Eine Assetklasse für sich
Der Run auf Gewerbeimmobilien erreichte 2015 einen neuen vorläufigen Höhepunkt. Handelsimmobilien lagen in der Käufergunst abermals weit vorn. Die anhaltenden Mittelzuflüsse auf der einen sowie die Objektknappheit auf der anderen Seite haben die Risikobereitschaft der institutionellen Anleger jedoch weiter erhöht.
Einstige Tabus fallen, die Investmentstrategien werden angepasst. So scheut man z.B. den Weg in die Provinz nicht mehr und wagt auch Käufe in sogenannten B-Städten. Deren Potential wurde – sowohl von heimischen als auch von internationalen Akteuren – lange verkannt. Dabei bietet der deutsche Einzelhandelsimmobilienmarkt aufgrund seiner starken Dezentralisierung und der hohen Anzahl konsumstarker Mittelstädte eine sehr gute Ausgangsbasis, um eine regional ausdifferenzierte Anlagestrategie zu verfolgen. Und längst sind nicht alle Tortenstücke verteilt. So sehen Experten weiteres Potential für Investitionen in hybride Malls vor allem in Mittelstädten, die mit klassischen Shopping Center Flächen noch unterversorgt sind.
Für die wachsende Risikofreude gibt es einen weiteren Gradmesser: den Anstieg der Portfoliotransaktionen. Immer mehr Einzelhandelsimmobilien wechseln im Paket den Besitzer. Davon haben 2015 im Prinzip alle handelsbezogenen Objekttypen – Supermärkte, Discounter, Fachmärkte, Shopping Center, hybride Malls und Fachmarktzentren – profitiert. Neu ist allerdings, dass Investoren beim Schnüren der Pakete weniger stark als in früheren Jahren auf die Reinrassigkeit achten. Dadurch erhält man eine breitere Streuung der Risikoklassen innerhalb eines Portfolios. An sich eine gute Sache. Trotzdem stellt eine allzu große Heterogenität Investoren vor besondere Herausforderungen. Denn im Management unterscheiden sich die einzelnen Assetklassen und Handelsformate enorm. Wer nicht nur in der Akquise schnell und schlagkräftig, sondern auch als Bestandshalter für unterschiedliche Handelsformate erfolgreich sein will, muss entsprechendes Know-how extern einkaufen. Dies gilt auch – und insbesondere – für diejenigen Investoren, die in die Jahre gekommene Fachmarktzentren investieren, um sie nach einem Relaunch als hybride Malls zu positionieren.
Großes Marktpotential für hybride Malls
Das Risikomanagement ist hier entscheidend und dabei gilt, dass gemischte Portfolios nicht per se als problematisch gelten, auch wenn die Managementanforderungen für die verschiedenen Betriebstypen unterschiedlich sind. Ein Portfolio, das zu viele kurzlaufende Mietverträge beinhaltet und womöglich an nicht nachhaltigen Standorten investiert ist, ist aus Risikosicht ein Faktor, den der Käufer unbedingt für seine eigene spätere Exit-Strategie im Griff haben muss.
Mit hybriden Malls ist ein weiteres Format hinzugekommen, das die Heterogenität von Einzelhandelsportfolios zwar weiter erhöht, Investoren zugleich aber auch neue Chancen eröffnet. Hybride Malls haben sich inzwischen als nachhaltiges Investmentprodukt etabliert und sich zwischen dem klassischen Fachmarktzentrum und Shopping Center positioniert. Vom Betriebstyp und von der Rendite her rangieren diese zwischen diesen beiden Polen. Eine ideale hybride Mall bietet zunehmend die Aufenthaltsqualität eines Shopping Centers in Verbindung mit der Eingeschossigkeit eines Fachmarktzentrums. Aus Investorensicht ist das ein Vorteil, vor allem in Bezug auf die Nachhaltigkeit des Konzeptes. Die Anzahl und Verbreitung hybrider Malls geht in Deutschland stetig voran. Wie einzelne bestehende Standorte sich behaupten, zeigt sich folgendermaßen: Prime Shopping Center liegen derzeit bei 4,1 Prozent Nettoanfangsrendite, Prime hybride Malls liegen um 5 Prozent Nettoanfangsrendite und erstklassige herkömmliche Fachmarktzentren haben nochmals einen Risikoaufschlag um 25 Basispunkte und liegen bei 5,25 Prozent. Allerdings gibt es wie bei allen anderen Assetklassen auch bei hybriden Malls Differenzierungen innerhalb des Produktes. So kommt es auch bei hybriden Betriebstypen auf klassische Standortqualitäten wie z.B. die Konkurrenzsituation, Erreichbarkeit und Kaufkraft im Einzugsgebiet an.
