Aktuelle Trends und Perspektiven
Die Immobilienmärkte Ostdeutschlands gewinnen immer klarere Konturen. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung Deutschlands war ihre Entwicklung noch stark durch den Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft und die damit verbundenen Begleiterscheinungen, aber auch durch Subventionen und eine teilweise erhebliche Fehlallokation von Investitionskapital geprägt. Heute, gut ein Vierteljahrhundert später, hat sich dies deutlich geändert. Es dominieren zunehmend ähnliche Trends, wie sie auch in den übrigen Regionen Deutschlands zu beobachten sind. Das bedeutet vor allem, dass regionale Wachstumszentren rund um die großen Städte sowohl in demografischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Ansiedlung von Unternehmen eine beträchtliche Anziehungskraft entwickelt haben, während andere Regionen mit einer abnehmenden Bevölkerung und damit zugleich auch mit Schwächen der lokalen Wirtschaftsstruktur kämpfen.
Die im Rahmen der Erstellung des alljährlich von der TLG IMMOBILIEN AG herausgegebenen Marktreports „Immobilienmärkte Berlin und Ostdeutschland 2016“ analysierten Daten und Fakten vermitteln einen Überblick über diejenigen Standorte in Ostdeutschland, deren Gewerbeimmobilienmärkte Investoren aktuell interessante Chancen bieten, und über die spezifischen Einflussfaktoren, die die lokalen Marktentwicklungen bestimmen.
Berlin fährt auf der Überholspur
An erster Stelle steht dabei Berlin, und dies nicht nur, weil die Bundeshauptstadt die mit Abstand größte Metropole im Osten Deutschlands ist, sondern vor allem wegen der überdurchschnittlichen Wachstumsdynamik, die hier festzustellen ist. Hatten die Berliner Gewerbeimmobilienmärkte, insbesondere der Büromarkt, lange Zeit unter Angebotsüberhängen und einer eher schwachen wirtschaftlichen Entwicklung des Standortes zu leiden, so hat sich in den zurückliegenden 10 Jahren ein fundamentaler Trendwechsel vollzogen. Die Wirtschaft Berlins hat sich längst stabilisiert und wächst inzwischen deutlich. Allein im Jahr 2015 fiel das Wirtschaftswachstum in Berlin mit drei Prozent fast doppelt so hoch aus wie im Bundesdurchschnitt. Das macht sich inzwischen auch am Arbeitsmarkt bemerkbar. Mit 9,7 Prozent war die Arbeitslosenquote zwar im Vergleich zu anderen Wirtschaftszentren Deutschlands im August 2016 immer noch relativ hoch, doch hat sich die Zahl der Erwerbstätigen in Berlin zuletzt deutlich erhöht. Mit rund 1,85 Millionen Menschen gab es 2015 in Berlin so viele Erwerbstätige wie seit 1991 nicht mehr. Die positive Arbeitsmarktentwicklung wiederum sorgt für Kaufkraftzuwächse und stimuliert so den Konsum. 2015 belief sich die Kaufkraft pro Kopf auf knapp 20.300 Euro, was einer Steigerung um 2,6 gegenüber dem Vorjahr entsprach. Die immer solideren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass Berlin, einst Sorgenkind vieler international tätiger Investoren, mittlerweile als einer der Top-Investitionsstandorte in Europa gilt. Das kommt nicht nur in den bei Attraktivitätsrankings erreichten Platzierungen zum Ausdruck, sondern schlägt sich auch deutlich in der Entwicklung der Investitionsvolumina nieder. So wechselten 2015 in Berlin Gewerbeimmobilien mit einem Gesamtwert von rund 8,3 Milliarden Euro den Besitzer. Ein solch hohes Transaktionsvolumen war noch nie zuvor in einer deutschen Stadt erreicht worden.
