Projektarbeit, Pendelbeziehungen und berufstätige Eltern. Die Lebensgewohnheiten der Menschen wandeln sich gravierend. Damit ändern sich auch die Anforderungen an die Gebäude, in denen wir wohnen, arbeiten und unsere Freizeit verbringen wollen. Corona hat diesen Wandel in vielen Bereichen noch befeuert. Die Immobilienbranche jedoch hat sich bisher kaum auf die Lebensbedingungen der Zukunft eingestellt. Vielleicht liegt es am Durchschnittsalter in der Branche, welches bereits heute bei über 43 Jahren liegt, dass passgenaue Produkte für die jüngere Generation Mangelware sind. Wie sehen die Immobilienprodukte aus, die die jüngere Generation ansprechen?
Co-Living entspricht den neuen Lebensgewohnheiten der Menschen in vielerlei Hinsicht. Eine zunehmende Urbanisierung, Digitalisierung und die Tendenz zu Einpersonenhaushalten bewirken eine Vereinsamung der Bevölkerung, vor allem in den Großstädten. Auch viele junge Menschen machen diese Erfahrung, wenn sie in eine neue Stadt kommen. Sie kennen dort niemanden, haben keinen sozialen Anschluss und finden nur schwierig bezahlbaren, ihren Bedürfnissen entsprechenden Wohnraum. Co-Living schafft hier Abhilfe. Wer ein Apartment mietet, kann ohne großen Aufwand sofort einziehen und findet vor Ort nicht nur ein großes Angebot an Gemeinschaftsflächen und Kursen, sondern bestenfalls beim Kochkurs oder im Co-Working-Space Gleichgesinnte. Junge, berufstätige Wohnungssuchende werden hier ebenso angesprochen wie Projektarbeiter, die nur eine begrenzte Zeit am Standort verbringen. Und während Covid-19 zwar aktuell die Reisemöglichkeit stark einschränkt hat sich der Trend zur Remote Work durch die Pandemie sogar noch beschleunigt.
Zielgenau auf die Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten ist auch das Konzept der Serviced Apartments. Allerdings werden hier nicht vorrangig Wohnungssuchende angesprochen, sondern Beschäftigte, die für einen mehrwöchigen oder -monatigen Aufenthalt in einer anderen Stadt eine Unterkunft suchen. Berufsnomaden ziehen eine komfortable, individuelle Unterkunft, die in puncto Wohnlichkeit mit dem eigenen Zuhause vergleichbar ist, der Anonymität eines Hotelzimmers deutlich vor. Und auch in Zeiten der Coronavirus-Pandemie bietet das Konzept Serviced Apartments im Vergleich zum klassischen Hotelzimmer einige Vorteile. Geschlossene Räumlichkeiten mit Kitchenette und zumeist kontaktlosem Zutritt, sowie Frühstück in Selbstversorgung bieten den Gästen Sicherheit.
Aber neben neuen Wohnkonzepten auf Zeit, gilt es weitere Veränderungen im Bereich der Wohn- und Arbeitswelt in den Fokus zu nehmen. Zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Junge Eltern wollen Zeit mit der Familie verbringen und gleichzeitig im Beruf den Anschluss behalten. Gleichermaßen professionelle wie flexible Kinderbetreuung ist dabei oft ein Engpass. In Deutschland werden bis zum Jahr 2030 rund 417.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren benötigt. Hier kann die Immobilienwirtschaft helfen, das passende Angebot zu schaffen.
Doch nicht nur die Lebensbedingungen der unter 30-Jährigen durchlaufen einen Wandel. Auch die ältere Generation äußert zusehends den Wunsch nach einer Wohnsituation, in der sie am kulturellen Leben teilhaben kann. Elderly Living bietet als Wohnkonzept für Best Ager, also die agile Generation 60Plus, zielgruppenorientierte Gemeinschaftsflächen zur bedarfsgerechten Freizeitgestaltung. Beispiele sind Sport- oder Kulturangebote.
Die Liste lässt sich noch weiter ausführen: Brachliegende und nicht für klassische Nutzungen geeignete Grundstücke können mit dem Konzept Urban Vertical Farming bespielt werden und so für eine ökologische Lebensmittelproduktion in unmittelbarer Wohnortnähe sorgen. Solche innovativen Immobilienprodukte generieren sowohl einen Mehrwert für die Liegenschaft als auch für die Kommunen und die Gesellschaft.
Und während Corona Entwicklungen im Bereich Globalisierung und Mobilität vorübergehend hemmt, wirkt die Pandemie insgesamt wie ein Katalysator und beschleunigt viele der bereits bestehenden Trends in Wirtschaft und Gesellschaft. Solidarität und Gemeinschaft rücken ebenso in den Fokus wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Diese Multidimensionalität macht für die Gestaltung zukünftiger Lebens- und Arbeitswelten eine ganzheitliche Betrachtung unabdingbar.
Fest steht: Unsere Städte und die Art, wie wir wohnen und arbeiten werden sich in den kommenden Jahren noch spürbar verändern. Auch die Immobilienbranche muss diese Chance erkennen und mit zukunftsweisenden Angeboten auf die sich verändernden Bedürfnisse reagieren.
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Erstveröffentlichung: Immobilienmanager, Februar 2021