Neupositionierung von Fachmarktzentren: Hybride Konzepte sind immer gefragter
Die Nachfrage ist riesig, das Angebot knapp. Der Markt für Fachmarktzentren ist wie leergefegt und Nachschub nicht in Sicht. Kaum eine Kommune weist heute noch Standorte für größere Einzelhandelsprojekte aus – und wenn doch, so sind die bürokratischen Hürden und Beschränkungen meist kaum zu überwinden.
Aufgrund ihres vergleichsweise hohen Flächenverbrauchs sowie ihrer oft dezentralen Positionierung sind Fachmarktzentren von Restriktionen in besonderem Maße betroffen. Kein Wunder, dass sich das Augenmerk von Investoren vor allem auf bestehende Immobilien richtet. Bloß sind diese, das haben Analysen ergeben, oft nicht mehr wirklich „State of the Art“. „Der Anteil der Fachmarktzentren, deren letzte Modernisierung mehr als 15 Jahre her ist, liegt bei 47 Prozent“, stellte kürzlich GfK GeoMarketing fest. Wer eine Modernisierung ins Auge fasst, prüft heute in der Regel auch eine Weiterentwicklung der Immobilie in Richtung hybride Mall. Das ergibt Sinn, denn dieser vergleichsweise junge Betriebstyp erfreut sich immer größerer Beliebtheit: nicht nur bei Anlegern, auch bei Mietern und Kunden.
Hybride ähneln Shopping Centern
Verbindliche Definitionen oder gar Statistiken über die Verbreitung hybrider Malls in Deutschland existieren nach Aussage der GfK-Experten zwar nicht, aber Profis wissen, was gemeint ist: Eine hybride Mall verbindet die Vorteile eines auf den periodischen Bedarfsbereich ausgerichteten (über-)regional agierenden Fachmarktzentrums, mit guter Erreichbarkeit, kostenlosen Parkplätzen sowie gutem Branchen- und Mietermix, mit dem komfortablen Einkaufserlebnis eines klassischen Einkaufszentrums. Das gilt sowohl für neuentwickelte als auch bestehende Fachmarktzentren, die größtenteils aus den 1990er Jahren stammen und bereits einer grundlegenden Revitalisierung unterzogen worden sind. Bemerkenswert dabei ist: Durch Neupositionierungen werden Fachmarktzentren innerstädtischen Shopping Centern immer ähnlicher. Die Ladenstraße ist teilweise oder ganz überdacht, die architektonische Gestaltung wird ansprechender, die Aufenthaltsqualität verbessert. Sitzgelegenheiten in öffentlichen Bereichen in Kombination mit einem integrierten Markthallenkonzept laden die Kunden zum längeren Verweilen ein. Kurzum: Die Grenzen zwischen den Formaten sind fließend. Für Investoren haben bereits transformierte Standorte viele Vorteile: Zum einen ist die Besuchsfrequenz in hybriden Centern aufgrund der starken Nahversorgungsorientierung vergleichsweise hoch, mitunter sogar höher als in klassischen Einkaufszentren, zum anderen sorgt die optische Aufwertung der Standorte für eine erhöhte Akzeptanz bei Kunden, Besuchern, Mietern und nicht zuletzt bei den Kommunen. Mögliche Widerstände im Laufe von Genehmigungsverfahren können dadurch positiv beeinflusst werden. Das erleichtert die Planungsphase für Projektentwickler und Investoren deutlich.
Mietermischung und flexible Flächenzuschnitte
Doch nicht bei jeder Umwandlung von einem Fachmarktzentrum in eine hybride Mall ist der Erfolg vorprogrammiert. So helfen etwa rein kosmetische Aufwertungen wie das Aufstellen von Sitzgelegenheiten wenig. Entscheidend ist vor allem ein standortadäquater Branchen- und Mietermix. Als ein sicherer Frequenzbringer gilt hierfür allerdings noch immer der periodische Bedarfsbereich. Der Anker „Lebensmittel-Vollsortimenter“ sollte idealerweise durch einen ausgewogenen Sortimentsmix aller Branchen unterschiedlichster Größenordnung ergänzt werden. Eine Schlüsselrolle spielen hierbei große Textil-
anbieter wie H&M, C&A, TK Maxx und viele mehr. Die kennen viele Kunden zwar vornehmlich als Mieter in Einkaufszentren, doch inzwischen fühlen sie sich auch in hybriden Formaten gut aufgehoben. Zu den Standortvorteilen gehören aus Sicht dieser Händler insbesondere die attraktive Miet- und Nebenkostensituation. Mitunter können Mietflächen in einer hybriden Mall wirtschaftlich sogar attraktiver sein als in einem herkömmlichen Einkaufszentrum.
