reputation genießen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von MPP Meding Plan + Projekt GmbH
Erstveröffentlichung: LEG-Wohnungsmarktreport 2018

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