Ein Thema mit Ausrufezeichen oder mit Fragezeichen?
Die Bundesländer greifen zunehmend stärker auf die vermeintlich stabile und planbare Einnahmequelle Grunderwerbsteuer zu. Dies erfolgt sehr differenziert, wie die künftige Spreizung der Steuersätze von 3,5 Prozent (Bayern) bis 6,5 Prozent (Schleswig-Holstein) zeigt, ein Unterschied in der Grunderwerbsteuerbelastung von 86 Prozent! Wenn man auch noch die aktuellen gesetzgeberischen Überlegungen zur Vermeidung sog. Blockerstrukturen im Falle von Grundbesitzgesellschaften (1) und die Einschränkung der Verwaltungsauffassung zur Steuerbefreiung von konzerninternen Umstrukturierungen hinzunimmt, kommt man in der Betrachtung bzgl. der Eingangsfrage leicht zur Setzung eines Ausrufezeichens.
Häufig hilft bei solchen Bewertungen ein Blick in die Gesetzeshistorie. Die Grunderwerbsteuer begann als „Urkundensteuer“ (2), noch heute findet sich die Anknüpfung an ein „Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 1) (3). Ziemlich schnell war klar, dass die Grunderwerbsteuer aber auch ein sehr wirtschafts- und sozialpolitisches Instrument war.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Gesetzgebungskompetenz für die Grunderwerbsteuer bei den Bundesländern lag, war das Grunderwerbsteuerrecht (bis 1983) durch eine große Normenvielfalt geprägt. Die politischen Absichten wurden in zahlreiche Befreiungstatbestände unter Beibehaltung eines hohen Steuersatzes gegossen. So haben die Länder angesichts des hohen Steuersatzes von 7 Prozent im Rahmen von Ländergesetzen eine Vielzahl von Befreiungen insbesondere im Bereich des Wohnungsbaus und des Wohnungserwerbs aber auch in einer Vielzahl anderer Bereiche geschaffen. Befreit war auch der Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen. Insgesamt verkam – verfassungsrechtlich problematisch – die normative Regel zur praktischen Ausnahme (4). Schätzungsweise 80 Prozent der Summe der Bemessungsgrundlagen waren von der Besteuerung ausgenommen (5).
Überspitzt formuliert konnte also die Grunderwerbsteuer in der Fassung bis 1983 kein echtes Hemmnis für Immobilientransaktionen sein. Bereits Ende der 1970er Jahre setzte eine intensive Diskussion zur Neuorientierung der Grunderwerbsteuer ein. Man diskutierte drei mögliche Varianten (6):
1. Abschaffung der GrESt 2. Abbau der bestehenden Vergünstigungen unter gleichzeitiger Senkung des Steuersatzes 3. Vereinheitlichung der GrESt-Vergünstigungen auf mittlerer Linie
Die Abschaffung der Grunderwerbsteuer wurde im Wesentlichen aus fiskalischen Gründen abgelehnt. Man hat sich gesetzgeberisch auf die zweite Lösungsmöglichkeit verständigt. 68 bundes- und landesrechtliche Gesetze und Verordnungen sowie 131 Einzelvorschriften wurden gegenstandslos; betroffen waren insbesondere Steuervergünstigungen und -befreiungen. Die Grunderwerbsteuer wurde damit wieder „zum Regelfall des Marktgeschehens“(7). Im Gegenzug wurde der Steuersatz von 7 Prozent auf 2 Prozent gesenkt, auf einen „den Grundstücksverkehr besonders wenig beeinträchtigenden Steuersatz“ (8). Insbesondere der Wegfall der Vergünstigung für Erwerb zum sozialen Wohnungsbau sowie von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen war umstritten (9).
