06.03.2015

Industrielles Facility Management

Mehr Kapazitäten für Kernkompetenzen.

Thomas Häusser, Partner und Geschäftsführer, Drees & Sommer SE
Thomas Häusser

Die Professionalisierung in Industrieunternehmen und damit verbundene Optimierungs- und Kostensenkungsprogramme verändern die Zusammenarbeit zwischen der Produktion und den Sekundärprozessen. Bei großen Unternehmen ist es heute Standard zum Beispiel für den Werkschutz, die Reinigung, den Kantinenbetrieb sowie die Wartung und die Instandsetzung ausgewählter Anlagen oder technischer Gewerke externe Dienstleister zu beschäftigen. Jedoch werden oft wenig innovative Zusammenarbeitsmodelle zwischen Unternehmen und Dienstleister verfolgt. 

Die Strukturen sind über Jahre gewachsen und zum Teil verkrustet. So finden sich teilweise Hunderte Einzelverträge pro Industriestandort – ohne klare Dokumentations- und Reportingstrukturen.

Eine gezielte Optimierung über Einzelmaßnahmen hinaus leistet jedoch gerade bei Industrieunternehmen einen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung. Ganz gleich, ob es sich um Pharmastandorte oder um den Bereich Automotive, die Elektroindustrie, die Chemieindustrie oder andere Branchen handelt. Denn produzierende Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Produktions-, Betriebs- und Bewirtschaftungsprozesse kontinuierlich optimieren zu müssen, um national sowie international wettbewerbsfähig zu bleiben. Neben dem Kostendruck, das Endprodukt bei gleicher Qualität effizient und wirtschaftlich zu erstellen, wird zunehmend auch eine höhere Flexibilität im Herstellungsprozess erforderlich: Schließlich verkürzen sich Produktzyklen, zudem bedürfen Stückzahlschwankungen anpassungsfähiger Produktionsbedingungen.

Abgestimmte Produktions- und Bewirtschaftungsprozesse verbessern die Wirtschaftlichkeit

Die Erfahrung aus einer Vielzahl jüngerer Drees & Sommer-Projekte zeigt einen eindeutigen Trend auf: Die Grenzen zwischen der eigentlichen Produktion – dem Kernprozess – und dem operativen Facility Management werden neu definiert und präzisiert: Vermehrt verschieben sich diese in Richtung Kernprozess.

Bei großen und internationalen Produktionsunternehmen, die für ihre Standorte neue und strategisch ausgerichtete Betreibermodelle avisieren, gilt nicht selten der Ansatz: Internationale Unternehmen suchen internationale Dienstleister. Sie streben grenzübergreifende Betreiberverträge für internationale Partnerschaften im Facility Management an. Zu internationalen Trends und Strategien von Industrieunternehmen und zum aktuellen FM-Markt in Europa ist im 4. Quartal 2013 die Marktstudie von Drees & Sommer erschienen. (Mehr Details unter www.facilitymangementconsulting.de.)

In der Regel gilt es, folgende standortspezifische Besonderheiten auszuloten:

  • Komplexe und hochsensible technische Anlagen (Gebäudetechnik und Produktionstechnik)
  • Anforderungen an Produktionssicherheit und somit an die Anlagenverfügbarkeiten sowie einzuhaltende Grenzwerte bei der Medienversorgung
  • Dynamische Produktionsprozesse und flexible Schichtmodelle innerhalb des Werks (zum Beispiel je Halle unterschiedliche Schichtmodelle)
  • Hochkomplexe Schnittstellen zwischen produktionsrelevanten technischen Anlagen und gebäudetechnischen Anlagen (je nach Zusammenarbeitsmodell zwischen internen und externen Leistungen bzw. zwischen Produktions- und Gebäudeinstandhaltung)
  • Hohe Anforderungen an Instandhaltungsstrategien je nach Verfügbarkeit bzw. Redundanz von Anlagen (reaktive Instandhaltung, präventive Instandhaltung etc. – wo ist das Optimum und wie kann ich diese Strategie implementieren?)

