Wie die Immobilienwirtschaft die Generation Y gewinnen kann
Leergefegte Arbeitsmärkte, Fach- und Führungskräftemangel, demografischer Wandel, geburtenschwache Jahrgänge, eine neue Werteorientierung – die Immobilienwirtschaft muss neue Wege gehen, um künftig noch ausreichend qualifiziertes Führungspersonal anzuziehen. Eine auf Nachhaltigkeit aufbauende Unternehmensführung könnte die Lösung sein.
Alle Beobachtungen und Prognosen sprechen inzwischen von einer sich zuspitzenden Lage. Die Immobilienwirtschaft steht vor der großen Herausforderung, wechselwilligen Managern und hochqualifizierten Nachwuchsführungskräften interessante Jobangebote machen zu müssen, die diese überhaupt dazu bewegen, ihre Zukunft in der Immobilienbranche zu sehen.
Personalwirtschaftlich bewegen wir uns in hohem Tempo auf einen Arbeitsmarkt zu, bei dem die Nachfrage nach qualifiziertem Personal das Angebot deutlich übersteigt. Der Albtraum jedes Personalchefs rückt näher: Einer kleinen Anzahl von High Potentials und Senior Talents steht eine Vielzahl von Firmen gegenüber, die sich mit immer attraktiveren Angeboten um diese bemühen. Die klassische Bewerbungssituation, in der Unternehmen aus einer Vielzahl von Aspiranten auswählen können, wird auf den Kopf gestellt. Dieser so genannte „War for Talents“ droht aufgrund aktueller Mega-Trends auch in der deutschen Immobilienwirtschaft Realität zu werden. Es geht insbesondere um die Generation Y, also die nach 1980 Geborenen, die die ersten Stufen auf der Karriereleiter genommen haben bzw. vor der Tür des Arbeitsmarktes stehen.
Die 25- bis 35jährigen sind gut ausgebildet und haben oftmals schon internationale Erfahrungen gesammelt. Sie gehören zu den „Digital Natives“ und sind im Umgang mit neuen Technologien und Sozialen Netzen geübt. Noch wichtiger jedoch: Sie sind von einem Wertesystem geprägt, in dem die Sinnfrage im Mittelpunkt steht und das wenig mit dem der heutigen Wirtschaftselite zu tun hat.
Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen der Immobilienwirtschaft, die der Generation Y bislang nicht all zuviel zu bieten haben. In der Immobilienwirtschaft ist die Anzahl an hochqualifizierten Top-Führungskräften mit entsprechender Professionalität und relevanten Kompetenzen sowie persönlichen Eigenschaften historisch knapp. Dies hängt auch mit der kleinformatigen, oft mittelständischen Struktur der Branche zusammen. Der Immobilienbranche ist es nie gelungen, ausgefeilte Personalentwicklungssysteme zu entwickeln wie sie in anderen Branchen, etwa der Automobilindustrie, der Chemie, der Informationstechnologie oder bei Banken heute üblich sind. Hinzu kommt, dass die Immobilienwirtschaft auf ein traditionell verbesserungswürdiges Image blickt.
Einzelne immer wieder hochkochende Skandale prägen das Bild der Branche stärker als das anderer Wirtschaftssektoren, auch wenn dies nicht immer fair sein mag. Bei Untersuchungen über die Attraktivität einzelner Branchen rangiert die Immobilienwirtschaft stets auf hinteren Rängen, was für die Reputation unter Hochschulabsolventen und deren Rekrutierung wenig hilfreich ist.
Die Sinnsuche ist oft wichtiger als Geld
Eine ganze Deutungsindustrie beschäftigt sich derzeit mit der Frage: Was will, was bewegt die Generation Y? Wie können sich Unternehmen für diese jungen Menschen öffnen und für sie attraktiv werden? Zentral scheint, dass hier eine Generation an der Schwelle zu den Firmen steht, die weniger als frühere Generationen auf materielle Anreize reagiert. Dem rein monetären Anreiz, etwa über ein hohes Einkommen und ein leistungsbezogenes Bonussystem, wird die Dimension des Sinns entgegengesetzt oder zumindest hinzugefügt. Die Autorin Kerstin Bund, die sich intensiv mit der Generation Y auseinandergesetzt hat, wählte einmal zur Charakterisierung der jungen Karrieristen die Formel: „Wir sind jung und brauchen das Glück.“ Diese Sinn und Glück suchende Generation verändert derzeit die Berufswelt. Unternehmen, die diesen Zug verpassen, drohen bei dem Kampf um die besten Köpfe auf dem Arbeitsmarkt mittelfristig auf der Strecke zu bleiben.