Die grundlegenden Neuerungen zum Wegfall der Befreiungen und Senkung des Steuersatzes bedingten sich also gegenseitig mit dem Ergebnis, dass die Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer wiederbelebt wurde, man aber die Auswirkungen auf den Grundstücksmarkt im Sinne von Hemmnissen bei Immobilientransaktionen im Blick hatte und möglichst gering halten wollte. Eine erste Durchbrechung dieses Zusammenhangs wurde mit dem Jahressteuergesetz 1997 erkennbar. Die Erhöhung des Steuersatzes auf 3,5 Prozent sollte den Steuerausfall der Länder für die Nichterhebung der Vermögensteuer aufgrund des diesbezüglichen Urteils des BVerfG kompensieren. Schon damals wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 1997 kritisiert, dass das „ehedem austarierte Verhältnis von maßvollem Steuersatz und Wegfall der Befreiungsvorschriften durch Anhebung des Steuersatzes aus dem Lot geraten ist“(10).
Mit der 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform haben die Bundesländer die „Steuersatzautonomie“ erlangt, von der die Länder seitdem umfassend Gebrauch gemacht haben. Das Ergebnis sieht man derzeit sehr eindeutig: Man bewegt sich wieder auf den Steuersatz von 1983 zu – bei Beibehaltung des Grundsatzes, keine Ausnahmen von der Besteuerung zuzulassen. Sicherlich kann man nun nicht mehr von einem „den Grundstücksverkehr besonders wenig beeinträchtigenden Steuersatz“ sprechen. Vorbehaltlich einer genaueren Untersuchung des Einflusses auf den Grundstücksmarkt lassen sich einige Thesen vertreten:
Zum Ersten eine These zur Eigenkapitalbelastung: Wenn finanzierende Institute (insbesondere nach der Finanzkrise) tendenziell strengere Obergrenzen für eine Beleihung vorsehen, werden alle Erhöhungen von Anschaffungsnebenkosten, also vor allem die Erhöhung der Grunderwerbsteuer, aus dem Eigenkapital finanziert werden müssen. Wenn bei einem Eigenkapital von z.B. 40 Prozent der Anschaffungskosten die Grunderwerbsteuer statt 3,5 Prozent, d.h. 8,75 Prozent des vorhandenen Eigenkapitals, nunmehr 6,5 Prozent (demnächst Schleswig-Holstein), d.h. 16,25 Prozent des vorhandenen Eigenkapitals ausmacht, kann dies nicht ohne Folgen für die Entscheidung zum Immobilienerwerb sein.
Zum Zweiten eine These zur Renditebelastung: Ist die Zahlung der Grunderwerbsteuer noch vom Fremdfinanzierungsspielraum abgedeckt, wird sie kapitalisiert und erhöht so die laufende Liquiditäts- und Renditebelastung. Insbesondere bei einer Vermietung mit einer geringen Ausgangsrendite schlägt sich eine derart deutliche Erhöhung der Anschaffungsnebenkosten in einer zunehmenden laufenden Unwirtschaftlichkeit nieder. An dieser Stelle als Begründung für eine (dauerhafte) Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes die Verkraftbarkeit aufgrund des derzeit historischen Zinstiefs anzuführen (so die Argumentation Schleswig-Holsteins) ist fadenscheinig.
Zum Dritten eine These zur Überwälzung: Eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer schmälert in einer Verhandlungssituation den ohnehin schon engen Einigungsspielraum von zwei Vertragsparteien. Beide Parteien ermitteln bei vermieteten Immobilien ihre jeweilige Preisober- bzw. Preisuntergrenze nach Ertragswertgesichtspunkten („Vervielfältiger“, Discounted-Cash-Flow etc.). In diesem Ertragswert spielen Anschaffungsnebenkosten entweder keine Rolle. Dann mindern Anschaffungsnebenkosten betragsmäßig den Einigungsspielraum zwischen Preisuntergrenze des Verkäufers und Preisobergrenze des Käufers. Oder die Anschaffungsnebenkosten mindern wegen Kapitalisierung die jährlichen Bewirtschaftungsüberschüsse und verringern auf diese Weise den Ertragswert und somit die Preisobergrenze des Käufers. Wenn Preisgrenzen bei vermieteten Immobilien um 10 Prozent und weniger auseinanderliegen, vernichtet eine Grunderwerbsteuer von 5,5 Prozent (oder gar mehr und zuzüglich weiterer Nebenkosten für Notar und Grundbuchamt) somit bereits einen Großteil des Einigungsspielraums der Vertragsparteien.
