Die Internationalisierung hat zur Anglo-Amerikanisierung der Vertragswerke geführt.
Die Internationalisierung des deutschen Immobilienmarktes hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen - laut den Auswertungen der großen Maklerhäuser erfolgen inzwischen mehr als 50 Prozent der Transaktionen am deutschen Immobilienmarkt durch ausländische Investoren. Insbesondere im Gewerbeimmobilienmarkt ist deren Anteil in den letzten Jahren deutlich gestiegen – ein Trend, den auch die internationale Immobilien- und Finanzkrise, ihrerseits bester Beleg für das Ausmaß der weltweiten Verflechtung der Immobilienmärkte, nur kurz unterbrochen hat.
Der ganz überwiegende Teil ausländischer Investments kam über viele Jahre von US-amerikanischen Investoren, wobei weniger die klassischen Immobilieninvestoren als vielmehr die großen Private Equity Firmen und Investmentbanken im Vordergrund standen. Die Herangehensweise dieser Investoren – insbesondere die Übertragung von Corporate/M&A-Ansätzen auf die Immobilienwirtschaft und der starke Fokus auf die (komplexe) Strukturierung der Investitionsfinanzierung – hat die Entwicklung auf dem deutschen Immobilienmarkt über viele Jahre geprägt.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in einer veränderten Vertragsgestaltung wider, was sich insbesondere an der veränderten Gestaltung der Kaufverträge ablesen lässt. Augenfällig ist hier der stark gestiegene Umfang dieser Verträge. In Deutschland bildet traditionell das Bürgerliche Gesetzbuch zusammen mit anderen Gesetzen den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen die Parteien nur noch ihre kommerzielle Vereinbarung vertraglich festhalten müssen. In der Folge waren Kaufverträge traditionell viel kürzer als im amerikanischen Common Law System, in dem es mangels kodifizierten Rechts und angesichts einer traditionell stärker am Wortlaut des Vertrages orientierten Auslegung grundsätzlich erforderlich ist, alle Details der Vereinbarung im Vertrag ausführlich zu regeln. Dieser Ansatz, grundsätzlich alle Details der Vereinbarung in den Vertragstext aufzunehmen, auch wenn diese in gleicher oder sehr ähnlicher Form bereits gesetzlich geregelt sind, ist inzwischen zumindest für Verträge zwischen professionellen Investoren auch in Deutschland Standard und wird auch in Transaktionen ohne internationale Beteiligung verwendet.
Ebenso hat sich die inhaltliche Gestaltung der Kaufverträge unter dem Einfluss nordamerikanischer Investoren wesentlich verändert. Traditionell erfolgte der Verkauf einer Immobilie in Deutschland „wie sie steht und liegt“, also unter (weitgehendem) Ausschluss von Gewährleistungen. Insbesondere durch die Anforderungen angloamerikanischer Investoren ist es in den letzten Jahren üblich geworden, umfangreiche Gewährleistungskataloge zu vereinbaren. Gleichzeitig – quasi als Gegengewicht – ist es auch in Deutschland üblich geworden, die Haftung für mögliche Gewährleistungsverstöße in vielfältiger Weise zu begrenzen.
Eine ganz ähnliche Entwicklung lässt sich bei den Immobilienfinanzierungen beobachten: Die Standardverträge der deutschen Banken werden immer umfangreicher und greifen immer mehr Punkte auf, für die früher die gesetzliche Regelung als ausreichend erachtet wurde. Auch inhaltlich lässt sich eine deutliche Angleichung an angloamerikanische Vorstellungen feststellen. Beispiele hierfür sind die zunehmend üblicher werdende Anteilsverpfändung in Ergänzung zum Grundpfandrecht, eine stärkere Kontrolle über den Darlehensnehmer und dessen Asset Manager durch ausgedehnte Berichts- und Anzeigepflichten und eine stärkere Sicherung der Zahlungsströme über die regelmäßige Prüfung von Finanzkennzahlen (Beleihungskauf/Loan-to-value-Ration (LTV); Schuldendienstdeckungsgrad/Debt Service Coverage Ratio (DSCR) Covenants). Stärker noch als im Bereich der Kaufverträge findet sich bei den Finanzierungsverträgen zudem eine internationale Standardisierung, die durch eine Orientierung an den Vertragswerken des Londoner Bankenmarktes (den Standards der Loan Market Association, LMA) gefördert wird.
