Nachhaltigkeit bei der Hotelwahl.
An kaum einem anderen Ort prallen so viele scheinbar unvereinbare Anforderungen aufeinander wie im Mikrokosmos Hotel. Geschmackvoll designt soll es sein, außen wie innen. Erstklassiger Komfort wird ebenso erwartet wie eine hochmoderne technische Ausstattung, eine schmackhafte Küche und ein möglichst breites Angebot an Well- und Fitnessmöglichkeiten. Einhergehend mit einem wachsenden gesellschaftlichen Umweltbewusstsein stellen immer mehr Gäste zudem hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeit des Hauses ihrer Wahl.
Um als Hotelier im Wettbewerb zu bestehen, tut man gut daran, diese vielfältigen Anforderungen unter einen Hut zu bekommen. Jedoch ist ein Hotel keine Wohltätigkeitseinrichtung, in erster Linie muss die Rendite stimmen und das Gebäude wirtschaftlich betrieben werden. Stolpersteine – so scheint es – werden Hotelbetreibern dabei durch neue gesetzliche Regelungen wie etwa die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2014 oder die Erhöhung der EEG-Umlage in den Weg gelegt.
All diese verschiedenen Facetten zu vereinen, mutet ähnlich realistisch an wie die Quadratur des Kreises. Dabei bietet ein Neu- und je nach Gegebenheiten auch ein Umbau die Chance, Nachhaltigkeitsthemen komplett neu zu denken und eine Immobilie auf den Weg zu bringen, die alle Anforderungen erfüllt. Ein attraktives, komfortables Gebäude mit durchdachten Prozessen, geringem Energieverbrauch und einer langfristig gesicherten Wirtschaftlichkeit ist keine Utopie. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, müssen Bauherren, Investoren und Betreiber jedoch einiges beachten – und das bevor der Planer zum ersten Mal den Stift auf das Papier setzt oder gar ein Bauarbeiter Hand anlegt. Es gilt vielmehr, den Betrieb des Hotels gedanklich vorwegzunehmen und dessen Nachhaltigkeitsfaktoren bereits in die erste Planungsphase zu integrieren. Mit Heizung, Lüftung, Kühlung und Wasserverbrauch befinden sich die Einsparpotenziale im Hotel mehr als bei jeder anderen Immobilie im Betrieb. Das persönliche Nutzerverhalten in Bezug auf Energiesparen ist so heterogen wie die Gäste selbst, sodass die Lösung im bautechnischen Bereich und im Facility Management liegt. Oft werden diese Möglichkeiten, Betriebskosten zu senken noch wenig beachtet. Betreiber haben vielmehr die die Personalkosten im Fokus, da diese die Betriebskosten in sehr hohem Maß mitbestimmen. Tiefer in die Tasche greifen müssen die Gäste dafür nicht, die meisten Optimierungsmaßnahmen amortisieren sich binnen kurzer Zeit. Gäste sind sogar bereit, für ein nachhaltig handelndes Hotel mehr zu bezahlen. Ende 2011 hat eine Studie von Accor ergeben, dass 70 Prozent seiner Hotelgäste zu Mehrausgaben für Nachhaltigkeit in Kauf nehmen würden.
Zusammengefasst benötigt ein Hotel eine ausgewogene, durchdachte Balance von Ökonomie, Funktionalität, Prozessqualität, Ökologie, Architektur und Wohlfühlfaktoren – den sogenannten blue way. Und all diese Kriterien müssen bereits in der ersten Planungsphase bekannt sein, um nicht während des Bauens – oder im Worst Case – nach der Inbetriebnahme eine Verschiebung zu Lasten einzelner Faktoren festzustellen und diese dann teuer beheben zu müssen, später eröffnen zu können oder Gäste zu verlieren.
Mit jeder Anforderung wird ein Bauvorhaben komplexer. Entscheidend ist, in den Stufen Beraten, Planen, Bauen und Betreiben richtig zu agieren. Zielgerichtet planen und steuern lassen sich Hotelprojekte daher nur dann, wenn neben den Bauherren, der die Nutzeranforderungen kennt, und Architekten auch alle Fachplaner, Facility Manager sowie Energiedesigner zu einem sehr frühen Zeitpunkt miteinander kommunizieren und die Planung in ständigem Austausch miteinander aufsetzen. Die Ergebnisse werden in einem digitalen Planungsmodell dokumentiert und fortgeschrieben, auf das jeder Beteiligte Zugriff hat, damit Änderungen sofort die notwendigen Konsequenzen aus den anderen Fachgebieten nach sich ziehen. Diese – in der Fachsprache Building Information Modeling (BIM) genannte – Herangehensweise ermöglicht darüber hinaus eine 3D-Visualisierung, die bereits vor dem eigentlichen Bau das fertige Gebäude digital sichtbar macht. Für den Bauherrn verbessert der richtige Einsatz von BIM die Qualität, die Wirtschaftlichkeit und die Terminsicherheit.
Frierende Gäste sind für den Hotelier der Supergau, doch zu warm sollte es in den Gemäuern auch nicht werden. Energieeffizienz und -erzeugung gehören daher zu den wesentlichen Stellhebeln für einen nachhaltigen und wirtschaftlichen Hotelbetrieb. Beispielsweise verbraucht der Wellness- und Spa-Bereich oft bis zu 30 Prozent der gesamten Heizenergie. Dabei lassen sich gerade in diesem Bereich mit der nötigen Kreativität und modernen Technologien erhebliche Einsparungen realisieren, ohne eine Auswirkung auf den Komfort der Gäste befürchten zu müssen. Eine Möglichkeit ist es beispielsweise, Außenpools in den Zeiten, in denen sie nicht genutzt werden, automatisch abdecken zu lassen, oder eine Nachtabsenkung in einzelnen Bereichen zu installieren. Oft bietet es sich auch an, Abwärme die in anderen Bereichen – beispielsweise in der Wäscherei oder im Technikraum – entsteht, zum Heizen der Wellnessbereiche zu nutzen. Darüber hinaus lassen sich Klimaanlagen mit den Balkon- und Terrassentüren koppeln, sodass diese automatisch abschalten, wenn diese Türen geöffnet sind.
