Das amerikanische Vergabemodell "Design & Build" als Vorbild für Europa
Je dynamischer sich eine Wirtschaftsbranche gestaltet, desto eher orientiert man sich an Trends aus den USA. Im Gegensatz zu vielen kurzfristigen Phänomenen hat das US-Vergabemodell „Design & Build“ das Potenzial, einen tiefgreifenden Kulturwandel im Bauwesen zu erreichen. Mehrere Studien haben bereits belegt, dass die Verbindung von Planung und Ausführung eine deutlich höhere Kosten- und Zeiteffizienz bewirkt – nicht zuletzt durch bessere Kommunikation. Europa kann hierbei vieles lernen.
In den USA handelt es sich seit über 20 Jahren um ein fest etabliertes Verfahren, in Europa steckt es noch in den Kinderschuhen: „Design & Build“ führt sämtliche Prozessphasen eines Bauprojektes von der Entwurfsplanung bis zur schlüsselfertigen Übergabe in der Hand eines Auftragnehmers zusammen. Das auch hierzulande bekannte Modell des Generalunternehmers weitet sich auf die Planung aus. Das bedeutet: Interdisziplinäre, miteinander koordinierte Bauteams begleiten das Projekt kontinuierlich von der ersten Idee an. „Design & Build“ ist folglich nicht nur ein Vergabeverfahren, sondern eine Plattform, die Auftraggeber und Auftragnehmer partnerschaftlich zusammenführt.
Seinen Ursprung hat „Design & Build“ in den wachsenden Anforderungen an eine Immobilie, ob als Neubau oder im Bestand. Energieeffizienz, ressourcenschonende Materialwahl und die Integration digitaler Technik im Sinne eines „Smart Building“ sind Kriterien jüngeren Datums. Der Markt reagierte darauf mit einer Spezialisierung innerhalb der Planungsleistungen und Gewerke. Die Folge für den Bauherrn ist eine wachsende Unübersichtlichkeit im Ausschreibungsprozess und damit verbunden die Gefahr, die Kontrolle über Zeit und Budget zu verlieren. Dies gilt gerade im Übergang von der Planungsphase zu den ausführenden Arbeiten. „Design & Build“ führt hingegen alle Leistungen in einer zentralen Projektleitung zusammen und ist in der Regel mit einem vorab festgelegten Pauschalpreis verknüpft.
Wachsende Nachfrage in der Privatwirtschaft
Für die Immobilienabteilungen in Unternehmen (Corporate Real Estate) ergeben sich weitere Faktoren, die eine steigende Nachfrage bei „Design & Build“ erklären. Nach Berechnungen der TU Darmstadt stellen die Immobilienkosten zehn bis 20 Prozent der Gesamtkosten eines Unternehmens in Deutschland dar. Zwei Drittel davon sind finanzwirtschaftliche Kosten (Miete, Abschreibung, Zins), ein Drittel entfällt auf den laufenden Betrieb. Offensichtlich hält sich die Zahl der Immobilienkosten auf hohem Niveau: 2013 ermittelte der Immobiliendienstleister JLL, dass weltweit 76 Prozent der Immobilienfachabteilungen in Unternehmen Einsparungen in ihrem Bereich vornehmen müssen. Zugleich haben immer mehr Firmen ihre Immobilien als Visitenkarte identifiziert: Die Innenarchitektur soll demnach die Unternehmenswerte und das Corporate Design widerspiegeln. Die Immobilien beschäftigen folglich zunehmend mehr Mitarbeiter und Abteilungen innerhalb eines Unternehmens – und werden damit zum Ziel von Einsparungen. Es ist also naheliegend, in der Immobilienentwicklung auf Auftragnehmer zurückzugreifen, die Kosten, Zeit und Aufwand reduzieren: Im „Design & Build“-Modell gibt es einen festen Ansprech- und Vertragspartner, der alle Leistungen gebündelt aus einer Hand anbietet.
Diese Entwicklungen spiegeln sich im US-amerikanischen Markt bereits deutlich wider, wie das unabhängige „Design & Build Institute of America“ ermittelte. Von 2005 bis 2013 stieg der „Design & Build“-Anteil aller gemessenen Bauprojekte um über ein Drittel auf mittlerweile 39 Prozent. Zugleich sank der Anteil der klassischen Vergabe mit getrennter Planung und Ausführung von 67 auf 52 Prozent. Die restlichen neun Prozent entfallen auf das Modell „Construction Management at Risk“. Diese Variante entspricht weitestgehend einem übergeordneten Projektsteuerer ohne ausführende Leistungen, dafür jedoch mit alleiniger Vertragsverantwortung. In den USA und anderen angelsächsischen Ländern wird die althergebrachte Vergabepraxis mit getrennten Ausschreibungen von Planung und Ausführung daher bereits als „traditional method“ bezeichnet. „Design & Build“ kommt insbesondere bei Projekten umfangreicher Größe zum Einsatz: 2013 hatten 53 Prozent aller in den USA realisierten „Design & Build“-Projekte ein Bauvolumen von über zehn Millionen US-Dollar.
