Sobald die Zinsfront klarer wird, kommt auch wieder Dynamik in den Markt
Die Transaktionsmärkte bleiben weiterhin angespannt. Investoren halten sich zurück, weil es entweder an Kapital mangelt oder am passenden Angebot. Dennoch lohnt sich schon jetzt ein Blick auf bestimmte Assetklassen – und auch einzelne Länder, die sichere Häfen und steigende Mieten bieten.
Die prächtigen Zeiten für die Immobilienbranche scheinen vorerst vorbei zu sein. Auf weltweite Pandemie und zusammenbrechende Lieferketten folgten der Krieg Russlands in der Ukraine, schwächelnde Konjunktur, eine heftige Zinswende und eine hohe Inflationsrate. Dazu kommen die drängenden Fragen, die mit dem Klimawandel und entsprechenden Anforderungen an Bau, Sanierung und energetische Vorgaben durch die Politik zusammenhängen. Nicht zu vergessen sind die Dauerbrenner: Baumaterial- und Personalknappheit. Eine Gemengelage, die selbst krisenerprobte Assetmanager beunruhigt. Abwarten ist das Gebot der Stunde, solange die Zinserhöhungen noch nicht eingepreist sind. „Sobald die Zinsfront klarer wird, kommt auch wieder Dynamik in den Markt“, ist Francesco Fedele, Gründer und CEO der BF.direkt AG, Spezialist für die Finanzierung wohnwirtschaftlicher und gewerblicher Immobilienprojekte, sicher. „Ich hoffe auf eine deutliche Stimmungsverbesserung im zweiten Halbjahr dieses Jahres.“
Und dann? In welche Assetklassen lohnt es sich grundsätzlich noch zu investieren? Savills Investment Management (Savills IM) hat darauf eine Antwort, die „ein bisschen von allem“ lauten könnte: urbane Logistik und Light Industrial, bezahlbarer Wohnraum, Einzelhandel für den täglichen Bedarf. Dazu kommt Real Estate Debt. Der Grund: Traditionelle Kreditgeber werden laut Savills IM in diesem Jahr vermutlich noch vorsichtiger agieren. „Wer innerhalb der nächsten 12 bis 24 Monate eine Refinanzierung anstrebt, muss höhere Finanzierungskosten einplanen. „Diese Zeit des hohen Marktstresses wird jedoch denjenigen Investoren, die über die erforderlichen Marktkenntnisse verfügen, Chancen bieten – vor allem in Sektoren, die von strukturellen Trends profitieren. Alternative Kapitalgeber dürften vermehrt Refinanzierungsanfragen erhalten“, sagt Kiran Patel, Global Chief Investment Officer und Deputy Global CEO, Savills IM. Der Immobilienprofi ist überzeugt, dass der Immobiliensektor auch künftig vom Mietwachstum profitieren wird – wenn auch steigende Kosten auf Seiten der Nutzer und Investoren für Energie, Löhne und höhere Finanzierungskosten den positiven Effekt auf die Preise ausgleichen werden. „Wir gehen davon aus, dass diese Phase nur von kurzer Dauer sein wird. Deshalb konzentrieren wir unsere Kaufanstrengungen auf Sektoren und Vermögenswerte mit starken strukturellen Fundamentaldaten, die, wenn sich die Preise angepasst haben, einen ausgezeichneten Einstiegspunkt in den nächsten Zyklus bieten werden“, so Patel.
Stellt sich die Frage, welchen Rang Büroimmobilien in absehbarer Zeit einnehmen werden. Aus Sicht von Thomas Beyerle, Geschäftsführer der Catella Property Valuation GmbH, ist das Preisniveau von Büroimmobilien nicht einmal ansatzweise an die aktuelle Situation angepasst. „Zurzeit laufen viele Mieterverträge noch zu alten Konditionen und Mietpreisen“, so Beyerle. „Sobald die Verträge auslaufen, werden die Karten neu gemischt.“
Vor diesem Hintergrund sieht der Chef-Analyst von Catella eine deutliche Abspaltung der Standorte und Objekte, die mit Top-Lagen, grünem Umfeld, moderner Ausstattung und hervorragender Energiebilanz punkten können, vom restlichen Markt. „Bei solchen Objekten werden die Mieten künftig weiter steigen“, so Beyerle. „Wir sehen die Entwicklung bereits vereinzelt an Top-Standorten in München oder Frankfurt.“
Limitiertes Angebot in Kombination mit A-Standorten biete die Chance, in Immobilien mit Entwicklungspotenzial zu investieren. Das träfe aber nur auf ein bis zwei Prozent des gesamten Angebots zu. Für den überwiegenden Teil des Büroimmobilienmarktes prognostiziert der Analyst hingegen keine rosigen Zeiten. Im Gegenteil. Beyerle: „Wir werden negative Mietanpassungen sehen und auch vermehrten Leerstand, wenn er aufgrund der zurückhaltenden Bautätigkeit infolge der letzten Immobilienkrise auch deutlich geringer ausfallen wird.“ Der Grund dafür liege zum einen in den hohen ESG- und Energieeffizienzauflagen, denen die Mehrzahl der Gebäude nicht gerecht werde; zum anderen am flexiblen Arbeiten durch Homeoffice, was das Risiko auf der Ertragsseite steigen lasse. Denn immer mehr Mieter dürften sich fragen: Warum soll ich für fünf Tage die Woche zahlen, wenn meine Mitarbeiter nur drei Tage in der Woche vor Ort sind?
