12.03.2015

Im Aufwind

Die neuen Bundesländer werden als Investitionsstandort immer noch unterschätzt. Zu unrecht!

Niclas Karoff, Mitglied des Vorstandes, TLG Immobilien AG
Niclas Karoff

Der Osten wird als Immobilien-Investitionsstandort immer noch unterschätzt. Die Fakten belegen jedoch, dass sich einige ostdeutsche Standorte bereits auf Augenhöhe mit westdeutschen Städten befinden und sich in schwierigen Zeiten sogar als nur wenig schwankungsanfällig erwiesen haben. Das erkennen mittlerweile auch immer mehr Investoren.

Zahlreiche Immobilieninvestoren machten in den vergangenen Jahren einen Bogen um Ostdeutschland. In der Krise der Immobilienmärkte Mitte der 90er Jahre hatten eine Reihe von ihnen schlechte Erfahrungen gemacht. Aber ist diese Zurückhaltung nach wie vor berechtigt? Aktuelle Fakten zeichnen ein anderes Bild:

Ostdeutschland verzeichnete in den vergangenen Jahren flächendeckend die höchsten Anstiege des Pro-Kopf- Wirtschaftswachstums. Die ersten Plätze im Dynamik-Ranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft werden von Brandenburg, Berlin, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen belegt. Thüringen wird vom US-Fachmagazin „Site Selection“ als attraktivstes Bundesland für Investitionen bewertet. Die Stadt mit der höchsten Geburtenrate in Deutschland ist Dresden. Und sechs ostdeutsche Städte befinden sich unter den Top 10 der Städte mit den größten Wertzuwächsen bei Eigenheimen.

Tragfähige wirtschaftliche Grundlage

Selbstverständlich sind das ausgewählte Einzelaspekte. Sie zeigen aber sehr wohl, dass Ostdeutschland für Immobilieninvestitionen wieder interessanter wird. Die meisten größeren Städte haben mittlerweile eine eigene tragfähige und dynamische wirtschaftliche Grundlage entwickelt. Im Vergleich zum Westen haben sich die neuen Bundesländer dabei zuletzt als deutlich weniger schwankungsanfällig erwiesen. Dennoch bleibt es auch hier bei einer Grundregel des Immobiliengeschäfts: Genaue lokale Marktkenntnisse sind für den Investitionserfolg unverzichtbar, zumal es gerade in Ostdeutschland bei großen regionalen Unterschieden bleibt.

Überdurchschnittliche Dynamik

Die hohe wirtschaftliche Dynamik ostdeutscher Regionen wird durch eine Untersuchung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft verdeutlicht, die die Entwicklung der wichtigsten deutschen Regionen für die Jahre 2007 bis 2010 betrachtete. In diesem Zeitraum erlebte unsere Volkswirtschaft sowohl einen Aufschwung als auch eine dramatische Krise. Die Schwankungen in den ostdeutschen Regionen waren dabei wesentlich weniger ausgeprägt als im Westen. Während beispielsweise die Wirtschaftsleistung im Krisenjahr 2009 in den alten Bundesländern um 5,4 Prozent einbrach, fiel das Minus in Ostdeutschland mit 2,9 Prozent deutlich moderater aus. Durch eine tragfähige und weniger exportabhängige wirtschaftliche Substanz hat es der Osten inzwischen geschafft, seine Schwankungsanfälligkeit zu reduzieren. Dabei hat sich auch hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung in einigen größeren Städten Ostdeutschlands nach anfänglich starken Wanderungsverlusten der Nachwendezeit und einer daran anschließenden etwa zehnjährigen Stagnationsphase inzwischen eine Trendwende vollzogen: Seit 2011 verzeichnen die ersten Städte wieder ein leichtes Bevölkerungswachstum.

Positive Zukunftsaussichten

Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts Feri kommt zu dem Ergebnis, dass sich für eine Reihe von Standorten die positive Entwicklung weiter fortsetzen wird. Feri erstellte für die 60 wichtigsten deutschen Städte Prognosen zur Entwicklung von Wirtschaftskraft, Arbeitsplätzen, Bevölkerung und Kaufkraft bis zum Jahr 2017. Mit Leipzig, Dresden und Jena schafften es zuletzt drei ostdeutsche Städte unter die Top 10. Bislang waren die ostdeutschen Standorte beim Vergleich sozioökonomischer Kennzahlen regelmäßig abgeschlagen auf den hinteren Plätzen zu finden.

Wachstum auf wenige Regionen und Zentren beschränkt

Die Immobilienmärkte folgen der wirtschaftlichen Entwicklung und sind daher in Ostdeutschland mittlerweile auch für langfristig bzw. konservativ orientierte Investoren interessant. Das gilt allerdings nur für die Wachstumsregionen Berlin/Brandenburg mit Potsdam, Dresden/ Leipzig, die thüringischen Städte entlang der Autobahn A4 wie Erfurt oder Jena sowie einzelne Städte an der Ostseeküste.