In der Regel stehen alle derartigen Projekte unter Erfolgsdruck und werden top-down-getrieben oder direkt aus der Fachabteilung bzw. dem Einkauf aufgesetzt.

Schematische Schnittstellendefinition Produktion & Facility Mangement

Folgende Ziele gilt es, dabei zu erreichen:

  • Monetäre Reduzierung der aktuellen Kosten
  • Deutliche Reduzierung der jährlichen Beauftragungen (BANFen) und Einzelbeauftragungen der externen FM-Provider
  • Mindestens die qualitative Sicherung der aktuellen Leistungsqualität – besser eine qualitative Verbesserung
  • Prozessoptimierung zwischen den Kernprozessen der Produktion und den Sekundärprozessen des Facility Managements mit klaren Schnittstellendefinitionen und Verantwortlichkeiten – auch in Bezug auf die Betriebssicherheit und Betreiberverantwortung
  • Aufbau von standardisierten Vertrags- und Ausschreibungsunterlagen in Kombination mit standortübergreifenden und standortspezifischen Leistungsverzeichnissen für einen ggf. späteren Roll-out auf andere Standorte
  • Klaren Reportingvorgaben und Kennzahlensystematik, die richtigen Informationen für die richtigen Entscheidungen erhalten
  • Individuelle Vergabestrategie für den jeweiligen Standort und Sicherstellung der Produktionssicherheit (Eigen- und Fremdleistungsstrategie, Dienstleisterauswahl bzw. short list etc.)

Je nach Komplexität und Datenlage werden zu Beginn die vorhandenen Strukturen wie Kosten, Verträge, aktuelle Vergabe- und Betreiberkonzepte, Eigen- und Fremdleistungsstrategie, technischer und infrastruktureller Datenbestand analysiert und bewertet. Oft ist hier die technische Datenlage problematisch: Das betriebs- und produktionsrelevante Know-how ist in den Köpfen der eigenen Mannschaft vorhanden. Geänderte Betreiberstrukturen mit abschmelzender Belegschaft und externer Unterstützung verändern nicht nur die Zusammenarbeit, auch das Reporting bekommt einen höheren Stellenwert.

Optimierung von Primär- und Sekundärprozessen


Bei jedem Projekt gilt es, eine Vielzahl von Fragen zu beantworten, um die passende Strategie zu erarbeiten:

  • Strategische Vergabe: Was ist das richtige Betreiber- und Vergabemodell? bzw. was ist die für mich optimale Eigen- und Fremdleistungsstrategie? Welche Leistungen erbringe ich zukünftig eher intern und wo hole ich gezielt strategische Partner hinzu?
  • Welche Daten sind kalkulationsrelevant? Welche Ansatzpunkte und Varianten gibt es, um eine belastbare Vertragsbasis zu bekommen?
  • Wie definiere ich die Schnittstellen zwischen Produktion und FM-Instandhaltung? Wie kann ich diese Schnittstellen nachtragssicher definieren?
  • Welches Reporting ist für eine proaktive Steuerung eines Industriestandortes relevant? Wer liefert welche Daten und in welchem System/Systemen sollen diese bereitgestellt werden?
  • Wie finde ich die richtigen Bieter für die short list? Welche Anforderungen haben die Standorte und wie kann ich diese im Vorfeld eines Ausschreibungsprojektes fundiert prüfen? Wie wichtig ist die Eigenleistungstiefe des Partners – oder sind auch Managementmodelle für mein Unternehmen denkbar?

Neben der Optimierung des Facility Managements stehen oft eine Steigerung der Transparenz sowie der Wunsch nach einem gezielten Standort- und Immobilien-/Kostencontrolling im Fokus. Kaum einem Entscheider stehen jedoch die relevanten Informationen mit geringem Aufwand zur Verfügung. Üblich sind vielmehr ständig wiederkehrende Datenaufbereitungs-Wellen, um situative Fragen zu beantworten. Das gezielte Aufbauen und Implementieren eines (schlanken) Reportings ist ein positiver Nebeneffekt eines Optimierungsprojekts.