Ähnliches fragt man sich auch in den USA, wo rund 50 Prozent der Bürobeschäftigten nach wie vor von zu Hause aus arbeiten. Hinzu kommen die massiven Entlassungswellen der Hightech-Konzerne, die den Bedarf an Bürofläche sinken lassen. Amazon, Google und Microsoft haben 2022 bereits mehr als 140.000 Mitarbeitende entlassen, hat der Wirtschaftsinformationsdienst Crunchbase in San Francisco ermittelt. Laut US Office Market von JLL beträgt die Leerstandsziffer, die schon vor der Pandemie im zweistelligen Prozentbereich lag, im landesweiten Durchschnitt 19,6 Prozent.
Der kürzlich nochmals erhöhte Leitzins der Federal Reserve Bank auf nunmehr 4,75 bis 5 Prozent hat den Appetit von Investoren auf Büroliegenschaften weiter gedämpft – selbst wenn die Preise für entsprechende Objekte im Sinkflug begriffen sind. Laut Darin Mellott, Head of Capital Markets Global bei CBRE, sind die Marktwerte bereits um zehn bis 15 Prozent gesunken und dürften in den kommenden Monaten um „weitere fünf bis sieben Prozent fallen“.
Was in den USA aktuell als wenig risikoreich gilt, sind hingegen Investments in Nahversorgungszentren und Wohnimmobilien. „Der Investmentmarkt zieht vor allem im Bereich Wohnen wieder an“, sagt Pepijn Morshuis, CEO von Trei Real Estate, der Immobiliensparte der Tengelmann Warenhandelsgesellschaft KG. „In den USA herrscht enorme Nachfrage nach Wohnungen, was die Mieten stetig steigen lässt. Ich erwarte in diesem Jahr ein weiteres Wachstum um fünf Prozent.“
Darauf setzt auch die German American Realty-Gruppe mit Sitz in Köln und Fort Lauderdale (Florida), deren Schwerpunkt auf Class-B-Mietwohnanlagen im Sunbelt der USA liegt. Ihr GAR US Invest SCS, SICAV-RAIF – US Residential I erreicht ein Brutto-Fondsvermögen von 115 Millionen US-Dollar. Die Strategie: eine Kombination aus Cashflow generierenden Bestandsobjekten mit Revitalisierungspotenzial sowie Projektentwicklungen. Dr. Gisbert Beckers, geschäftsführender Gesellschafter und Gründungspartner von German American Realty: „Mit dem Fonds investieren wir weiter in der Sunbelt Region, in der ein nachhaltiger Wohnungsmangel besteht. Allein in Dallas sind 2022 über 100.000 neue Arbeitsplätze entstanden. In der Region gibt es weiterhin sehr gute Mietsteigerungspotenziale, die sich auf die Renditeaussichten positiv auswirken und einen effizienten Inflationsschutz bedeuten. Auch Tampa in Florida, die bei Immobilieninvestoren beliebteste Stadt im Sunbelt, haben wir für den Fonds als Zielort gesichert.“
Hierzulande halten sich Investoren mehrheitlich noch zurück. Es gibt aber durchaus auch andere Stimmen. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um zu investieren“, ist Einar Skjerven, CEO der Skjerven Group überzeugt. Sein Unternehmen ist seit 2006 in Berlin aktiv und hat mehr als eine Milliarde Euro investiert. „Die Preise fallen massiv. Zurzeit werden Objekte nicht mehr zum 30-fachen, sondern eher zum 23-fachen gehandelt“, so Skjerven. „Allein Größe und Stabilität des Berliner Mietmarktes sorgen für einzigartige Investmentchancen – zumal die Stadt stetig wächst und dafür zu wenig neu baut.“
Ein Land, auf das nicht zutrifft, ist Kanada. Hier wurden 2022 allein 22,3 Milliarden Kanadische Dollar (CAD) in unbebaute Grundstücke investiert – vor allem für die Entwicklung von Mehrfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien. Insgesamt hat der kanadische Immobilienmarkt mit 63 Milliarden 2022 ein neues Rekordhoch erreicht. Aus Sicht von Todd Bechard, Partner/Managing Director, RECan Global GmbH, wird es so weitergehen: „Für 2023 prognostiziere ich einen Anstieg der Transaktionen in der zweiten Jahreshälfte … Im Laufe des Jahres stabilisieren sich die Finanzierungsbedingungen weiter und die Verkäufer passen ihre Preisvorstellungen an die neuen Gegebenheiten an. Insbesondere die Bereiche Leichtindustrie/Logistik und Mehrfamilienhäuser werden das Transaktionsgeschehen dominieren.“
Und das sind die Fakten zur optimistischen Prognose: Auf dem kanadischen Wohnungsmarkt lag die durchschnittliche Leerstandsquote 2022 bei 1,9 Prozent. Die durchschnittlichen Bestandsmieten stiegen im Jahresverlauf um 8 Prozent und bei Neuvermietungen um 41 Prozent. Die Mieten im Logistiksektor sind 2022 um durchschnittlich 30 Prozent gestiegen. Der Grund: große Nachfrage in Verbindung mit niedriger Leerstandsquote. Da neue Projektentwicklungen aufgrund der hohen Zinsen und Grundstückspreise begrenzt bleiben, wird sich die Leerstandsquote auch 2023 auf dem niedrigen aktuellen Niveau bewegen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Susanne Osadnik
Erstveröffentlichung: The Property Post Institutional print und web vom Mai 2023