Wohnungen

Den aussichtsreichsten Markt für Wohnimmobilien bietet derzeit Berlin mit erneut gestiegenen Mieten und Kaufpreisen, vor allem im mittleren und hochwertigen Marktsegment, gefolgt von Potsdam, dessen Preisniveau inzwischen auf Augenhöhe mit dem großen Nachbarn liegt. In den Städten an der Ostseeküste treibt der anhaltende Touristenboom vor allem die Preise für Wohneigentum nach oben. In Dresden und Leipzig sorgen steigende Zuwanderungszahlen für eine höhere Nachfrage, die sich vor allem auf Einfamilienhäuser konzentriert, jedoch auch für deutliche Mietsteigerungen sorgt.

Dass es auch in den anderen ostdeutschen Städten noch zahlreiche attraktive Investitionsmöglichkeiten in Wohnimmobilien gibt, stellten BulwienGesa und die International Real Estate Business School (IREBS) in einer aktuellen Untersuchung der Miet- und Kaufpreisentwicklung fest: An einer Reihe von B-Standorten sind von 2009 bis 2011 die Mieten schneller angestiegen sind als die Kaufpreise. Je nach Investitionsziel können Investoren in diesen Städten Aufwärtspotenziale bei den Kaufpreisen nutzen oder hohe Mietrenditen erzielen.

Büros

Unter den Märkten für Büroimmobilien zeigt abgesehen von Berlin die Stadt Dresden mit steigenden Flächenumsätzen und sinkenden Leerständen – wenngleich mit über 10 Prozent immer noch hoch – die positivsten Signale. Die höchsten Mietpreise für gute Büroobjekte in Ostdeutschland werden neben Berlin in Erfurt, Rostock, Potsdam Dresden und Leipzig erzielt. Die durchschnittlichen Büromieten dieser Städte liegen bei 7 bis 12 Euro pro Quadratmeter. Zwar sind die Mieten stabil, mit deutlichen Steigerungen sollte aber nicht gerechnet werden.

Einzelhandel

Die Märkte für Einzelhandelsimmobilien entwickeln sich neben den Wohnungsmärkten im Osten am stabilsten. Besonders interessante Märkte sind außerhalb von Berlin die überregional attraktiven Kaufkraftmagnete Leipzig und Dresden. Beim Vergleich der beiden Standorte ist Leipzig der insgesamt stärkere Markt für Einzelhandelsflächen. Es gibt dort lediglich geringen Leerstand und im Zentrum werden mit 25 bis 60 Euro pro Quadratmeter und Monat die höchsten Mieten verlangt. In Dresden sind die Investitionsmöglichkeiten in Einzelhandelsimmobilien etwas großflächiger verteilt als in Leipzig – hier liegen die Spitzenmieten im Stadtkern bei bis zu 70 Euro pro Quadratmeter. Die steigende Kaufkraftentwicklung wird die Mieten an diesen Standorten auch zukünftig weiter steigen lassen.

Märkte wenig liquide und stark ausdifferenziert

Trotz der guten Vorzeichen ist es jedoch zu früh, um die Bedingungen für Immobilieninvestitionen pauschal positiv zu bewerten. Die wirtschaftliche Dynamik ist zwar vergleichsweise hoch und die Immobilienmärkte schwanken nur wenig, aber in der absoluten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit reichen die ostdeutschen Regionen bislang nicht an den Westen heran. Größe und Liquidität der ostdeutschen Immobilienmärkte sind ebenfalls deutlich geringer, was zu Schwierigkeiten bei Anschlussvermietungen oder Veräußerungen führen kann.

Die Märkte im Osten sind zudem stark ausdifferenziert. Der Investitionserfolg hängt in hohem Maß davon ab, um welche Nutzungsart es sich bei der Immobilie handelt und ob mit dem Ziel investiert wird, die Immobilie zu veräußern oder sie langfristig selbst zu bewirtschaften. Die Unterschiede zwischen den einzelnen ostdeutschen Wachstumsregionen sind ebenfalls erheblich und auch die lokalen Märkte sind kleinteiliger strukturiert als in den westdeutschen Metropolen.

Erfahrene Partner unverzichtbar

Im Ergebnis ist es in den ostdeutschen Märkten für Immobilieninvestoren nach wie vor kaum möglich, ihre Entscheidungen ausschließlich auf Grundlage von Konjunktur- und Marktdaten zu treffen. Immer noch sind sie stark auf die Expertise von erfahrenen Partnern angewiesen, die die lokalen Märkte und ihre Akteure genau kennen. Die Zahl der attraktiven Gelegenheiten für Immobilieninvestoren mit einem konservativ ausgerichteten Portfolio nimmt aber spürbar zu und die Zeiten, in denen die ostdeutschen Märkte eine Lungenentzündung bekamen, sobald die Wirtschaft im Westen nur leicht hustete, sind inzwischen vorbei.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2011/2012