Vor diesem Hintergrund ist es den Parteien in Immobilientransaktionen im Grunde auch nicht zu verdenken, wenn sie nach legalen (und von Rechtsprechung und Verwaltung bestätigten) Wegen suchen, die Grunderwerbsteuer bei Portfoliotransaktionen zu vermeiden. Erfahrungsgemäß ist bei Portfoliokäufen über Gesellschaftsbeteiligungen durch Paketabschlag der Einigungsspielraum ohnehin gemindert. Die Kosten einer komplizierten Ankaufsstruktur und einer Beteiligung Dritter wird vor dem Hintergrund des Markt- und Preiseinflusses der Grunderwerbsteuer trotz einer dauerhaften Komplexität hingenommen.
Den größten Einfluss hat die Grunderwerbsteuer schließlich auf konzerninterne Umstrukturierungen. Insbesondere wenn gesellschaftsrechtliche Strukturen vereinfacht werden sollen, d.h. bloße Organisationsakte ohne Marktberührung (11) vorliegen, bewirkte die Grunderwerbsteuer schon früher ein Strukturierungshemmnis. In dem Moment, in dem die Grunderwerbsteuer auch ohne Marktumsatz und ohne Liquiditätsfluss greift, belässt man es notgedrungen eher bei einer komplexen Struktur. Dies gilt naturgemäß umso mehr mit steigendem Steuersatz. Wenn seitens der Politik auf das gutgemeinte Entgegenkommen durch Schaffung der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6a GrEStG verwiesen wird, ist dem leider ein missglückter Wortlaut und das faktische Leerlaufen durch eine sehr restriktive Interpretation seitens der Finanzverwaltung entgegenzuhalten. Insbesondere die einfachste und häufigste Maßnahme zur Vereinfachung einer Konzernstruktur, die Upstream-Verschmelzung, fällt derzeit nicht in den grundsätzlichen Begünstigungsbereich des § 6a GrEStG.
Was bleibt also als Fazit? Eine aus gesetzessystematischer Sicht gelungene Reform der Grunderwerbsteuer 1983 wird in ihren gesetzgeberischen Absichten durch die Fiskalinteressen der Länder entwertet. Die Grunderwerbsteuer erlangt zunehmend den Stellenwert eines potenziellen „Deal-Breakers“ (sofern sie ihn nicht schon erlangt hat). Nur zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer werden Rechtfertigungen wie ein Ausgleich für den Einnahmeverlust aus der Vermögensteuer (1997) oder ein gesunkenes Zinsniveau (2013) herangezogen. Man darf gewiss sein, dass es im Falle eines steigenden Zinsniveaus oder einer Wiedereinführung der Vermögensteuer nicht zu einer Senkung des Grunderwerbsteuersatzes kommen wird. Die Grunderwerbsteuer ist zum „Steinbruch“ der Einnahmeverbesserung der Länder geworden; Argumente wie die Behinderung von ökonomisch sinnvollen und erforderlichen Transaktionen spielen keine Rolle mehr.
(1) Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 (Länder), BR-Drucks. 139/13, § 1 Abs. 3a GrEStG-E
(2) Tipke Die Steuerrechtsordnung, Bd II, 2003, S.1011ff)
(3) zur Rechtsentwicklung ausführlich Fischer, in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz 17. Auflage 2011, Vorbemerkungen Rn. 21 ff.
(4) Isensee StuW 1/1994, S.5
(5) vgl. Begründung des Gesetzentwurfs des BR zum GrEStG 1980, BT-Drucks. 9/251, S.1
(6) Überlegungen zur Reform des GrEStG 1979 der Bundesregierung, BT-Drucks. 8/2555, S.6
(7) BT-Drucks. 9/2114 unter I.5
(8) BT-Drucks. 9/251, S. 1 und 9/2114 unter I.5
(9) vgl. BT-Drucks. 9/251; BT-Drucks. 9/2114 unter I.2
(10) Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz 17. Auflage 2011, Rn. 90
(11) vgl. Flume, ZfbF Jg. 20 (1968), S. 90 ff.
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Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2012/2013