Eine sehr schlüssige Antwort auf diese dargestellten Trends könnte für die deutsche Immobilienwirtschaft lauten: Will die Branche im War for Talents wettbewerbsfähig bleiben, braucht sie ein neues Leitthema. Aus meiner Sicht kann dies eine stringente, auf Nachhaltigkeit aufbauende Unternehmensführung sein!
Der Wandel beginnt oben
Wer den War for Talents in der Immobilienbranche, der nicht nur auf der Ebene der Nachwuchskräfte, sondern auch auf der Top-Ebene hinsichtlich hochqualifizierter Quereinsteiger gewonnen werden muss, mit einem durchdachten Nachhaltigkeitskonzept führen will, muss jedoch zuvor die Weichen nicht nur in der Personal-Abteilung, sondern weiter oben stellen. Nachhaltigkeit muss zuerst in den Leitungsgremien der Branche verankert werden, also in den Aufsichts- und Beiräten sowie den Vorständen und Geschäftsführungen. Die ICG und der ZIA haben in den letzten Jahren hierzu Grundlagenarbeit geleistet. Soeben ist das Buch „Nachhaltige Unternehmensführung in der Immobilienwirtschaft“, ein praxisbezogener Ratgeber zur Umsetzung dieser neuen Art unternehmerischen Handelns, erschienen. Darüber hinaus hat die ICG unter anderem die Real Estate Board Academy (REBA) gemeinsam mit der internationalen Personalberatung Heidrick & Struggles gegründet.
Mit namhaften Partnern wie der Wirtschaftsprüfung Deloitte und der Anwaltssozietät Clifford Chance wurde eine Plattform geschaffen, die zur Professionalisierung der Aufsichts- und Beiräte sowie Vorständen und Geschäftsführern der Immobilienwirtschaft beitragen soll. Aspekte der Social Responsibility und nachhaltiger, werteorientierter Unternehmensführung spielen im Rahmen dieses Qualifizierungsangebots neben der Vermittlung von Best Practice Wissen eine herausragende Rolle.
Das Bekenntnis und das Vorleben von Werten wie Integrität, Transparenz und Verantwortung müssen von der Spitze kommen, sonst bleibt jeder Schlachtplan um die besten (Nachwuchs)-Führungskräfte auf Branchen- und Unternehmensebene unter dem Banner der Nachhaltigkeit ein leicht durchschaubarer Werbefeldzug. Green Washing und Hochglanzbroschüren zur Corporate Social Responsibility funktionieren solange nicht, wie in den Zeitungen über Fehlverhalten des Top-Managements, schlechte Corporate Governance und Compliance-Verstöße berichtet wird.
Die Aufgabe für die Immobilienwirtschaft ist also erheblich und bedarf des Umdenkens. Die Unternehmen müssen sich eine an Nachhaltigkeit ausgerichtete Wertestruktur geben und diese leben. Sie müssen Antworten auf Fragen finden wie „Warum sind wir hier?“ und „Was ist unser Nutzen über unseren finanziellen Erfolg hinaus?“ Dies schafft Glaubwürdigkeit, Authentizität und Sinngebung für Mitarbeiter und Führungskräfte, Stakeholder und Gesellschaften. Mit dieser erweiterten Perspektive ersetzen zukunftsorientierte Unternehmen teilweise sogar die früher von Staat und Kirche wahrgenommenen übergeordneten Sinngebungs- und Zugehörigkeitsfunktionen.
Die Unternehmen der Immobilienbranche haben für diesen wertebasierten Weg gute Voraussetzungen. Immerhin ist der Kern ihrer Tätigkeit die Schaffung von Wohn- und Lebensräumen. Wenn dazu neben einer guten Corporate Governance die ökologische und soziale Verantwortung ihres Tuns ernsthaft berücksichtigt wird und hierdurch attraktive Arbeitsplätze geschaffen werden, entsteht das, was HR-Experten neudeutsch „employer branding“ nennen. Also eine hohe Reputation auf dem Arbeitsmarkt, die im Kampf um die Talente die richtigen Köpfe anzieht.
