18.02.2025

Life Science Real Estate

Der Weg zur etablierten Assetklasse

Martin Eberhardt, Eigentümer, AperDurus Management- & Real Estate Advisory
Martin Eberhardt

Viele junge und innovative Assetklassen haben ihren Ursprung in den USA. Die Nordamerikaner haben durch ihre Größe, Innovationskraft und Investorenstruktur viele Assetklassen geprägt, die später nach Europa kamen. Hierzu gehören junge, sehr attraktive Sektoren wie Light Industrial, privat finanziertes Studentisches Wohnen, Datenzentren oder Senior Living. Nun stellt sich Life Science Real Estate in die Reihe dieser erfolgreichen Immobilienformen.

Die junge Assetklasse nahm ihren Ausgangspunkt in den Wissenschaftsclustern von Boston, San Francisco Bay und San Diego. Wie so oft war der nächste Markt das Vereinigte Königreich. Insbesondere im sogenannten "Goldenen Dreieck" zwischen London Kings Cross, sowie den traditionsreichen Universitätsstädten Oxford und Cambridge wurden sehr viele Immobilien und insbesondere Forschungsflächen für die Life Science-Industrie geschaffen. Namhafte Anleger wie Blackstone, Brookfield, GIC - der Staatsfonds von Singapur, Aviva Investors und viele andere haben dort nicht nur in einzelne Immobilien investiert, sondern teilweise in ganze Science Parks.

Von dort ging der Innovationszug in die Niederlande. Es gibt dort hochattraktive Immobilien innerhalb bedeutender Science Parks wie in Amsterdam, Utrecht oder Leiden. Mit dem Kapital der AXA-Versicherung entwickelte sich der niederländische Entwickler Kadans zu einer Größe im europäischen Markt, inklusive des Vereinigten Königreichs.

Nun breitet sich die Assetklasse in ganz Europa aus. Im Fokus stehen Immobilien in den Forschungsclustern und Science Parks in Paris, Lyon, Madrid, Barcelona, Wien, Mailand oder Galway in Irland.

Auch in Deutschland entstehen immer mehr maßgeschneiderte Immobilien für den Life Science-Sektor. Im Brennpunkt stehen die großen Standorte München und Berlin. Durch die föderale Struktur bestehen weitere, bedeutende Cluster oder Parks in Rhein-Main, Rhein-Neckar zum Beispiel mit dem Technologiepark Heidelberg, Freiburg, Tübingen oder Regensburg. Das württembergische Städtchen Tuttlingen beherbergt einige Weltmarktmarktführer und nennt sich stolz „Weltzentrum der Medizintechnik“.

Der Markt hat sich in Europa dynamisch entwickelt und die Bedeutung der Assetklasse wächst. Laut des Research Unternehmens „Life Sciences Real Estate“ wurden von 2021 bis einschließlich 2024 Life Science Immobilien im Wert von 8,4 Mrd. Euro gehandelt. Die Researcher zählten hierbei 240 Transaktionen in 15 Ländern. Regional führen das Vereinigte Königreich, Deutschland und Frankreich die Transaktionsliste an. In Deutschland und Europa sind viele Flächen im Bau und werden das Transaktionsgeschehen unterstützen.

Globale Megatrends sprechen dafür, dass die Nachfrage anhält: Hochaltrigkeit ist ein globales Massenphänomen. Die Babyboomer werden diesen Trend zusätzlich befeuern. Dies führt zu einem sehr großen Bedarf an medizinischer Versorgung und medizinischen Produkten bei Älteren und insbesondere Hochaltrigen. Die rasante Zunahme wohlhabender Haushalte weltweit und der verbesserte Zugang zu medizinischer Versorgung sorgt für eine starke Nachfrage. Immer mehr Menschen können sich Gesundheitsprodukte leisten und wollen sich diese auch leisten. Zudem sind Lifestyle-Medikamente wie die „Abnehmspritze“ ein riesiger Markt. Dies alles führt zu privaten Milliardeninvestitionen in den Sektor.

Hinzu kommt die Förderung der Life-Science-Industrie durch die Europäische Union, die Bundesregierung sowie zahlreiche Bundesländer. Dies basiert auf der Erkenntnis, dass dieser Sektor essenziell für wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftliches Wohlergehen und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ist. Life Sciences treiben Innovationen in Medizin, Biotechnologie und Umwelttechnologien voran, was nicht nur zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung oder der Nahrungsmittelversorgung beiträgt, sondern auch neue Arbeitsplätze schafft. Aktuell plant die EU-Kommission die Einführung eines "Biotech Acts", der darauf abzielt, die Genehmigungsverfahren für biotechnologische Herstellungsprozesse zu vereinfachen und ein europäisches Biotechnologie-Zentrum zu etablieren.

