Bauen für die Öffentliche Hand
Termin- und Budgetüberschreitungen bei Bauvorhaben der Öffentlichen Hand sorgen immer wieder für negative Schlagzeilen. Und den vorgesehenen Nutzern entstehen erhebliche Probleme, weil die meist sehr dringend benötigten Gebäude erst mit Verspätung – und in einigen Fällen auch gar nicht – zur Verfügung stehen. Jens Kreiterling, Vorstand der Landmarken AG, die sich auf die Abwicklung von sogenannten Investorenmodellen mit Nutzern der Öffentlichen Hand spezialisiert hat, skizziert im Interview mit The Property Post mögliche Auswege aus dieser Misere.
The Property Post: Herr Kreiterling, wenn man die Berichte in den Medien verfolgt, dann hat man manchmal den Eindruck, als würden viele öffentliche Bauvorhaben erst mit Verspätung fertig und außerdem meist auch noch teurer als geplant. Woran liegt das?
Jens Kreiterling: Dieser Eindruck ist sicherlich auch dadurch geprägt, dass über Skandale, verschobene Eröffnungstermine und aus dem Ruder laufende Kosten natürlich mehr berichtet wird als über Projekte, die sich planmäßig entwickeln. Allerdings kommt es in der Tat viel zu häufig vor, dass bei Bauvorhaben der Öffentlichen Hand Termine nicht eingehalten und Budgets überschritten werden, sodass im Endeffekt für den Steuerzahler unnötige Kosten in erheblicher Höhe entstehen. Im Schnitt überschreiten öffentliche Bauten das zu Anfang festgelegte Budget um ca. 40 Prozent. Und es gibt sogar Fälle, in denen die Bauarbeiten noch gar nicht begonnen hatten, obwohl der geplante Fertigstellungstermin längst verstrichen war. Unter solchen Bedingungen haben die Beteiligten natürlich überhaupt keine Planungssicherheit. Das gilt für die künftigen Nutzer der Gebäude – Behörden, Schulen oder andere öffentliche Einrichtungen – ebenso wie für die Haushälter der jeweiligen Kommunen.
TPP: Was sind nach Ihren Erfahrungen und Beobachtungen nach die größten Probleme, die beim Bauen für die Öffentliche Hand auftreten?
J. K.: Oft sind die Abläufe und Zuständigkeiten nicht optimal geregelt, es gibt viele zu beteiligende Institutionen mit wenig oder abweichendem Entscheidungswillen und häufig werden Ausschreibungen und Verträge nicht so gestaltet, dass sie das höchstmögliche Maß an Planungssicherheit bieten. So werden Bauvorhaben der Öffentlichen Hand zum überwiegenden Teil noch über die landeseigenen Liegenschaftsbetriebe realisiert. Dabei kommt es aber häufig zu Verzögerungen und Budgetüberschreitungen, und zum Teil entstanden dabei Gebäude, für die eine höhere Miete gezahlt werden musste als bei Anmietung eines vergleichbaren Gebäudes bei einem privatwirtschaftlichen Anbieter fällig geworden wäre. Das Ergebnis sind unnötige Kosten für den jeweiligen Nutzer und damit auch für den Steuerzahler. Es gab allerdings weder eine Möglichkeit, Schadenersatzforderungen geltend zu machen, noch konnten die Nutzer aus dem Vertrag „aussteigen“.
TPP: Worin sehen Sie die Ursache dafür?
J. K.: Das Problem beginnt schon bei dem oft zu niedrig angesetzten Budget – sei es politisch motiviert oder aus Unsicherheit. Es nimmt seinen Fortgang mit der regelmäßig unfertigen Planung und führt somit zu nachträglichen teuren Anpassungsprozessen bei der Planung und Ausführung. Die Leistungen, die meist anhand von Leistungsverzeichnissen der Einzelgewerke ausgeschrieben werden, eignen sich bei komplexeren Bauvorhaben nur begrenzt für eine kostensichere Realisierung. Denn im Rahmen dieser Angebote ist es kaum möglich, das Knowhow der bietenden Firmen noch vor Ausführung zu nutzen und in den Prozess einfließen zu lassen. In der Folge reagiert der Markt mit äußerst knapp kalkulierten Angeboten, um den Zuschlag zu erhalten, denn der Auftrag wird in der Regel an den günstigsten Anbieter vergeben. Durch diese Ausschreibungspraxis wird ein reiner Preiswettbewerb erzeugt. Der günstigste Bieter darf nur in besonderen Situationen abgelehnt werden, wenn zum Beispiel erhebliche Zweifel an seiner Seriosität bestehen. Das kommt in der Praxis aber selten vor, weil sich die handelnden Personen oft nicht in der Lage sehen, solche weitreichenden Entscheidungen zu treffen. Denn die unterlegenen Bieter gehen regelmäßig gegen diese Ausschlüsse vor, und bis zur Entscheidung über diese sogenannten Vergabebeschwerden steht die Baustelle dann erst einmal still. Während der Realisierung kommt es dann aber mit ziemlicher Sicherheit zu Nachträgen, die das Ganze am Ende deutlich verteuern. Das ist übrigens keine Kritik an handelnden Personen auf öffentlicher Seite, sondern an dem bisherigen System.
