Logistik ist nicht gleich Logistik
Die Nachfrage nach passenden Grundstücken für den Neubau von Logistikimmobilien ist groß. Das Angebot an freien Flächen in den Top-Logistikregionen hingegen verknappt sich von Jahr zu Jahr. Das Problem besteht jedoch nicht nur darin, geeignete Flächen zu finden, sondern auch darin, diese zu bekommen. Denn noch allzu oft werden logistische Neubauprojekte von Kommunen abgelehnt, weil diese Unternehmen anderen Branchen den Vorrang geben. In einigen Fällen scheitern Neuansiedlungen auch daran, dass Nutzer, Politiker und Verbände vor Ort zu wenig an einem Strang ziehen oder sich Bürgerinitiativen bilden und Protest laut wird.
„Lärm- und Verkehrsverursacher“, „Umweltverschmutzer“ und „Gewerbesteuerzwerg“ sind Schlagwörter, denen sich die Logistik häufig gegenübersieht. Was dabei nicht beachtet wird, ist die Tatsache, dass sich die Branche in den letzten Jahren stark weiterentwickelt hat. Innerhalb von Logistikimmobilien werden beispielsweise nicht nur die reine Lagerung und der Umschlag von Waren realisiert, sondern auch Montageleistungen oder After-Sales-Services umgesetzt. Auch der Arbeitsplatz Logistikimmobilie hat sich stark gewandelt. Durch neue Technologien und Prozesse ist das Aufgabengebiet der Arbeitnehmer moderner und vielschichtiger geworden.
Logistik ist eben nicht gleich Logistik
Einen differenzierten Blick auf die Branche werfen allerdings nur die wenigsten Kommunen. Denn in diesem Zuge müssten sie sich auch damit auseinandersetzen, welche Ansiedler denn überhaupt zum jeweiligen Standortprofil passen. Pauschal sieht der Wunschkandidat folgendermaßen aus: Ein Unternehmen im produzierenden Gewerbe, mittelständisch geprägt mit einem möglichst hohen Bedarf an Arbeitskräften sowie hohem Gewerbesteuersatz. Diese Ansiedler sind allerdings schwieriger zu finden als die Nadel im Heuhaufen und zudem stark umworben. Hinzu kommt, dass nicht jeder Standort zu jedem Unternehmen passt und umgekehrt. Doch es gibt auch Positivbeispiele wie der Niedersachsenpark. Dort sind sich die Verantwortlichen ihrer logistisch attraktiven Lage bewusst und zeigen seit Jahren große Präsenz innerhalb der Logistikbranche. Die diesbezüglichen Ansiedlungserfolge sprechen für sich und bringen der Region neben Arbeitsplätzen auch eine überregionale Bekanntheit.
Wachstum als schlagkräftiges Argument
An Standorten, an denen Logistik nicht mit solch offenen Armen empfangen wird, stellt sich also die Frage, worauf es im Dialog mit kommunalen Vertretern ankommt. Der Logistikbranche hilft es ja nicht über das schlechte Image zu jammern, vielmehr gilt es, die eigenen Stärken zu identifizieren und diese dann auch transparent zu kommunizieren. Etwa, dass die Logistik gegenüber dem produzierenden Gewerbe eine eher schwer zu verlagernde Branche ist, da eine schnelle Belieferung des entsprechenden Absatzmarktes von elementarer Bedeutung ist. Darüber hinaus befindet sich die Logistikbranche auf einem stabilen Wachstumskurs und sichert damit eine nachhaltige Flächennachfrage und -nutzung am Standort.
Auch Logistiker sind attraktive Arbeitgeber
Was das Thema Beschäftigung betrifft, so spricht die Logistik bei einer Ansiedlung dann auch Berufsbilder abseits von Elektronikern, Produktionsleitern oder Ingenieuren an. Mit der LoGe Studie, die 2015 durch Logivest in Kooperation mit der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services veröffentlicht wurde, hat sich auch gezeigt, dass die Logistik im Vergleich zu anderen Branchen wie dem Maschinenbau durchschnittlich nur einen geringfügig niedrigeren Personalbesatz pro Hektar Betriebsfläche aufweist. Der Logistikansiedlungen häufig vorgehaltene Vorwurf, ein „Flächenfresser“ mit geringem Arbeitskräftebesatz zu sein, ist damit in vielen Fällen nur bedingt gerechtfertigt. Kommunen sollten also weder Kosten und Mühen scheuen und ganz genau hinsehen. Denn das tatsächliche Flächen-Arbeitskräfteverhältnis ist genau wie die Verkehrsbelastung letztlich von der individuellen Ansiedlung abhängig. Unabhängig davon, ob es sich um Logistik oder Produktion handelt.
