Nachhaltige Transformation oder zyklische Krise?
Auf dem Sachwerte Kolloquium 2023 in München habe ich einen Vortrag zu diesem Thema gehalten. Aufbauend auf dem Vortrag wird in diesem Beitrag die aktuelle Entwicklung dargestellt und ein Ausblick auf die kommende Entwicklung gegeben.
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen
Deutschland als die größte Volkswirtschaft Europas hatte schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine ökonomische Probleme. Anders als in anderen Industrieländern folgte auf die Coronakrise keine durchschlagende Erholung, sondern nur eine schleichende. Erst im Spätsommer 2022 und damit später als in fast allen anderen vergleichbaren Volkswirtschaften hat Deutschland das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Der Hauptgrund dafür ist, dass Deutschland einen hohen Außenhandelsanteil hat. Weil aber viele Produkte während der Pandemie im Stau auf den Weltmeeren feststeckten und nicht in den Unternehmen ankamen, konnten Industrieunternehmen ihre Aufträge nicht erfüllen.
Dieser Angebotsschock führte zu steigenden Preisen. Die Lieferkettenprobleme waren nicht zu Ende, sie wurden von dem russischen Angriff verstärkt. Die Unternehmen müssen zum Teil sehr hohe Energierechnungen bezahlen und auch die Zinsen sind erhöht worden, was insgesamt die Investitionen der Unternehmen bremst. Auch die Privathaushalte sind betroffen: sie müssen mehr für die Energie bezahlen und verringern damit ihre Nachfrage.
Für die kommenden Quartale kann es zu einer Stagnation der Wirtschaft kommen, auch wenn Statistiker teilweise von einer „technischen“ Rezession sprechen. Die Krisen der letzten Jahre haben ihre volkswirtschaftlichen Auswirkungen und bremsen die Wachstumsperspektiven.
Immobilienwirtschaft
Zu Beginn des neuen Jahrzehnts war die Immobilienwirtschaft und ihre Akteure geprägt von der boomenden Entwicklung des vergangenen 2010er Jahrzehnts. Auch wenn es schon einige kritische Stimmen gab, die auf den zyklischen Charakter der Immobilienwirtschaft hinwiesen, wurde überwiegend von einem „ewigen“ Boom ausgegangen.
Die COVID-19-Pandemie wurde zunächst nur am Rande registriert und nur geringe Folgen für die Immobilienwirtschaft erwartet. Die Folgen für die Immobilienwirtschaft wurden aber von ihr selbst als gering eingestuft. Als nächstes folgte der Ukraine-Krieg. Die Folgen für die Immobilienwirtschaft wurden auch hier zunächst nur begrenzt gesehen.
Das Ende des Booms in der Immobilienwirtschaft setzte mit dem starken Zinsanstieg ein. Schon im Jahr 2021 kam es zu einem leichten Anstieg der Bauzinsen, während die EZB im Juli 2022 erstmalig seit elf Jahren den Leitzins erhöhte. Auch hier wurde die Entwicklung teilweise zunächst nicht kritisch gesehen, jedoch wandelte sich das im Laufe der Zeit. Der Anstieg der Leitzinsen hatte drastische Folgen für die Bauzinsen. Es kam zu einer Vervierfachung dieser Zinsen. Zugleich hat sich der kurz- bis mittelfristige Ausblick vor allem angesichts der schwachen Konjunktur verschlechtert und es zeichnet sich eine zyklische Krise ab. Nach einer Periode von Unsicherheit und Anpassungen ist aber wieder mit einem Aufschwung zu rechnen, da sowohl die fundamentalen Daten als auch die finanzwirtschaftlichen Bedingungen nicht so negativ sind.
1.1 Immobilienmärkte
Auf den Immobilien-Investmentmärkte haben sich die Investoren angesichts der Krisen zunächst zurückgehalten. Die 2010er Jahre waren geprägt von einem Anlagenotstand aufgrund der niedrigen bzw. negativen Zinsen wiesen Immobilien einen massiven Renditevorsprung auf. Das machte Immobilien zu einem begehrten Asset.