TPP: Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, um solche Probleme künftig zu vermeiden?
J. K.: Das Ziel muss sein, eine gute Qualität im beschlossenen Kosten- und Zeitrahmen zu erreichen und somit sparsam mit Steuergeldern umzugehen. Zudem brauchen die künftigen Nutzer ein hohes Maß an Planungssicherheit, insbesondere im Hinblick auf den Fertigstellungstermin und die Übernahme des Gebäudes entsprechend seinem vorgesehenen Zweck. Die Ausschreibungen sollten deshalb statt auf Leistungsverzeichnissen mehr auf funktionalen Beschreibungen basieren, die dezidiert die Qualität definieren, die der künftige Nutzer am Ende erhält. Gleichzeitig sollten sie jedoch gewisse Freiräume zulassen, die es den Bietern ermöglichen, gemeinsam an der besten Umsetzung zu feilen. Sie begrenzen die Zahl der handelnden Unternehmen am Bau, und somit kann höchstens noch eine Vergaberüge durch den unterlegenden Generalübernehmer (GÜ) erfolgen. Dies geht im Übrigen auch nicht zur Lasten der einzelnen Handwerksbetriebe, welche bei diesem Modell als Sub-Unternehmer ein Vertragsverhältnis mit dem GÜ eingehen. Aus meiner Erfahrung heraus haben die GÜ ein großes Interesse, ein gutes Verhältnis zu den Sub-Unternehmern zu pflegen. Schließlich benötigen sie auch auf der nächsten Baustelle wieder einen zuverlässigen Subunternehmer, um wettbewerbsfähig zu sein.
Ich sehe vor allem in Investorenmodellen eine gute Alternative zur bislang verbreiteten Praxis. Im Rahmen von solchen Verfahren werden durch Investoren bereitgestellte Gebäude von der Öffentlichen Hand langfristig angemietet. Dies können Neubauten, revitalisierte Bauten oder einfache Bestandsflächen sein. Es können Höchstmieten und konkrete Einzugstermine vereinbart werden, sodass der Nutzer auch Budgetsicherheit hat und nicht plötzlich eine höhere Miete zahlen muss als geplant, weil sich der Bau oder Umbau durch zahlreiche Unwägbarkeiten verteuert hat. Insgesamt muss sich das Risiko mehr zum Auftragnehmer hin verlagern als das bisher oft der Fall ist. Dies führt nebenbei auch zu einer größeren Flexibilität der Nutzer. Wer kann behaupten, heute schon zu wissen, ob sich das aktuell genutzte Gebäude auch noch in 15 oder 20 Jahren für den Nutzungszweck eignet oder ob es dann eventuell zu klein oder zu groß sein wird? Mieten können nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit neu verhandelt werden, und insofern ist es auch realistisch, über die Nutzungsdauer des Gebäudes eine Marktmiete zu erzielen. Im Falle einer verspäteten Übergabe gibt es Schadensersatz, der in der Regel mit im Rahmen der Realisierung geäußerten Sonderwünschen der Mieter verrechnet werden kann. Insgesamt bietet dieses Modell für beide Seiten eine Reihe von Vorteilen, und es ist kein Zufall, dass viele große Wirtschaftsunternehmen ihren Flächenbedarf genau auf diese Weise erfolgreich decken.
TPP: Wie sehen Sie die Chancen und Rahmenbedingungen, das in der Praxis umzusetzen?
J. K.: Natürlich ist auch ein solches Verfahren nicht risikofrei. So kam es zum Beispiel im Rahmen einer Ausschreibung für ein Polizeipräsidium nach erfolgter Bewertung der Angebote zu Klagen zweier Bieter. Der ganze Prozess dauerte etwa acht Monate. Ich bin mir allerdings relativ sicher, dass die gesamte Realisierung im Vergleich zur bisher üblichen Verfahrensweise dennoch zügig über die Bühne geht. Gegebenenfalls können zusätzliche Kapazitäten bei der Vergabekammer geschaffen werden, die für solche Fälle zuständig, durch die hohe Anzahl von Vergabeklagen jedoch oft völlig überlastet ist. In Verbindung mit einer geringeren Zahl von Klagemöglichkeiten würde das zu einer schnelleren Bearbeitungszeit und somit auch zu einer schnelleren Realisierung führen.
Als Landmarken AG realisieren wir derzeit in NRW einige Gebäude mit öffentlichen oder halböffentlichen Nutzern im Rahmen solcher Investorenmodelle. Das sind beispielsweise Forschungsgebäude für Hochschulen, Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit oder eine Betriebskrankenkasse. Wir nehmen gerne an den entsprechenden Vergabeverfahren teil, da diese mittlerweile sehr professionell organisiert und durchgeführt werden. Die Rahmenbedingungen sind aus unserer Sicht zurzeit sehr günstig. Die Zinsen sind so niedrig, dass auch Bauten mit für die Öffentliche Hand sehr attraktiven Mieten realisierbar sind. Zudem ist viel Geld im Markt, das investiert werden will, und es gibt neben uns eine ganze Reihe seriöser Anbieter, die solche Projekte erfolgreich umsetzen können.
TPP: Herr Kreiterling, vielen Dank für das Gespräch!
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von der Landmarken AG
Erstveröffentlichung: The Property Post, 20. Oktober 2015