Ohne Logistikimmobilien keine Versorgungsinfrastruktur
Mehr als 70 Prozent der deutschen Bevölkerung leben in städtischen Gefilden – Tendenz steigend. Der Run auf die Ballungszentren verbunden mit der Ausweitung des E-Commerce bis hin zur Lebensmittellieferung lassen Logistikimmobilien zu wichtigen Infrastruktureinrichtungen werden. Dass sich Bürger immer mehr an den Komfort der modernen Warenverfügbarkeit gewöhnen, erkennen auch Bürgermeister und Stadtplaner und nehmen sich der Thematik effizienter Logistikstrukturen verstärkt an. Die Logistik entwickelt sich zunehmend zum scheinbar selbstverständlichen „Versorgungsnetzwerk“, ähnlich wie das dem Strom- oder dem Wassernetz, die zur Aufrechterhaltung unserer modernen Lebensweise beitragen. Dementsprechend werden auch innerstädtische Lagerkapazitäten irgendwann selbstverständlich notwendig sein.
Das Schlagwort hierbei ist City-Logistik. Wenngleich die zahlreichen Ansätze und Pilotversuche der letzten 25 Jahre wenig bis gar nicht nachhaltig erfolgreich waren, scheint nun die Zeit reif. Dazu tragen nicht nur Themen wie SameDay/Hour-Belieferung bei, sondern auch der Umstand, dass Städte und Kommunen die Zustellmöglichkeiten durch Auflagen und Verbote zunehmend einschränken. Dieses Spannungsfeld ist ein Nährboden für allerlei innovative logistische Lösungsansätze in den Bereichen der Lagerung (z.B. Multilevelanlagen), des Umschlags (z.B. Mikrodepots) und der Zustellung (z.B. Lastenfahrräder). Es ist damit zu rechnen, dass die Lösung in der Kombination vieler verschiedener Anwendungen liegen wird. Dieses spannende Umfeld beleuchtet auch die aktuelle Studie „Zukunft der Logistikimmobilien und Standorte aus Nutzersicht“, die im Rahmen der Initiative für Logistikimmobilien (Logix) initiiert wurde.
Einbindung aller Interessensgruppen von Relevanz
Einen ebenso großen Stellenwert wie der gemeinsame Austausch mit Lokalpolitikern nimmt auch der Dialog mit der Bevölkerung ein. Diese reagiert gegenüber der Entwicklung einer Logistikimmobilie weitaus weniger ablehnend, wenn Bedenken ernst genommen und kreative Lösungen angeboten beziehungsweise umgesetzt werden. Wichtig dabei ist, dass sich Unternehmen frühzeitig Gedanken darüber machen, wie sie alle Interessensgruppen einbinden können. Anschließend lassen sich mit einer gezielten, offenen und transparenten Kommunikation die Vor- aber auch die Nachteile der Logistik für die jeweilige Region aufzeigen. Wie ein erfolgreich umgesetztes Kommunikations- und insbesondere Dialogkonzept aussehen kann, veranschaulicht das Beispiel des neuen Zentrallagers der Rewe Nord in Henstedt-Ulzburg. Neben zahlreichen lokalen Aktivitäten wurde hier eine eigene Internetplattform eingerichtet, anhand derer, neben harten Fakten zur Ansiedlung, auch der Dialog mit den Bürgern stattfindet.
Die vollständige Studie steht unter den nachfolgenden Links kostenfrei zum Download bereit: https://www.logix-award.de/presseinfos/download oder https://www.logix-award.de/neue-logix-studie-in-kernthesen
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Erstveröffentlichung: DVZ, September 2017