Die Datenpyramide – wie aus Daten (Standort-) Kennzahlen werden

Nur durch eine ganzheitliche Herangehensweise, die alle Betriebs,- Bewirtschaftungs- und Produktionsfaktoren berücksichtigt, lassen sich die Stellhebel ermitteln, mit denen Unternehmen langfristig ein Maximum an Wirtschaftlichkeit erreichen. In diesem Zusammenhang ist es wettbewerbsentscheidend, mit welchen Facility-Management-Dienstleistern ein Unternehmen zusammenarbeitet. Die passenden Anbieter, Vergabemodelle, Vergütungsvarianten und Prozessabläufe zu finden, erfordert tiefgehendes Branchen- und Prozesswissen, sowohl hinsichtlich des Facility Managements als auch in Bezug auf die prozessrelevanten Kernthemen am Standort. Nur wenn das Zusammenspiel aller gebäudetechnischen, bewirtschaftungs- und betriebsrelevanten sowie produktionsnotwendigen Anlagen im Detail bekannt ist, lassen sich Optimierungspotenziale finden, die für das ganze Unternehmen eine verbesserte Gesamtwirtschaftlichkeit zur Folge haben.

Von der Einzelvergabe zum Total Facility Management – das passende Vergabemodell finden

Die Vergabemodelle sind so unterschiedlich wie die Unternehmen und deren Anforderungen – eine pauschale Aussage über die wirtschaftlichste Vorgehensweise ist daher nicht möglich. Generell können alle Leistungen einzeln, modulweise oder an einen einzigen Vertragsnehmer beauftragt werden. Innerhalb dieser Vergabemodelle wiederum kann nach Ländern und Regionen oder nach Portfolios geclustert werden. Total Facility Management bei zahlreichen Standorten kombiniert technisches, kaufmännisches und infrastrukturelles Facility Management und verlangt zudem umfassende Managementkompetenzen.

Chancen und Risiken der verschiedenen Vergabestrategien sind individuell zu betrachten. Generell lässt sich feststellen, dass bei steigendem Outsourcing-Level zwar der direkte strategische Einfluss abnimmt, das Unternehmen jedoch an Flexibilität gewinnt und sich vermehrt auf seine Kernaufgaben fokussieren kann.

USA und Großbritannien setzen Maßstäbe für zentraleuropäische FM-Anbieter

Vor allem in den USA und in Großbritannien gehört Total Facility Management zu den schon gängigeren Vergabemodellen – in den zentraleuropäischen Ländern herrscht derzeit noch überwiegend ein anderer Fokus. Der Facility-Management-Branche in Deutschland steht aus diesem Grund ein enormer Wandel bevor. Auslöser sind vor allem internationale Unternehmen mit Standorten in Deutschland. Während der Bedarf bereits gegeben ist fehlen in Deutschland und auch in Europa oft noch die passenden Anbieter und Betreibermodelle für derart umfangreiche Leistungen. Diese haben bis heute ihre Kernkompetenzen auf einzelne Leistungen beziehungsweise auf Vergaben in mehreren Einzelpaketen innerhalb eines Landes hin ausgereichtet. Das heißt, operative Facility- Management-Anbieter werden ihr Leistungsportfolio entsprechend anpassen (müssen).

Vereinfacht können die Optimierungspotenziale in drei Kategorien unterteilt werden:

Monetäre Potenziale: Durch die Umsetzung der Maßnahme können die Kosten gesenkt werden.

Qualitative Potenziale: Durch die Maßnahme kann die Leistung qualitativ besser bzw. mit einer höheren Qualität erbracht werden (Erreichen einer leistungsspezifischen Verbesserung).

