08.05.2023

Green Deal

Neue Chancen für Investoren

Peter Dietze-Felberg, Chefredakteur The Property Post, RUECKERCONSULT GmbH
Peter Dietze-Felberg

Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden. Dieses Ziel kann nur durch eine Vielzahl von Maßnahmen in unterschiedlichsten Bereichen erreicht werden. Diese sind mit Belastungen und Herausforderungen verbunden, bieten aber zugleich auch Chancen. Vor allem können sie einen Innovationsschub auslösen, welcher auf Jahrzehnte für Wachstumsimpulse sorgen kann. Es lohnt sich deshalb für Investoren, sich eingehender mit dem europäischen Green Deal zu beschäftigen und die Entwicklungen im Blick zu behalten.

Wenn vom europäischen Green Deal die Rede ist, meint das vor allem zwei Ziele: Zum einen haben sich alle 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) verpflichtet, Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Zum anderen wurde als entscheidender Meilenstein auf dem Weg dorthin das Ziel formuliert, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 auf ein Niveau zu reduzieren, das um 55 Prozent niedriger ist als im Jahr 1990. Es ist vor allem dieses Zwischenziel, das derzeit unter dem Schlagwort „Fit for 55“ die politische Agenda der EU und ihrer einzelnen Mitgliedsstaaten maßgeblich mitbestimmt.

Vielfältiges Maßnahmenbündel

Um Europa tatsächlich bis 2030 „fit“ für eine 55-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu machen, bedarf es koordinierter Anstrengungen in den unterschiedlichen Wirtschafts- und Lebensbereichen. Entsprechend vielfältig ist das Bündel der einzelnen Maßnahmen, die derzeit im Rahmen dieses Klimaschutzpakts umgesetzt werden oder sich aktuell in Planung befinden. Beschlüsse dazu wurden auf unterschiedlichen Ebenen gefasst, sowohl durch die Energieminister der EU-Staaten als auch durch das EU-Parlament und die EU-Kommission. Im Fokus stehen vor allem die Ausweitung des Emissionshandels und der massive Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien. So sollen künftig etwa drei Viertel aller CO2-Emissionen innerhalb der EU in den Emissionshandel einbezogen werden. Ab 2027 wird dies auch die Emissionen aus den Bereichen Wärme und Verkehr einschließen. Dazu soll ein neues Emissionshandelssystem – ähnlich dem Brennstoffemissionshandel in Deutschland – für Gebäude, den Straßenverkehr und die Nutzung von fossilen Brennstoffen in bestimmten Industriezweigen geschaffen werden. Zudem soll der Bruttoendverbrauch an Energie bis 2030 zu 45 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Damit wurde das bisherige Ziel, das für 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien von 32 Prozent vorsah, deutlich angehoben.

Ein „Booster für die Erneuerbaren“

Das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien ist groß, sowohl bei Unternehmen als auch bei Privathaushalten. Spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar 2022 und durch die dadurch maßgeblich mitverursachten Umwälzungen an den globalen Energiemärkten ist neben dem Kostenaspekt noch ein weiterer wichtiger Vorzug ins Blickfeld gerückt: Sonnen- und Windenergie können in kleinteiligeren und dezentraleren Strukturen gewonnen und genutzt werden als die bisher dominierenden fossilen Energieträger wie Erdöl und Gas. Das macht die Energieversorgung insgesamt weniger anfällig für technische Störungen, Angriffe auf Netze oder einzelne Anlagen sowie Ausfälle von Lieferanten. Bislang standen dem Ausbau der erneuerbaren Energien jedoch oft Hindernisse wie langwierige Genehmigungsverfahren oder von Partikularinteressen motivierter Widerstand gegen die Realisierung entsprechender Projekte im Weg. Das soll sich künftig ändern. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck bezeichnete die im Rahmen des Klimaschutzpakets „Fit for 55“ gefassten Beschlüsse als „Booster für die Erneuerbaren“, den man auf den Weg gebracht habe und womit der Ausbau von Sonnen- und Windkraft in den kommenden Jahren EU-weit massiv beschleunigt werde. Dies mache schneller unabhängig von russischem Gas und helfe gleichzeitig, die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen, so der Minister. Wenn es gelingt, den Ausbau erneuerbaren Energien wie geplant zu erleichtern und zu beschleunigen, dann dürfte das auch die Attraktivität dieses Segments für Investoren deutlich erhöhen.

Vorranggebiete im Fokus

Ein wesentlicher Schritt in diesem Zusammenhang sind Änderungen der entsprechenden EU-Richtlinie, die unter anderem eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren in Vorranggebieten ab 2023 vorsehen. Erneuerbare Energien und die zu ihrer Nutzung erforderliche Netzinfrastruktur werden nunmehr als überwiegendes öffentliches Interesse anerkannt, und eine Strategische Umweltprüfung findet nur noch auf Projekt- und Planungsebene statt. Für den Bau von Solaranlagen auf Gebäuden sollen die Genehmigungsverfahren ebenso verkürzt werden wie für die Installation von Wärmepumpen. Zudem soll es einfacher möglich sein, bestehende Anlagen gegen neuere und leistungsstärkere Technik auszutauschen. Die Anerkennung deutscher Wind-Vorranggebiete als „Go-to-Areas“ auf EU-Ebene geht einher mit der schnelleren Genehmigung von Windenergieprojekten in diesen Gebieten. Insbesondere für institutionelle Investoren mit langfristigem Anlagehorizont dürften sich hier in den kommenden Jahren zahlreiche Möglichkeiten ergeben, am Ausbau der erneuerbaren Energien mitzuwirken und zugleich daran wirtschaftlich zu partizipieren. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für den Gebäudesektor, wo die zur Erreichung der Klimaziele notwendigen Innovationen ohne privates Investitionskapital ebenfalls kaum erreichbar sein dürften. Hier bedarf es aufseiten der Politik aber offenbar einer realistischeren Sichtweise als bislang erkennbar: Wer den Primär- und Endenergieverbrauch im Gebäudebestand in einem von massiv steigenden Baupreisen geprägten Umfeld nachhaltig senken will, muss dafür auch verlässliche Rahmenbedingungen schaffen und Förderungen bereitstellen, da die Kostensteigerungen vor allem im Wohnimmobilienbereich nicht oder nur zu einem relativ geringen Teil auf die Mieter umgelegt werden können.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von The Property Post
Erstveröffentlichung: The Property Post online und print im Mai 2023

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