„Wirtschaftsweise“ fordern rasche und deutliche Zinswende
Die EZB reduziert die Ankäufe nur ganz langsam. Das trifft auf Kritik beim Sachverständigenrat. Zudem sieht das Gremium auch Risiken für die Finanzstabilität.
Im Oktober hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Anleiheankauf plangemäß von 30 auf 15 Mrd. Euro monatlich reduziert. Des Weiteren hat sie im November erneut angekündigt, die Anleihekäufe zum Jahresende ganz zu beenden. Dabei handelt sich es aber nur um eine Beendigung der Zukäufe. Auslaufende Staatsanleihen werden bis auf Weiteres durch neue ersetzt, so dass der Bestand der EZB an Anleihen zunächst konstant bleibt. In Kombination mit den niedrigen Leitzinsen wirkt die Geldpolitik der EZB daher weiterhin sehr expansiv.
Kritik daran kommt vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweisen“): Das Gremium fordert in seinem im November vorgelegten Jahresgutachten, die Zinswende früher und deutlich schneller einzuleiten. Die Sachverständigen befürchten zum einen, dass ansonsten die Inflation schneller als erwartet steigt. Darüber hinaus könnten weiter zunehmende Risiken für die Finanzstabilität die Folge sein. Hier werden ausdrücklich auch die Zinsänderungsrisiken für Banken aus langfristigen Immobilienfinanzierungen erwähnt, welche mit kurzfristigen Krediten refinanziert wurden. Allerdings kann sich erneut ein Mitglied des Sachverständigenrats, der Würzburger Professor für Volkswirtschaftslehre Peter Bofinger, dieser Beurteilung nicht anschließen.
Das diesjährige Sachverständigengutachten enthält auch zum ersten Mal seit langem wieder ein eigenständiges Kapitel (von insgesamt sieben Kapiteln) über den Immobilienmarkt. Das Wichtigste zuerst: Auch der Sachverständigenrat sieht zwar Hinweise für Übertreibungen in den Großstädten. Aber von den Immobilienmärkten geht keine unmittelbare Gefahr für die Finanzstabilität aus. Allerdings wird trotzdem die Einführung zusätzlicher, makroprudenzieller Instrumente empfohlen, mit denen die Aufsichtsbehörden die Vergabe von Immobilienkrediten einschränken können. Auch wird angeregt, die Beschränkungen auf Gewerbeimmobilien auszuweiten. Zudem wird ausführlich begründet, warum eine bessere Datengrundlage über Immobilienfinanzierungen geschaffen werden sollte.
Zinsentwicklung
Der Zehn-Jahres-Zinsswap schwankte im November zwischen 0,90 und 1,00 Prozent und schloss am Monatsende mit 0,89 Prozent um 10 Basispunkte niedriger ab. Der Sechs-Monats-Euribor schwankte leicht zwischen -0,251 und -0,258 Prozent. Auch der Drei-Monats-Euribor schwankte im Monatsverlauf nur minimal zwischen -0,316 und -0,318 Prozent.
Ausblick
Die EZB hat sich in der Vergangenheit wenig von der vielfältigen Kritik aus Politik und Wissenschaft beeinflussen lassen. Insofern ist nicht zu erwarten, dass die Stellungnahme des deutschen Sachverständigenrats hier besondere Auswirkungen zeigt. Wesentlich bedeutsamer sind die Empfehlungen an den Bundesgesetzgeber, die Regulierung von Immobilienkrediten zu verstärkten. Diese haben durchaus das Potential, bei den politischen Entscheidungsträgern gehört zu werden.
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Erstveröffentlichung: BF.direkt AG