Prozessuale Potenziale: Durch die Maßnahme wird eine Prozessverbesserung erreicht (ggf. Straffung oder Optimierung eines Prozessablaufs, Reduzierung der Beteiligten, Optimierung der AKVs oder Professionalisierung durch unterstützende Tools etc.)

Bei der Betrachtung von Unternehmen, die an mehreren Standorten vertreten sind oder für mehrere Standorte von Immobilien verantwortlich sind, können darüber hinaus unter anderem folgende Ansätze zur Optimierung angegangen werden (stark vereinfachter Auszug):

Bedarfseffekte

Bei dieser Kategorie geht es um die Frage, ob wirklich alle Anforderungen notwendig sind. Die Praxis hat gezeigt, dass bei großen Unternehmen viele Prozesse über die Jahre gewachsen sind. In thematischen Workshops die Anforderungen und Zusammenhänge einzelner Prozesse zu hinterfragen, kann die tatsächlich notwendigen Bedarfe identifizieren. Das Ergebnis sind ggf. neue, niedrigere Servicelevel und eine Aufwands- und Kostenreduzierung (Abgleich Soll-Bedarf und Ist-Bedarf).

Bündelungseffekte

Bündelungseffekte entstehen durch das Zusammenlegen von Leistungen, entweder inhaltlich und/oder standortübergreifend. In der Regel werden diese Leistungen von externen Dienstleistern erbracht. Damit kann deren Anzahl reduziert werden, eine gebündelte Vergabe führt zudem zu monetären und prozessualen Einsparungen:

Prozessuale Effekte

Prozessuale Effekte beim Dienstleister durch optimierte Auslastung und Kombination von Leistungen (Optimierung innerhalb der Organisation des FM-Dienstleisters führt zu monetären Optimierung des Auftraggebers)

Funktionale Effekte

Die funktionalen Effekte verändern eine bestehende Organisation und können die Personalstruktur oder Personalanzahl beeinflussen. Beispiele sind:

  • Redundante Funktionen zentralisieren oder abbauen (Beispiel: Ein Unternehmen hat mehrere Werksstandorte in Deutschland, jeder Standort ist zu Immobilienthemen autark in der Entscheidung. was Einkauf, FM-Vergaben, FM-Controlling etc. angeht. Diese dezentralen Strukturen werden inhaltlich oder räumlich gebündelt.
  • Insourcing/Outsourcing oder Ausgründung: Leistungen, die heute extern erbracht werden, zentralisiert und durch eigene Einheiten erbracht (Insourcing) – oder genau anders herum, Leistungen, die durch eigene Mitarbeiter erbracht werden, werden an externe Dienstleister beauftragt (Outsourcing). Dies führt ggf. zu Personalkostenreduzierungen und einer höheren Flexibilität bei Leistungs- oder Produktionsschwankungen.

Fazit - Die steigende Vernetzung von Produktions- und FM-Prozessen führt zu Veränderungen im Anbietermarkt.

Steigende Anforderungen an Flexibilität und Wirtschaftlichkeit sorgen dafür, dass Zusammenarbeitsmodelle zwischen Kern- und Sekundärprozessen weiterhin intensiviert werden. Ob sich reine Managementmodelle im Facility Management am europäischen Markt durchsetzen werden ist offen – jedoch werden wachsende Anforderungen der Auftraggeber bezüglich weiterführender strategischer Modelle dazu führen, dass sich die Anbieterbranche weiterentwickeln muss. Innovative Betreibermodelle mit vollumfänglicher Übernahme von langfristigen Verantwortlichkeiten, Green FM inkl. CO2-Bilanz und effiziente Energieerzeugung mit dynamischen und lebenszyklusorientierten Instandhaltungsstrategien sind nur einige wenige Themen, die die Branche in den kommenden Jahren beschäftigen werden.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Drees & Sommer AG
Erstveröffentlichung: Januar/Februar 2014, Der Facility Manager