29.04.2025

Immobilienportfolios

Nachhaltige Steuerung in der Praxis

Michael Stark-Urzendnik, Generalbevollmächtigter & Leiter Business Development und Kommunikation, Real Blue KVG
Michael Stark-Urzendnik

In einem volatilen Marktumfeld ist es für institutionelle Immobilieninvestoren immer anspruchsvoller, ihre Immobilienportfolios unter Nachhaltigkeitsaspekten weiterzuentwickeln und fit für die Zukunft zu machen.

Institutionelle Investoren stehen zusätzlich zur aktuell volatilen gesamtwirschaftlichen Lage vor der Herausforderung, Nachhaltigkeitsrisiken von Immobilienbeständen in ihren Portfolios zu identifizieren, zu messen und aktiv zu managen. Versäumen sie diese, drohen negative Konsequenzen für Businesspläne, Ergebnisbeiträge, Werterhalt und Vermietbarkeit der Immobilien und Immobilienportfolios.

Immobilien, deren CO2-Emissionen beispielsweise die vorgegebenen Klimaschutzpfaden hin zum Klimaneutralitätsziel im Jahr 2045 übersteigen, müssen erhebliche und dauerhafte Bewertungsabschläge in Kauf nehmen und werden so zu gestrandeten Vermögenswerten („Stranded Assets“). Das führt zu Wertverlust, eingeschränkter Vermietbarkeit, höheren Vermarktungskosten, geringeren Mieterträgen, höheren Nebenkosten und dauerhaft höheren Nachinvestitionen zur energetischen Ertüchtigung sowie für die laufende Instandhaltung. Zusätzlich drohen politische Sanktionen wie Vermietungsverbote und Sanierungszwang, wie sie teilweise schon heute in einzelnen Ländern in Europa Realität sind. Auch Straf- und Steuerzahlungen, zusätzliche CO2-Abgaben und Warmmietenzwang sind denkbare Szenarien – ganz zu schweigen von den zu erwartenden Klimarisiko -und Klimafolgeschäden in Verbindung mit erhöhten Aufwendungen für Werterhalt und die Versicherung.

Auf Ebene von Immobilienportfolios führen „Stranded Assets“ zu Wertabschlägen auf die bilanzierten Immobilienwerte und im Verkaufsfall droht die Realisierung von Veräußerungsverlusten. Kaufinteressenten preisen diese eingeschränkte Marktfähigkeit, auch infolge bestehender Intransparenz potenzieller Nachhaltigkeitsrisiken schon heute durch Preisabschläge ein.

Hohe Transparenzanforderungen und großer Nachholbedarf

Insgesamt nehmen die Transparenzanforderungen hinsichtlich ESG für Immobilien und Immobilienportfolios auf allen Ebenen zu: Das Nachhaltigkeitsreporting wird verpflichtender, komplexer, detaillierter und umfangreicher.

Durch manuelle Auswertungen von Handakten und Pflege von Excel-Tabellen wird es in naher Zukunft nicht mehr mit vertretbarem Aufwand zu bewerkstelligen sein. An Digitalisierung und Automatisierung des Nachhaltigkeitsreportings und -managements führt kein Weg vorbei. Hierfür ist die Verfügbarkeit hochwertiger nachhaltigkeitsrelevanter Daten entscheidend. Hochwertig im Sinne von Genauigkeit, Vollständigkeit, Gültigkeit, Konsistenz, Aktualität und Zweckmäßigkeit.  

Noch ist der Nachholbedarf in dieser Hinsicht unter Immobilieninvestoren und -bestandshaltern groß. Im Folgenden wird nun aufgezeigt, wie idealerweise eine nachhaltige Portfoliosteuerung funktioniert und welche Schritte dafür notwendig sind.

