Warum die Beleihungswertverordnung dringend reformiert werden muss
Die Banken müssen sich bei der Kreditvergabe an den sehr konservativen Beleihungswerten orientieren. Dies ist aktuell eine echte Herausforderung, da die Marktpreise immer weiter steigen. Warum die Beleihungswertverordnung dringend reformiert werden muss und was die Finanzierer sonst noch bewegt.
Die Angst vor der Inflation hat einige Wochen die Branche beschäftigt, ist aber jetzt für die meisten Profis kein Thema mehr. Es ist klar, dass es nach dem Ende der Corona-Pandemie kurzfristige Steigerungen der Inflationsrate geben wird, die aber wohl kaum zu dauerhaften Zinssteigerungen und ganz sicher nicht zu einer geldpolitischen Wende führen werden. Solange aber die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Politik nicht drastisch ändert, bleibt auch der wesentliche Stabilitätsanker des Immobilienmarkts erhalten.
Vor diesem Hintergrund sind die Banken längst nicht mehr so zurückhaltend wie zu Beginn der Krise, auch wenn sie noch nicht zu alter Form zurückgefunden haben. Zwar liegt das Ende der Pandemie noch ein ganzes Stück in der Ferne. Seit sich aber ein Ende abschätzen lässt, besteht nicht mehr totale Unwissenheit über die zukünftige Entwicklung, sondern nur noch ein mehr oder weniger normales Risiko. Damit können Banken und Bewerter ganz gut umgehen. Dennoch sind die Anforderungen der Banken und Sparkassen an das Eigenkapital noch deutlich über Vorkrisenniveau. Auch die Bewerter sind derzeit insbesondere bei gewerblichen Immobilien zurückhaltend. Noch ist es nicht klar, wie und in welcher Intensität Handel, Hotellerie und Gastronomie wieder ihr Geschäft aufnehmen können.
Gerade in diesen Krisenzeiten macht Banken wie Bewertern der zunehmende Unterschied zwischen dem langfristig orientierten Beleihungswert und den aktuellen Verkehrswerten schwer zu schaffen. Der Blankoanteil der Finanzierungen hat vielerorts längst die 50-Prozent-Marke überschritten. Zur Erinnerung: Der Mindestkaptalzinssatz, der zur Ermittlung des Beleihungswerts bei Wohnungen angewendet werden muss, beträgt noch immer 5 Prozent. Und dies ohne jede Differenzierung an jedem Standort der Republik. Auch wenn es mitten in der Krise (und im Vorwahlkampf) undenkbar ist, an diesen Parametern zu rütteln, ist eine Reform der Beleihungswertermittlung ein Thema, dem sich die Branche im nächsten Jahr widmen sollte.
Zinsentwicklung
Im April sind die langfristigen Zinsen nochmal moderat gestiegen. So stieg der 10-Jahres-Zinswap von 0,06 Prozent am Monatsanfang auf 0,14 Prozent am Monatsende. Die kurzfristigen Zinsen bleiben weitgehend konstant. Der 3-Monats-Euribor sank nur geringfügig von -0,538 am Monatsanfang auf ?0,535 Prozent am Monatsende. Auch der 6-Monats-Euribor sank etwas von ?0,512 auf ?0,521.
Ausblick
In den nächsten Monaten werden wir uns wenig mit den Zinsen und (hoffentlich) immer weniger mit der Corona-Krise beschäftigen. Stattdessen wird sich die Branche intensiv mit der schon bestehenden ESG-Regulierung beschäftigen müssen. Gleichzeitig müssen alle Akteure des Wohnungsmarkts damit rechnen, dass unter der nächsten Regierung – mutmaßlich unter Beteiligung der Grünen – eine weitere Verschärfung der Mietregulierung droht. Dies gilt es schon jetzt bei den Kalkulationen und Bewertungen zu berücksichtigen.
Am 21. April diskutierten Brigitte Adam FRICS, Geschäftsführende Gesellschafterin, ENA EXPERTS, Francesco Fedele, CEO BF.direkt AG, Thomas Jebsen, Mitglied des Vorstands, Deutsche Kreditbank AG und Sascha Klaus, Vorstand, Berlin Hyp AG auf dem 5. Jahreskongress Finanzierung für die Real Estate Industry unter der Moderation von Prof. Dr. Steffen Sebastian, IREBS. Einige der Erkenntnisse aus dieser Diskussion sind in den aktuellen Marktradar eingeflossen. Der Inhalt des Marktradars gibt aber allein die Meinung der Autoren wieder.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von BF.direkt AG
Erstveröffentlichung: BF.direkt AG, Mai 2021