Schaut auf den Bestand!
Allein mit mehr Neubau wird der Nachfrageüberhang bei Logistikimmobilien nicht aufgelöst werden, ist Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer von Garbe Industrial Real Estate, überzeugt. Er plädiert für die Sanierung von Bestandsgebäuden.
Dieses Narrativ kennt man aus der derzeitigen Berichterstattung zur Genüge: Wieder einmal hat eine Gemeinde einer neuen Logistikansiedlung in direkter Nachbarschaft eine deutliche Absage erteilt und damit gleichzeitig der Umwelt einen Dienst erwiesen. Hier die Guten, da die Bösen. Während der Coronapandemie hat sich jedoch gezeigt, welchen Wert funktionierende Lieferketten für die Versorgung der Bevölkerung bieten. Einen wesentlichen Teil davon machen Logistikgebäude an zentralen Standorten aus. Um die Lieferungen jeder Art schnell an ihren Bestimmungsort zu bringen, braucht es vor allem eines: die passende Lage.
An beliebten Standorten, wie beispielsweise Berlin, Hamburg, Hessen oder der Rhein-Ruhr-Region, ist die Möglichkeit zu bauen ohnehin zumeist eingeschränkt, da aufgrund des besonders hohen Fertigstellungsvolumens freie Flächen immer seltener werden. Entwickler und Logistikinvestoren sollten an diesen Standorten lieber Bestandsgebäude ins Auge fassen. Sie sind bereits in die Umgebung eingebunden, befinden sich in bester Lage zu Verbrauchern und potenziellen Arbeitskräften, und bei einer Sanierung muss keine erneute Genehmigung von offizieller Seite erfolgen. Das macht diese Lagen für Refurbishments attraktiv. Da es sich um eine bekannte Belastung handelt, ist hier zudem nicht von größerem Widerstand vor Ort auszugehen.
Vor allem in städtischen Lagen können Bestandssanierungen ein Lösungsansatz für die letzte Meile sein. In einem stufenförmigen Netzwerk der urbanen Logistik werden die Waren von großen Verteilzentren am Rande von Stadtgebieten in urbane Abwicklungszentren gebracht. Danach kommen die Waren in kleine Mikroverteilanlagen, die sich in unmittelbarer Nähe zum Bestimmungsort der Sendungen befinden. Die Herausforderung wird bei einem weiter wachsenden E-Commerce immer größer.
Die Bestandssanierung kann hier einen Mehrwert schaffen: Mit der Implementierung neuester Technologie können die Prozesse beschleunigt und optimiert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Waren auf der letzten Meile ihren Bestimmungsort pünktlich
Handelsblatt Inside Real Estate vom 10.12.2021 erreichen und ein höherer Durchsatz an Sendungen möglich ist. Ein weiterer Vorteil der Bestandssanierung liegt in der Kostenersparnis. Zwischen 2016 und 2021 sind laut einer Bulwiengesa-Studie die Grundstückspreise in den wichtigsten Logistikregionen um 28 Prozent gestiegen. Dieser Faktor entfällt bei Bestandssanierungen.
Sie erzielen außerdem in unseren Modellrechnungen den besseren CO2-Wert im Vergleich zu Brownfield-Entwicklungen. Denn die sogenannte graue Energie, die bei der Herstellung von Baumaterialien anfällt, entfällt bei Sanierungen. Auch Neubauten kommen nicht an die CO2-Werte einer Bestandssanierung.
Bestandssanierung hilft folglich nicht nur beim Stillen der hohen Nachfrage nach Logistikimmobilien. Sie kann auch helfen, Lieferketten zu optimieren. Aber wie immer ist die Lösung nicht einseitig: Es wird auch weiterhin einen Verbund aus verschiedenen Maßnahmen, also Neubau, Umnutzung und Refurbishment brauchen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Garbe Industrial Real Estate
Erstveröffentlichung: Handelsblatt Inside Real Estate, Dezember 2021