Dass die Berührungsängste gegenüber dem einstmals gemiedenen Format abnehmen, wundert weiter nicht, denn gleichzeitig unterstützen diese Labels die Hybridisierung, was ihnen selbst, den übrigen Mietern und natürlich auch den Investoren bzw. Eigentümern nützt. Welches Potential neue Mietergruppen haben, zeigt auch das Beispiel Spiel- und Babyfachmarkt: Ein solcher Mieter bringt ein Einzugsgebiet von rund 25 Kilometern mit sich. Eine Anziehungskraft über eine solche Distanz entwickeln Lebensmitteleinzelhändler alleine natürlich nicht. Auf den Mix passend zum Standort kommt es an, ein Patentrezept für erfolgreiche Weiterentwicklungen gibt es nicht. Ziemlich sicher ist jedoch: Durch den hohen Revitalisierungsbedarf im Segment Fachmarktzentrum wird die Zahl der hybriden Betriebstypen in den nächsten Jahren weiter steigen. Bereits im vergangenen Jahr lag der Anteil hybrider Center an allen Einzelhandels-Neueröffnungen seit dem Jahr 2008 bei beachtlichen 12 Prozent.
In bester Gesellschaft: Textilhandel zieht es in hybride Malls
Immer öfter zieht es namhafte Filialisten, insbesondere aus der Textilbranche, nicht nur in die klassischen Center- oder Innenstadtlagen, sondern auch in verkehrsgünstig gelegene hybride Malls. Der Trend ist nicht zu unterschätzen, denn mit einem Anteil von 37 Prozent am gesamten Flächenumsatz war die Textilbranche laut JLL im vergangenen Jahr Spitzenreiter unter den Mietern im Einzelhandel. Dabei hat die wachsende Beliebtheit von Fachmärkten bei Branchen wie dem Textileinzelhandel gute Gründe. Denn im Vergleich zu den Top-Lagen vieler Innenstädte und Einkaufszentren bieten hybride Malls passende Flächen zu attraktiven Konditionen.
Gerade Marken aus den Bereichen Mode, Schuhe und Sport nutzen daher die Chance, weiter zu expandieren und möglicherweise neue Kundenpotentiale zu erschließen. Damit befindet sich die Textilbranche in guter Gesellschaft. Denn mittlerweile suchen viele Marken, die bisher nur in klassischen Shopping Centern zu finden waren, zunehmend größere Flächen in einer Spanne von 3.000 bis 5.000 Quadratmetern, die in Bestandszentren nur vereinzelt zu finden sind. Die Vermietungszahlen aus dem Jahr 2015 spiegeln den Trend deutlich wider: Laut der Studie entfielen im vergangenen Jahr 13 Prozent und damit insgesamt 300.000 Quadratmeter der Vermietungsabschlüsse im Einzelhandel auf die Großflächenkategorie ab 1.000 Quadratmetern. Diese Flächengrößen können in der Regel problemlos in hybriden Malls durch die Umnutzung nicht mehr benötigter Ankermietflächen, wie z.B. Baumärkte, etabliert werden.
Überregionale Ausstrahlung ist wichtig
Ein weiterer Vorteil aus Sicht der Händler ist die Ausrichtung der hybriden Betriebstypen auf den motorisierten Individualverkehr mit optimaler Erreichbarkeit und einer ausreichenden Anzahl an kostenlosen Parkplätzen. Ziel ist das „one stop shopping“ analog zu anderen Anbietern. Dazu gehört vor allem, dass die Kunden ihre verschiedenen Einkäufe und Erledigungen bündeln und dabei aus einem großen Angebot wählen können.
Eine Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es den hybriden Malls gelingt, sich als ein überregional bedeutsames Kompetenzzentrum zu positionieren, das ein überzeugendes Angebot für alle Altersgruppen bereithält. Für Strategien wie diese ist jedoch ein hohes Maß an Expertise im Management der jeweiligen Einzelhandelsimmobilien erforderlich.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2016