Die Internationalisierung des Immobilienmarktes und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung in Deutschland gehen dabei weit über die Transaktionen angloamerikanischer Investoren hinaus. So waren die sehr günstigen Finanzierungskonditionen, die Londoner Banken in den Jahren vor der Finanzkrise für Immobilieninvestitionen in Deutschland angeboten haben, von der Verbriefungsfähigkeit der Darlehen abhängig. Für diese hatten wiederum Ratingagenturen umfangreiche Anforderungskataloge definiert. Da die identifizierten Anforderungen unter anderem die umfassende Absicherung von Immobilienrisiken im (zu finanzierenden) Kaufvertrag vorsahen, wurden indirekt auch die Kaufverträge zwischen deutschen Käufern und Verkäufern geprägt.
Die zunehmende Internationalisierung der Anwaltskanzleien hat die internationale Vereinheitlichung der verwendeten Verträge dabei zusätzlich begünstigt. Stärker noch als andere Berater waren Anwaltskanzleien lange Zeit stark national geprägt. Grund dafür waren nicht zuletzt regulatorische Beschränkungen, die etwa in Deutschland erst seit Ende der 1980er Jahre überörtliche, geschweige denn internationale Kanzleien gestattet haben. Mit der Liberalisierung des Rechtsberatungsmarktes haben sich Kanzleien wie andere Berater stärker international aufgestellt, um ihre zunehmend global agierenden Mandanten in verschiedenen Rechtsordnungen und bei internationalen Transaktionen aus einer Hand beraten zu können. Dass deutsche Wirtschaftskanzleien dabei ganz überwiegend mit amerikanischen oder englischen Sozietäten fusionierten, hat den Trend zur Anglo-Amerikanisierung in Vertragswerken weiter verstärkt.
Durch die immer weitergehende Regelung aller Details im Vertrag selbst, wurde der Rückgriff auf das Gesetz und damit der Einfluss des nationalen Rechts immer weiter verringert. Dies macht es möglich, Verträge mit relativ wenigen Änderungen einem anderen Recht zu unterstellen. Verstärkt wird diese Entkoppelung von nationalem Recht noch durch die Verwendung von Schiedsgerichtsklauseln, die gerade bei internationalen Investoren üblich sind. In der Kombination ist es damit grundsätzlich möglich, Vertragswerke weitgehend vom Einfluss eines nationalen Rechtes zu lösen und international zu vereinheitlichen.
Im Einzelfall ist diese Entkoppelung von nationalem Recht jedoch mit Vorsicht zu behandeln. Die genaue Bedeutung rechtlicher Begriffe ist stark geprägt von der jeweiligen (nationalen) Rechtsordnung. Diese Begriffe unabhängig von der Rechtsordnung in überwiegend englischsprachigen Verträgen zu verwenden, kann unter Umständen zu gravierenden Missverständnissen führen. So ist es in Frankreich Marktpraxis, bei Immobilientransaktionen umfangreiche Garantien des Verkäufers zu bekommen, die den Käufer bei einer Garantieverletzung unabhängig von einem Verschulden des Verkäufers und unabhängig von den Informationen im Rahmen der Due Diligence zum Schadensersatz berechtigen. Im angloamerikanischen Raum werden Ansprüche dagegen regelmäßig ausgeschlossen, wenn im Rahmen der Due Diligence die relevanten Umstände offen gelegt wurden; in Deutschland ist es darüber hinaus nicht unübliche, einen Schadensersatzanspruch auch noch vom Verschulden des Verkäufers abhängig zu machen. Sofern in den Vertragsverhandlungen einfach von „guaranties“ oder „warranties“ gesprochen wird, ohne die Bedeutung dieser Begriffe und die Folgen eines Verstoßes zu erläutern, verschwimmen die genannten Unterschiede und werden den Parteien gegebenenfalls erst spät oder gar nicht bewusst.
Diese Herausforderungen werden sich mit der zunehmenden Globalisierung des Immobilienmarktes zumindest zunächst weiter verstärken werden. Solange der internationale Einfluss auf den deutschen Immobilienmarkt insbesondere durch angloamerikanische Investoren geprägt war, war der Rückgriff auf englischsprachige, an angloamerikanische Muster und Rechtsvorstellungen angelehnte Verträge zumindest für einen Großteil der in Deutschland investierenden ausländischen Investoren sehr vertraut.
In immer stärkerem Umfang kommen die Investoren für deutsche Immobilien jedoch aus anderen Ländern, insbesondere aus dem Mittleren Osten und Asien, aber auch aus Russland. Die Verwendung der bislang gebräuchlichen Vertragsstandards stößt in diesen Fällen an unterschiedliche Grenzen. Am deutlichsten wird dies, wenn religiöse Vorgaben veränderte Vertragsstrukturen erfordern, etwa um eine Scharia-konforme Finanzierung zu ermöglichen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass diese Investoren bei einem steigenden Marktanteil mit ihren Marktvorstellungen die Verträge im deutschen Immobilienmarkt beeinflussen werden.
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Erstveröffentlichung: Juni 2014, immobilienmanager