Life Science Real Estate ist also in aller Munde. Dennoch ist für viele der Begriff nicht eindeutig. So sind Krankenhäuser, Ärztehäuser oder Pflegeheime kein Bestandteil der Lebenswissenschaften. Die Bundesregierung spricht von der industriellen Gesundheitswirtschaft. Dies umfasst die drei Sektoren: Pharmatechnologie, Biotechnologie und Medizintechnik. Life Science Real Estate sind Immobilien für diese Sektoren.

Daraus leiten sich die Sub-Assetklassen dieses Sektors ab. In der Wertschöpfungskette von Life Science-Unternehmen werden unterschiedliche Immobilienformen benötigt. Im Vordergrund stehen Flächen für die Forschung, die Verwaltung, das Testing, die Produktion und die Logistik von Life Science-Produkten.

Bei all diesen Immobilienformen besteht in Europa eine strukturelle Unterversorgung mit geeigneten Flächen. Die Bereitstellung von geeigneten Immobilien ist jedoch nicht trivial. Dies mussten viele Entwickler von Büroimmobilien erfahren, die ihre Projekte in Laborflächen umplanen wollten und daran scheiterten. Denn die Anforderungen an die Flächen sind sehr hoch.
Der Bau und der Betrieb von Life-Science-Immobilien unterliegen strengen regulatorischen Anforderungen, insbesondere den sogenannten GxP-Richtlinien, sowie speziellen technischen und funktionalen Anforderungen. Die Abkürzung GxP steht für eine Gruppe von „Good Practice“-Regelwerken, die für die Pharma- und Biotech-Industrie relevant sind. So regelt beispielsweise die „Good laboratory Praxis“ den Aufbau und Betrieb von Forschungslaboren. Hierin werden vier verschiedene Sicherheitsstufen für Labore definiert oder Schutzmaßnahmen für das Personal definiert, wie Sicherheitsschleusen oder Abluftkontrollen.
Die sehr komplexen GxP-Richtlinien strahlen auf weitere immobilienbezogene Aspekte aus, wie Aufgaben und Pflichten für die Property- und Facility- Manager oder auf die spezifische Ausgestaltung von Mietverträgen.

Die Standortqualität ist für Life-Science-Immobilien ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Im Vordergrund stehen Ecosytems, Cluster und Parks: Ein Ecosystem im Life-Science-Sektor bezeichnet das dynamische Zusammenspiel von Forschungseinrichtungen, Universitäten, Krankenhäusern, Unternehmen, Investoren und staatlichen Akteuren, die gemeinsam Innovation, Wissenstransfer und wirtschaftliches Wachstum fördern. Ein Cluster hingegen ist eine geografisch konzentrierte Ansammlung von Unternehmen und Institutionen innerhalb einer spezifischen Branche, die durch Nähe, Spezialisierung und Netzwerkeffekte Wettbewerbsvorteile erzielen. Beide bieten Zugang zu Forschungseinrichtungen, Talenten und Kapital, was Innovation und Wachstum fördert.

Insbesondere etablierte Science Parks in urbanen Zentren wie dem „Goldenen Dreieck“ in Großbritannien oder der BioValley-Region mit den Städten Basel, Freiburg und Strasburg, alle am Oberrhein gelegen, bieten optimale Bedingungen für Unternehmen in den Bereichen Biotech und Pharma. Erlangen-Nürnberg ist wiederum ein führender Standort im Bereich Medizintechnik.

Zudem gewinnen auch „Company Premises“ in peripheren Lagen an Bedeutung. Diese Standorte sind oft von hochspezialisierten, mittelständischen Unternehmen und ihren Zulieferern und Dienstleistern geprägt, die exzellente Forschungs- und Produktionsbedingungen benötigen. Beispiele sind B.Braun Medical im nordhessischen Melsungen mit weltweit mehr als 60.000 Mitarbeitern, Sartorius in Göttingen oder die Drägerwerk AG in Lübeck. Solche Standorte bieten größere Flächen, geringere Betriebskosten und strategische Vorteile, bergen jedoch ein höheres Investitionsrisiko durch eine potenziell geringere Drittverwendungsfähigkeit. Ein entsprechender Risikoaufschlag ist daher essenziell.

Zusammenfassend hat Life Science Real Estate einen erfolgreichen Weg zu einer anerkannten Assetklasse beschritten. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in der Zukunftsfähigkeit des Kerngeschäfts der Nutzer. Das können nicht alle Immobilienformen von sich behaupten. Jedoch sind die Anforderungen der Nutzer und der Regulierung an diesen Nischensektor sehr komplex. Bei der Entwicklung, der Investition und dem Betrieb sind echte Profis gefragt. Wer diese Expertise vorhält, für den ist der junge Sektor nachhaltig attraktiv. Viele sprechen dahingehend von Life Science als dem neuen „Core“.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von AperDurus Management- & Real Estate Advisory
Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2025

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