Studien belegen Effizienzsprung durch „Design & Build“
Als Auftraggeber fungieren in den USA sowohl private Unternehmen als auch öffentliche Institutionen. Der Gesetzgeber erlaubte der Öffentlichen Hand bereits 1996 die Ausschreibung von Bauprojekten nach „Design & Build“. Aktuell machen 25 Bundesstaaten von dieser Regelung Gebrauch. Ebenso ab den 1990er Jahren begannen die ersten Erhebungen zur Effizienz von „Design & Build“. Das Ergebnis: Nur eine von 15 Studien ermittelte höhere Kosten bei der Vergabe nach „Design & Build“. Die bislang ausführlichste Analyse der University of Pennsylvania verglich über 350 Projekte miteinander und ermittelte eine Kostenersparnis von sechs Prozent bei der Zusammenlegung von Planung und Ausführung. „Design & Build“-Projekte nahmen durchschnittlich nur zwei Drittel der Projektzeit in Anspruch, die für Projekte nach klassisch getrennter Vergabe („Design-Bid-Build“) aufgewendet wurde.
Diesem Effizienzgewinn liegen mehrere Faktoren zugrunde, die sich unter dem Begriff „Expertise aus einer Hand“ bündeln lassen. Entsprechend ausgestattete Bauunternehmen vereinen unter ihrem Dach Architekten, Planer, Ingenieure, Kaufleute und Bauleiter, deren Kenntnisse sowohl in der Planungs- als auch in der Ausführungsphase zum Tragen kommen. Die gewöhnlich strikte zeitliche Trennung entfällt dadurch: Noch vor Abschluss der Planungsphase kann mit der Ausführung begonnen werden, mögliche Planungsdefizite werden so frühzeitig erkannt. Zeitlich gewinnt der Bauherr in erster Linie durch den Verzicht auf umfängliche Ausschreibungen, da mit der Bestellung eines „Design & Build“-Unternehmers nur ein Vertragspartner existiert.
Mit dem Vertragsabschluss sind in der Regel ein fixer Preis und ein fest definiertes Übergabedatum verknüpft – ein Höchstmaß also an Kosten- und Zeitkontrolle. Es können verschieden Ausprägungen von „Design & Build" zum Einsatz kommen, die gleich zu Projektbeginn eine transparente Kostengestaltung ermöglichen: Beim budgetierten Bauen vereinbaren Auftraggeber und Auftragnehmer ein fest definiertes Projektbudget, Planungsänderungen durch den Auftraggeber können gegebenenfalls das Budget erhöhen. Cost plus Fee sieht auf die ermittelten Selbstkosten einen Bonus für den Auftragnehmer vor, wenn die Zeit- und Kostenkalkulation übererfüllt wird. Verträge für Einheitspreise ordnen einzelnen Leistungen feste Preise zu, eventuelle Nachträge orientieren sich an diesen Festlegungen. Der Garantierte Maximalpreis legt für das Projekt eine preisliche Obergrenze fest, Einsparungen werden nach einem vorab festgelegten Schlüssel zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer aufgeteilt. Die Wahl für „Design & Build" ist folglich alles andere als eine Einschränkung, sondern lässt innerhalb des Modells ein hohes Maß an Vertragsfreiheit.
Kommunikation als Schlüsselfaktor
Höhere Effizienz, Budgetkontrolle sowie Kosten- und Zeitersparnis – das sind die größten Vorteile von „Design & Build“. Die enge Zusammenarbeit im Bauteam ist dabei die notwendige Bedingung. Wenn das Bauteam aus demselben Unternehmen stammt oder sich aus langjährigen Kooperationspartnern zusammensetzt, ist die Grundbedingung hierfür gegeben: die gemeinsame Erfolgsorientierung ohne Gedanken an einen Verdrängungswettbewerb. Regelmäßige Besprechungen gemeinsam mit dem Bauherrn bilden daher einen wesentlichen Pfeiler von „Design & Build“-Projekten. Durch die Zusammenarbeit von Beginn an bis zur schlüsselfertigen Übergabe reduziert sich das belastende Nachtragsmanagement, das weiterhin das Ansehen der Bauindustrie trübt. „Design & Build“ hat somit das Potenzial, einen echten Kulturwandel herbeizuführen – vom harten Konkurrenzdenken hin zu partnerschaftlicher Kooperation zugunsten des Bauherrn. Nicht umsonst hat das US-Baumagazin „Construction Dive“ partnerschaftliches Bauen zum wichtigsten Bautrend des Jahres 2017 gekürt. Europa sollte sich diesem Sprung zu größerer Effizienz und mehr Freiheit im Bauwesen anschließen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Erstveröffentlichung: Die Immobilie Online, Mai 2017