Insbesondere der starke Zinsanstieg, der die Investition verteuerte, hat seit dem zweiten Quartal 2022 deutliche Folgen. Der Renditevorsprung der Immobilien schmolz dahin, sodass die Nachfrage nach Immobilien zurückging. Die Ungewissheit über die weitere Preisentwicklung hat sowohl die Anbieter als auch die Nachfrager stark verunsichert und zu entsprechender Zurückhaltung geführt. Die Anzahl der Transaktionen ist rückläufig. Der Markt wird sich bei anderen Preisen und Renditen sicherlich neu finden.
Auf den Büroimmobilienmärkten gibt es Bremsspuren, aber keinen realwirtschaftlichen Einbruch. Die Nettoabsorption stieg in den vergangenen Quartalen jeweils noch leicht an. Die Unternehmen reagieren auf die Herausforderung des Homeoffice – wenn überhaupt – erst mit einer Verzögerung, da zum einen die Entwicklung des mobilen Arbeitens unsicher ist und zum anderen Flächen nicht so schnell freigezogen werden können. Die Leerstände sind stärker gewachsen, da bei einer schwach positiven Nachfrage (Nettoabsorption) sehr viele Flächen fertiggestellt wurden. Die Spitzenmieten steigen weiter an, da sie auch auf die höheren Bau- und Zinskosten reagieren.
Die Einzelhandelsimmobilien sind von den Investoren vor allem in den Shoppingcentern und den 1A-Lagen nicht mehr gefragt. Insbesondere die durch Corona ausgelösten deutlich höheren Umsätze im E-Commerce haben die Mieten in diesen Bereichen nicht mehr steigen lassen. Auch die Leerstände sind jetzt in den 1A-Lagen gewachsen und das verunsichert die Investoren. Sie halten sich mit Investments zurück. Die Miet- und Preisentwicklung hat sich teilweise ins Negative gekehrt. Die Preise sinken lt. dem Verband der Pfandbriefbanken seit einigen Quartalen deutlich und liegen heute um 20 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2017, was dann aber wieder andere Investoren als Einstiegsszenario sehen.
Auf den Wohnungsmärkten waren zu Beginn des Jahrzehnts zunächst keine negativen Veränderungen festzustellen. Mieten sind zunächst weiterhin leicht angestiegen und die Preise deutlich stärker. Durch den sehr starken Anstieg der Bauzinsen hat sich eine neue Situation eingestellt. War auf den Wohnimmobilieninvestmentmärkten in den letzten Jahren nur die Frage, wie stark die Preise ansteigen, ist heute die Lage eine deutlich andere: wie stark werden die Preise sinken. Auf den Vermietungsmärkten, insbesondere in den Großstädten, ist jedoch weiterhin eine Knappheit gegeben. Somit ist mittelfristig mit weiteren Mietsteigerungen trotz der Preisreduzierungen zu rechnen.
2 Ausblick
Die nur aufwärts gerichtete Entwicklung des letzten Jahrzehnts hat die Marktteilnehmer darüber hinweggetäuscht, dass es sich bei der Immobilienwirtschaft und den Immobilienmärkten um eine sehr zyklische Branche handelt. Nicht umsonst ist der Begriff „Immobilienzyklus“ in der Volkswirtschaftslehre sehr verbreitet.
In diesem Jahrtausend kamen die Impulse für den jeweiligen Aufschwung von der Geldpolitik der Zentralbanken. Durch deren ultra-expansives Agieren bei der Liquidität und den Leitzinsen sanken die Zinsen für die Finanzierung von Immobilien und auch Immobilien wurden als alternative Assets sehr attraktiv.
Die Krisen in diesem Jahrzehnt hatten zunächst nur geringe Auswirkungen für die Immobilienwirtschaft und die -märkte. Eine Zäsur hat aber die Geldpolitik gebracht: hier waren es die Zinsanhebungen, die vor allem aufgrund der Schnelligkeit des Anstiegs, zu einer Neuorientierung führten. Es handelt sich jedoch dabei nicht um eine nachhaltige Transformation, also eine völlig neue Situation, sondern vielmehr um eine zyklische Bewegung. Die nicht unbegründete Erwartung ist, dass es zumindest mittelfristig wieder aufwärts gehen wird.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Institut für Immobilienökonomie, Lüdinghausen
Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2023