Die ICG und der ZIA werden den beschrittenen Weg weitergehen, um die Attraktivität unserer Branche in Bezug auf die besten Köpfe zu erhöhen. Gemeinsam verfügen sie über genügend Content, um eine nachhaltig erfolgreiche Image-Kampagne zur Verbesserung der Branchenattraktivität zu führen.
An dieser Stelle hilft auch ein Blick über den Tellerrand. Viele fortschrittliche Unternehmen zeigen, mit welchen Konzepten und Maßnahmen die Generation Y angesprochen werden kann. Im internationalen Umfeld ist vorbildlich, wie Google mit der Kampagne „Do cool things that matter“ zielgenau die Generation Y adressiert. Auch von dem Karriere-Auftritt von Microsoft lässt sich viel lernen.
Aber nicht nur die Technologiebranche des Silicon Valley weiß, worauf es ankommt. Der Chemiekonzern Roche oder das Bekleidungsunternehmen Gore gelten als Best Practice im Umgang mit dem Thema Generation Y und gelebte Verantwortung.
Soziale Netze sind ein neues, immer wichtigeres Element im Recruitment junger talentierter Mitarbeiter. Ob Facebook, Xing, LinkedIn oder YouTube, über drei Millionen Studenten in Deutschland bewegen sich in dieser virtuellen Kommunikationswelt. Entsprechend werden Arbeitgeber-Bewertungsportale wie kununu eine zunehmende Rolle bei der Meinungsbildung spielen. Unternehmen müssen auf diese Entwicklungen reagieren. Es wird bald Standard sein, dass moderne Arbeitgeber, die sich um die Generation Y bemühen, aktuelle Firmenprofile in Sozialen Netzen hinterlegen, Company Videos für diese junge Zielgruppe herstellen oder offene Stellen über Social Media posten.
Für die Generation Y ist aber nicht nur die Anspracheform wichtig. Sie schauen darauf und prüfen über oben genannte Plattformen, wie sich die konkrete Arbeitswirklichkeit darstellt und wie verkrustete Formen aufgebrochen werden. Deshalb sollten Unternehmen authentisch kommunizieren und dafür Sorge tragen, dass die umworbenen Mitarbeiter ihre privaten Interessen und Werte optimal mit ihren beruflichen verbinden können. Starre Arbeitszeiten, übermäßige Vorschriften und Regeln sind nicht vorteilhaft. Die Generation Y strebt nach sinnvollem Tun und sucht nach Umgebungen, um ihre Kreativität und den Austausch mit anderen auszuleben. Eine solche Unternehmenskultur gehört neben den konkreten Inhalten auch zu einem attraktiven Angebot.
Grundlagen sind gelegt
Bei einer Neuausrichtung an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit startet die Immobilienbranche natürlich nicht bei Null. Nachhaltigkeit, obwohl als Begriff leider „abgedroschen“ und vielfach missbraucht, hat als Leitidee für eine erfolgreiche Unternehmensführung in den vergangenen Jahren in der Wirtschaft deutlich an Bedeutung, Profil und Zuspruch gewonnen.
Der Gedanke, dass der ideale Gewinn nicht immer der maximale ist und ökologische, soziale sowie kulturelle Aspekte in das neue unternehmerische Handeln mit einzubinden sind, scheint auf gutem Wege zu sein. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), der Deutsche Nachhaltigkeitskodex des Nachhaltigkeitsrates (DNK), die Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) sowie des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) leisten wichtige Beiträge zur Diskussion und liefern den Rahmen, in dem sich die Unternehmen bewegen können.
Ich bin zuversichtlich, dass immer mehr Unternehmen der Immobilienwirtschaft diese Ideen und Konzepte aufgreifen werden, um ihrerseits der Generation Y, aber auch den besten Köpfen anderer Branchen auf Aufsichts-, Beirats- sowie Vorstands- und Geschäftsführungsebene, ein überzeugendes Angebot offerieren zu können. Mit einem derartigen Vorgehen kann die Immobilienwirtschaft ihre Wettbewerbsposition für die Zukunft gewiss sichern.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e. V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/2015