Einen Schritt weiter geht die Methode, einen Teil der notwendigen Energie gleich inhouse zu produzieren – und sich somit ein Stück weit von den Lieferanten und ihren Preisen unabhängig zu machen. Mit Solarthermie, Holzschnitzelanlagen in eigenen Blockheizkraftwerken (BHKWs) und Erdwärme kann ein Löwenanteil an Energie selbst produziert werden, Fernwärme wird ergänzend hinzugezogen.
Wasser soll gespart werden, wenn jedoch aus der Dusche nur ein müdes Rinnsal fließt, ist das für den Hotelbetrieb kontraproduktiv. Dabei sind heute durchaus Duscharmaturen auf dem Markt, die 12-15 Liter Wasserverbrauch/Minute statt der herkömmlichen 24-30 Liter verbrauchen. Dank erhöhtem Wasserdruck geht dies ohne eine spürbare Verschlechterung für den Duschenden vonstatten. Damit wird nicht nur der Wasserverbrauch reduziert sondern auch die Wärmeerzeugung geschont. Rechnet man die Einsparungen auf die Anzahl der Zimmer hoch, lohnt es sich meist, die vom Designer vorgeschlagenen klassischen Armaturen zu hinterfragen und ein nachhaltigeres Fabrikat zu wählen. Kurz vor der Silvestergala mit eingeschäumten Haaren unter der Dusche zu stehen und auf einmal nur noch kaltes Wasser zur Verfügung zu haben, ist der Worst Case für jeden Gast und Hotelbetreiber. Daher muss auch dann wenn alle gleichzeitig duschen eine zuverlässige Warmwasserversorgung vorgehalten werden. Aber auch hier gibt es Optimierungsoptionen, beispielsweise kann in dieser Zeit der Wellness- und Spabereich heruntergefahren werden. Weitere Optionen gründen beispielsweise in mit Regenwasser gespeisten Toiletten.
Zu jeder Zeit warmes Wasser – ohne hohe Energiekosten. © Andermatt Swiss Alps
Noch immer unterschätzt werden die Einsparpotenziale, die LED-Beleuchtungen generieren. Blickt man auf den Erstinvest mag diese Ausgabe hoch erscheinen. Allerdings haben LEDs eine rund sieben Mal längere Lebensdauer als Energiesparlampen und überrunden diese damit nicht nur in Sachen Energieeffizienz sondern auch in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit. Aus ökonomischer Sicht ist es zudem sinnvoll, alle Betriebsprozesse kritisch zu hinterfragen. Welche Leistungen werden Inhouse erbracht, wo ist externe Vergabe effektiver oder ressourcensparender?
Aus purem Altruismus wird kaum ein Hotelbetreiber seine Immobilie zum Vorzeigeobjekt in Sachen Ökologie machen und auch die geringeren Betriebskosten helfen ihm wenig, wenn die Gäste ausbleiben. In Zeiten permanenter Preis- und Leistungsvergleichsmöglichkeiten via Internet und einem wachsenden gesellschaftlichen Umweltbewusstsein ist es wettbewerbsentscheidend, wie die nachhaltigen Anstrengungen wahrgenommen werden. Ein ernst gemeintes Engagement ist beispielsweise anhand anerkannter Umweltsiegel zu erkennen. Green-Building-Zertifizierungen nach DGNB, LEED, BREEAM oder Minergie können das Mittel der Wahl sein, um die Nachhaltigkeit öffentlichkeitswirksam nachzuweisen. Welches das geeignete Zertifikat ist, lässt sich dabei nicht pauschal beantworten, sondern ist abhängig von der Zielgruppe, der Unternehmensstrategie sowie dem Land, in dem sich das Hotel befindet. Generell muss ein gemäß international anerkannter Standards als nachhaltig eingestuftes Haus die Einhaltung gewisser Rahmenbedingungen nachweisen. Das umfasst regelmäßig auch Aspekte wie den nach Primärenergiequellen aufgeschlüsselten Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen, Abwassermengen etc.
In Nachhaltigkeitsdebatten werden derzeit Stimmen laut, die anzweifeln, dass ein Luxus oder 5-Sterne-Haus überhaupt umweltfreundlich sein kann. Selbstverständlich haben diese Hotelkategorien einen gewissen Mehrbedarf an Ressourcen, jedoch beweisen Objekte wie das nach MINERGIE zertifizierte The Chedi in Andermatt, dass auch hier ein Maximum an Ökologie erreicht werden kann. Das Benchmarking mit vergleichbaren Betrieben derselben Kategorie zeigt dabei erhebliche Unterschiede, sodass Nachhaltigkeit der entscheidende Wettbewerbsfaktor werden kann.
Das 5-Sterne-Plus-Hotel „The Chedi Andermatt“ ist nach dem Schweizer Nachhaltigkeits-standard MINERGIE erreichtet und zeigt, dass Luxus und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. © Andermatt Swiss Alps
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Erstveröffentlichung: Hotel Design, Ausgabe 02/2014