Der Ausgangspunkt einer nachhaltigen Portfoliosteuerung besteht neben der Erfassung sämtlicher kaufmännischer Daten der einzelnen Immobilien darin, eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsrisiken durchzuführen, um eine ganzheitliche Transparenz für den weiteren Umgang mit Portfolios zu erhalten. Idealerweise erfolgt die Bestandsaufnahme stufenweise, um den Aufwand und somit die anfallenden Kosten zu optimieren. In der ersten Stufe wird eine Ermittlung der Energieintensität, sowie der CO2-Emissionen für jede einzelne Immobilie durchgeführt. Schwerpunkt ist dabei die Festlegung des Risikopotenzials aus dem Status quo und der Entwicklung der CO2-Bilanz. Ob der Weg zum definierten Klimaschutzziel unter Umständen verlassen wird, kann dann mit entsprechenden Rahmenwerk zur Klimaneutralität (Rahmenwerk für klimaneutrale Gebäude, DGNB) und dem Carbon Risk Real Estate Monitor-Tool (CRREM-Tool) mit den zugehörigen CRREM-Klimaschutzpfaden ermittelt werden.

Läuft die Immobilie bzw. das Portfolio Gefahr, den Klimaschutzpfad dauerhaft zu verlassen, müssen in einer zweiten Stufe Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur CO2-Bilanz (so genannte Retrofit-Maßnahmen) definiert werden, die dieses Stranding verhindern oder zumindest möglichst weit in die Zukunft verschieben. Aus den Kosten für diese Maßnahmen können entsprechende Risikopositionen abgeleitet werden.

Hierzu werden für jede einzelne identifizierte Immobilie, die bereits vorhandenen Gebäudedaten gesammelt und durch Erfassungen aus Objektbegehungen vor Ort ergänzt. Dazu zählen Informationen über einzelne Bauteile (z. B. Fassade oder Dachaufbau,) und die technische Gebäudeausrüstung (z. B. Wärme- und Kälteversorgung sowie Lüftungstechnik) einschließlich ihres Zustands. Aus den vorliegenden Erkenntnissen werden bauliche und operative Maßnahmen sowie empfohlene Zeiträume für deren Umsetzung inklusive Abschätzung der resultierenden Kosten abgeleitet. Darüber hinaus erfolgt die Ausweisung energetischer Einsparpotenziale, Auswirkung auf den Gesamtenergiebedarf sowie von CO2-Reduktionspotenzialen, bei gleichzeitiger Untersuchung des Nutzerkomforts (thermisch, akustisch, visuell). Die aufgenommenen Daten werden in einer einheitlichen Struktur abgelegt und beispielweise mit einem Business Intelligence System verbunden, über welches der Datenbestand jederzeit aktualisiert und analysiert werden kann.

Festlegung der Portfolio- und Assetstrategie

Ist nach der Bestandsaufnahme eine Transparenz über die Nachhaltigkeit der Immobilienbestände hergestellt, können strategische Weichenstellungen vorgenommen werden. Dazu zählen neben der Festlegung des Ambitionsniveaus, also wie nachhaltig der Bestand werden soll, vor allem die Festlegung von Maßnahmen, die im Hinblick auf den Nachhaltigkeitsanspruch und der ökonomischen Situation (z.B. Ertragslage und Finanzierungssituation) tatsächlich sinnvoll und leistbar sind.

Für jede Immobilie muss zudem mit Blick auf die ökonomische und ökologische Performance des Gesamtportfolios die Entscheidung getroffen werden, ob sie gehalten und ertüchtigt oder veräußert wird, einschließlich der Projektion der dafür nötigen finanziellen und personellen Ressourcen.  

Umsetzung

In der Umsetzungsphase geht es ins Detail und in die Praxis der zielgerichteten und kostenoptimierten Transformation sowie Optimierung des Bestandes. Objektspezifische, technisch umsetzbare sowie der Portfoliostrategie entsprechende Maßnahmen werden festgelegt, ihre perspektivischen wirtschaftlichen und ökologischen Ergebnisbeiträge berechnet und ihre Kosten budgetiert.

