Keine Angst vor Inflation
Der Markt für Transaktionen war im Januar wie erwartet vergleichsweise ruhig. Dieser verhaltene Start ins Jahr ist u.a. auf eine weitreichende Unsicherheit zurückzuführen, die bei vielen Marktteilnehmern zu beobachten war. Wesentliches Thema war – neben den geopolitischen Unsicherheiten durch den Brexit, den anstehenden Wahlen in Europa und Donald Trumps Präsidentschaft – vor allem die Entwicklung der Inflation.
Die Inflationsrate ist in bemerkenswerten Sprüngen von 0,8 Prozent im November auf 1,7 im Dezember und nunmehr im Januar auf 1,9 Prozent gestiegen. Diese Erhöhungen der Inflationsrate sind allerdings auf gestiegene Preise für Lebensmittel und Öl zurückzuführen, die starken Schwankungen unterliegen. Dennoch stellt sich die Frage, ob hiermit die Zielinflation der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 nicht nahezu erreicht ist und daher jetzt auch höhere Zinsen gerechtfertigt wären. Grundsätzlich ist die EZB nur sehr allgemein zur Geldstabilität verpflichtet. Wie sie diese definiert, bleibt ihr im Wesentlichen selbst vorbehalten. In der Vergangenheit hat die EZB verschiedentlich erklärt, dass sie der Kerninflationsrate, also den Preissteigerungen ohne Kosten für Öl und Lebensmittel, besondere Bedeutung beimisst.
In der letzten Pressekonferenz anlässlich der Sitzung des EZB-Rats am 19. Januar 2017 betonte der EZB-Präsident Mario Draghi erneut, dass nicht nur die Leitzinsen unverändert bleiben, sondern dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation in der Eurozone weiterhin eine expansive Geldpolitik in substantiellem Umfang nötig sei. Dies schließe ausdrücklich die Anleiheankäufe ein, die erforderlichenfalls auch über 2017 hinaus fortgesetzt würden. Allerdings überraschte Draghi auf eine Anfrage eines Journalisten mit einer weitaus umfassenderen Definition des Inflationsziels. Demnach sollte die Inflationsrate nicht nur etwa 2 Prozent betragen, sondern es müsste eine Reihe von weiteren Kriterien erfüllt sein: Zum einen müsste die Inflationsrate über einen „mittelfristigen Zeitraum“ betrachtet werden. Zweitens müsse es sich um eine dauerhafte Entwicklung handeln. Drittens müsse die Inflation selbsttragend sein, d.h. von anderen Faktoren als der expansiven Geldpolitik der EZB verursacht sein und auch ohne diese andauern. Viertens müsste die Inflationsrate für die Eurozone als Ganzes betrachtet werden.
Die langfristigen Zinsen sind im Januar erneut gestiegen. Der Zehn-Jahres-Zinsswap betrug am Monatsanfang 0,64 Prozent und stieg bis zum Monatsende auf 0,83 Prozent. Der Sechs-Monats-Euribor gab hingegen zum Monatsende nochmals leicht nach und sank von -0,220 auf -0,243 Prozent. Der Drei-Monats-Euribor sank ebenfalls leicht von -0,318 auf -0,327.
Die neuen Anforderungen der EZB an die Inflationsentwicklung sind zum Teil nur sehr schwer messbar. Dies verschafft der Europäischen Zentralbank noch mehr Interpretationsspielraum. Zusammen mit dem eindeutigen Bekenntnis der EZB, die expansive Geldpolitik weiterhin fortzusetzen, sehen wir derzeit keinerlei Anzeichen für eine Zinswende in Europa. Der Anstieg der langfristigen Zinsen seit Oktober hat jedoch deutlich gezeigt, dass die Zinsen auch ohne Änderung der Geldpolitik steigen können. Bestandhaltern raten wir daher, langfristige Engagements auch langfristig abzusichern.
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Erstveröffentlichung: Homepage BF.direkt AG, Februar 2017