26.07.2023

KI-Regulierung der EU:

Wachstumshemmnis für Immobilienwirtschaft

Dominique Hoffmann, Partner, Grant Thornton AG
Dominique Hoffmann

Europa sieht Gefahren in Künstlicher Intelligenz (KI) und möchte im Einklang mit der europäischen Rechtstradition einen Regulierungsrahmen schaffen. Das Europaparlament hat den Kommissions-Entwurf abgesegnet. Bis Jahresende könnte in Abstimmung zwischen Rat, Kommission und Parlament eine verpflichtende EU-Richtlinie stehen. So begrüßenswert das generelle Vorhaben ist, so unkoordiniert und gefährlich ist die derzeitige Beschlussfassung. Risiko-Klassifizierungen, Bußgelder und neue Behörden sind darin enthalten. Ähnlich wie bei der DSGVO wird zunächst eine erhebliche Rechtsunsicherheit entstehen, die den Ausbau und die Anwendung von KI-Technologie um Jahre zurückwerfen kann.

Die Abwägung zwischen persönlichen Grundrechten und Unternehmensinteressen ist die Ausgangsfrage für die nun geplante KI-Regulierung des sogenannten „AI Act“. Das Thema ist seit der bußgeldbewehrten Einführung der DSGVO Ende Mai 2018 im Fokus des europäischen Gesetzgebers. Allein 2020 verhängten die deutschen Datenschutzbehörden 50 Millionen Euro Bußgelder wegen DSGVO-Verstößen, in ganz Europa waren es knapp 160 Millionen Euro. Mit der mittlerweile zu Vonovia gehörenden Deutsche Wohnen und der Bremer Wohnungsbaugesellschaft Brebau traf es auch mindestens zwei Immobilienunternehmen, für die Bußgelder in Höhe von 16,5 Millionen Euro verhängt wurden. Abgesehen von vermeintlichen oder offensichtlichen Verstößen hat die mangelnde Kommunikation der Verordnung zu erheblicher Unsicherheit in der Datenerfassung von Kunden, Mietern und Interessenten geführt.

Eine ähnliche Entwicklung deutet sich nun im Rahmen des „AI Act“ an: In vier Risiko-Kategorien hat der Referentenwurf der EU-Kommission KI-Technologie unterteilt. Die erste Stufe betrifft beispielsweise die massenhafte Auswertung persönlicher Merkmale wie der ethnischen Zugehörigkeit. Sie soll verboten werden. Die zweite Stufe umfasst Hochrisikoanwendungen: Sie betreffen circa 15 Prozent aller KI-Anwendungen, beziehen sich zum Beispiel auf die Verwertung von Gesundheitsdaten und sollen nur unter strengen Auflagen erlaubt sein. An dritter Stelle folgen KI-Anwendungen wie Chatbots, die als solche gekennzeichnet werden müssen. Nutzer sollen wissen, ob sie mit einer realen Person oder einer Maschine kommunizieren. Die vierte Stufe ist ohne Einschränkungen erlaubt und bezieht sich auf Optimierungen unternehmensinterner Prozesse. KI-Lösungen zur Klassifizierung und automatischen Dokumentenablage beispielsweise stellen entsprechend in der Regel kein Problem in Bezug auf Persönlichkeitsrechte dar.

Zusatzlasten für Vermieter

Die Risikoeinschätzung zum Einsatz von KI-Technologien liegt in jedem Fall beim datenverarbeitenden Unternehmen. Bei Immobilien-Bestandshaltern ist also bspw. ein zusätzlicher Aufwand nötig, um die Datenerhebung in den Gebäuden gesetzeskonform auszurichten. Dies betrifft allen voran große Portfolios, denen KI zur Skalierung von Mietverhältnissen dient. Ein erhöhter Heizbedarf bei gewissen Mietparteien könnte beispielsweise mit gesundheitlichen Angaben abgeglichen werden, was sich im Kommissions-Entwurf als problematisch erweist. Die massenhafte Auswertung von Nutzungsintensitäten bestimmter Büroflächen könnte auf die mangelnde Produktivität einzelner Mitarbeiter zurückzuführen sein – ebenfalls ein mögliches Risiko in Bezug auf individuelle Persönlichkeits- und Betroffenenrechte.
Die bisherigen Risikostufen sind folglich noch zu unscharf und ohne konkreten Bezug zur Praxis definiert und stellen aktuell – trotz Beteuerungen der Kommission zur Sinnhaftigkeit der KI-Nutzung – eine der maßgeblichen Zukunftstechnologien unter den Verdacht missbräuchlicher Anwendung. Kurzfristig könnte hieraus eine Nutzerdistanz zur KI-Technologie entstehen, die den europäischen Markt ausbremsen würde -gerade jetzt, wo durch CHATGPT das KI-Thema gesellschaftstauglich geworden ist auf Anbieterseite könnten Unternehmen dazu geneigt sein, auf weniger regulierte Märkte auszuweichen. Japan, Indien oder die USA verzichten beispielsweise bislang auf rechtsverbindliche Verordnungen und harte Regulierungen.

Schlechter Zeitpunkt für neue Regulierung

Für Branchen wie die Immobilienwirtschaft ergibt sich ein weiterer Risikofaktor: Denn KI war mit Blick auf Gebäudeautomation, Mieterdaten und Objektanalyse eigentlich als wichtige Zukunftstechnologie u.a. zur Effizienzsteigerung für Immobilienunternehmen gedacht. Dies beweist der große Nutzen von KI-Technologie im Rahmen der Grundsteuerreform und der intelligenten Erstellung massenhafter Steuererklärungen samt vollautomatisierter Bescheidprüfung und Einsprucherstellung. Die anklingende Technologieskepsis der Kommission träfe die im derzeitigen Marktzyklus ohnehin leidgeplagte Immobilienwirtschaft zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn die gleichzeitig eingeforderte ESG-Konformität der Gebäude setzt eine breite Basis im Gebäude gesammelter Daten voraus, um daraus passende energetische Lösungen zu identifizieren. Der bereits zu kleinteiligen Flächen tendierende Mietermarkt in Gewerbeimmobilien müsste ebenso mit einer starken Datengrundlage unterfüttert werden, um die Anforderungen einzelner Mietparteien verschiedener Branchen besser zu kennen. Und in großen Wohnungsunternehmen wären KI-gestützte Auswertungen zur Bonität der Mieterschaft und dem qualitativen Zustand der Wohnungen hilfreiche Mittel, um den Kostendruck zur geforderten Sanierung der Bestände abzufedern. KI könnte also den Sprung zu einem erneuten lukrativen Marktzyklus in der Immobilienwirtschaft ermöglichen. Der Regulierungsentwurf verweist jedoch eher in Richtung Wachstumshemmnis.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Grant Thornton AG
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juli 2023

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