Um den Fortschritt der Maßnahmen, ihre Wirksamkeit und Effizienz laufend beurteilen, nachsteuern und in die Nachhaltigkeitsberichterstattung einfließen lassen zu können, wird ein ESG-Monitoring bzw. spezialisiertes Berichtswesen für Nachhaltigkeit und ESG eingerichtet

Mit diesem lassen sich auf Immobilien- und Portfolioebene Stranding-Szenarien mit CRREM-Prognosen ermitteln und es erlaubt ein laufendes Reporting, u. a. von nach Energieträgern unterteilten Verbrauchskennzahlen, transitorischen und physischen Risiken, aufsichtsrechtlichen Kennzahlen (Principal Adverse Impacts, PAIs) und Taxonomie-Quoten.

Optimierung von Investitions- und Haltestrukturen

Zur Optimierung von Investitions- und Haltestrukturen können Off-balancing-Verfahren genutzt werden, z. B. in Form von Strukturierungsalternativen, Segmentierung oder Ausgliederung von direkt gehaltenen Immobilienbeständen mittels Einbringung von Immobilien in Spezialfonds.

Dadurch dass der Immobilienbestand bei Einbringungslösungen kein Anlagevermögen wie im Direktbestand darstellt, kann eine Portfoliostruktur geschaffen werden, welche die Mobilität des Bestands und die Transaktionsfähigkeit verbessert. Dies beinhaltet auch die Optimierung von Eigenmittelanforderungen, der Bilanz- und Anlagepolitik sowie die Anpassung an gestiegene Anforderungen im Management von Immobilien durch den Einbezug spezialisierter externer Manager. Zudem wird die Möglichkeit einer höheren Risikodiversifikation (bei gleichem Eigenkapitaleinsatz) und Steigerung der Performance (positiver Leverage-Effekt) geschaffen, da bei vielen Unternehmen wie Versicherungen oder Pensionskassen die Fremdkapitalaufnahme verboten ist.

Im Zuge von Hold-Sell-Analysen können Immobilien mit hohen CO2-Emissionen und geringem Potenzial einer erfolgsversprechenden zukünftigen ökonomischen und ökologischen Ertüchtigung zudem von nachhaltigen, zukunftsfähigen Immobilien separiert und ggf. in einer „CO2-Bad-Bank“ zusammengefasst sowie  gemanagt werden. Dazu kann der Direktbestand ebenso in eigene Spezialfonds oder in eine Investment-Kapitalverwaltungsgesellschaft (InvKG) eingebracht werden

Nachhaltiges Management von Struktur und Bestand

Zur Steuerung von Immobilienportfolios unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten und -risiken wird der Bestand schließlich laufend strategisch und operativ in kaufmännischer sowie technischer Hinsicht gemanagt.

Ziel ist es, den Immobilienbestand durch die Steuerung der wesentlichen Ergebniskomponenten, Werttreiber und Kennzahlen zu einem nachhaltigen Portfolio zu transformieren und gleichzeitig langfristig stabile Erträge und Wertentwicklungen sicherzustellen. Dies beinhaltet die Steuerung von Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von ESG-Strategien und die Umsetzung von Investitions- und Desinvestitionsstrategien zu optimalen Kauf- und Verkaufszeitpunkten.

Fazit

Der Handlungsdruck, Immobilienportfolios nach Nachhaltigkeitskriterien zu steuern und zu entwickeln, ist bereits hoch und wird mit Ablauf der Umsetzungsfristen der EU-Regulatorik in nationales Recht weiter stark ansteigen. Noch ist der Nachholbedarf bei vielen Bestandshaltern und Investoren nach eigenen Angaben groß.

Für die nachhaltige Transformation mit dem Ziel einer Optimierung der kaufmännischen und technischen Performance sowie der Strukturierung von Immobilienportfolios sind individuell gestaltbare, modulare Lösungen erforderlich. Diese sollten sowohl im Zuge des Aufbaus neuer, als auch bei bereits bestehenden Portfolios zielgerichtet integriert und unter Berücksichtigung von Strukturierungsalternativen effizient realisiert werden.

Unabhängig davon sollte ein professionelles regulatorisches Reporting und Management-Reporting mit größtmöglicher Transparenz auf allen relevanten Ebenen oberste Priorität besitzen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Real Blue Kapitalverwaltungs-GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2025

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