Deutlicher Anstieg der Bürobeschäftigtenzahl
Der Büromarkt profitiert aktuell stark von der Entwicklung der Bürobeschäftigtenzahl, die in Berlin seit 2010 kontinuierlich ansteigt. Im Jahr 2015 waren berlinweit insgesamt rund 556.000 Personen und damit 2,9 Prozent mehr als im Vorjahr im Bürobereich beschäftigt. Einer der wichtigsten Wachstumstreiber sind dabei junge und innovative Unternehmen. Mit durchschnittlich 28 neu geschaffenen Arbeitsplätzen pro Start-up behauptet Berlin deutschlandweit klar die Spitzenposition. Auch die wachsende Zahl von Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor wirkt sich positiv auf die Büroflächennachfrage aus. Insgesamt belief sich der Büroflächenumsatz in Berlin 2015 auf etwa 848.000 Quadratmeter, wovon ein großer Teil auf innerstädtische Büros in den Bezirken Mitte und Kreuzberg entfiel, in denen auch die stärksten Bauaktivitäten zu verzeichnen waren. Besonders hervorzuheben sind hier vor allem das Areal der Europacity in Berlin-Mitte sowie der Teilmarkt Mediaspree im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wo es ebenfalls zu bedeutenden Anmietungen kam. Die Divergenz zwischen Nachfrage- und Angebotsentwicklung hat die Leerstandsrate bei Berliner Büroimmobilien 2015 auf nunmehr 3,8 Prozent absinken lassen; im Vorjahr waren es noch 1,2 Prozentpunkte mehr gewesen. Angesichts dieser Entwicklungen hat auch das Interesse von Investoren am Erwerb von Berliner Büroimmobilien nochmals zugenommen, und mit rund 4,45 Milliarden Euro entfiel mehr als die Hälfte des Rekordtransaktionsvolumens von 2015 auf Immobilien dieser Nutzungsart. Die hohe Nachfrage führt allerdings inzwischen auch zu nachgebenden Nettoanfangsrenditen. Diese lagen 2015 in den zentralen Teilmärkten bei 4,1 Prozent und damit um 0,5 Prozentpunkte niedriger als im Jahr zuvor. In dezentralen Lagen lagen die Nettoanfangsrenditen zwar mit sechs Prozent noch höher, doch entsprach auch dies im Vorjahresvergleich einem Rückgang um einen halben Prozentpunkt. Die Mietpreise im Spitzensegment zogen spürbar an und lagen 2015 mit 24,30 Euro/m² um acht Prozent über Vorjahresniveau. Nach einer aktuellen Erhebung des Analysehauses bulwiengesa ist davon auszugehen, dass die Zahl der Bürobeschäftigten in Berlin auch künftig weiter steigen wird – allein bis zum Jahr 2020 um rund 62.000 Personen. Veranschlagt man für jeden Bürobeschäftigen einen Flächenbedarf von rund 20 bis 25 Quadratmetern, dann ergibt dies einen Mehrbedarf von bis zu 1,6 Millionen Quadratmetern Bürofläche. Um diesen Bedarf decken zu können, müssten in Berlin also innerhalb der nächsten vier Jahre rund dreimal so viel Bürofläche neu entstehen, wie derzeit am Potsdamer Platz und am Leipziger Platz zusammen vorhanden sind.
Berliner Einzelhandelsmarkt profitiert vom Wirtschaftswachstum
Das günstige gesamtwirtschaftliche Umfeld, insbesondere die stabile Arbeitsmarktsituation, die steigende Beschäftigung, die positive Einkommensentwicklung und die wachsende Kaufkraft, haben dem Berliner Einzelhandel deutliche Umsatzzuwächse beschert. So lag der Einzelhandelsumsatz 2015 um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahres und der Umsatz pro Einwohner bewegte sich mit rund 6.140 Euro deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Die guten Einzelhandelskennzahlen wiederum wirken sich positiv auf die Vermietungs- und Investmentaktivitäten im Einzelhandelsimmobiliensegment aus. Sowohl mit dem Flächenumsatz von 42.000 Quadratmetern als auch mit einem Transaktionsvolumen von rund 2,1 Milliarden Euro positionierte sich der Berliner Einzelhandelsimmobilienmarkt 2015 deutschlandweit auf dem ersten Rang. Der anhaltende Druck auf die Renditen war in den zentralen Lagen besonders stark zu spüren, wo es zu einem Rückgang bis auf 3,9 Prozent kam. Die Mieten für Einzelhandelsflächen stiegen weiter an, in der Spitze bei größeren Flächen sogar um bis zu 19 Prozent.
Berlin baut Spitzenposition im Tourismus weiter aus
Obwohl Berlin schon seit einigen Jahren als führende Destination für Städtereisen in Deutschland und als eine der wichtigsten Tourismusmetropolen in Europa gilt, konnte die Stadt ihre Spitzenposition 2015 nochmals ausbauen. Mit mehr als über 30 Millionen Übernachtungen und 12 Millionen Ankünften wurden neue Rekorde erzielt. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Hotelmarkt-Kennzahlen wider, insbesondere in der steigenden Bettenauslastung. Seit 2010 kam es zu einer Belegungszunahme um 12 Prozent, parallel dazu stiegen der Durchschnittszimmerpreis (ADR) von 2010 bis 2015 um acht Prozent und die Zimmererlöse (RevPAR) sogar um 21 Prozent. Dies wiederum motiviert Investoren verstärkt zu Engagements am Berliner Hotelmarkt. Und mit einem Transaktionsvolumen von 650 Millionen Euro wurde auch in diesem Segment 2015 ein neuer Berliner Höchstwert verzeichnet. Unter den Top-7-Standorten lag Berlin damit an zweiter Stelle hinter München.
Ostdeutsche Städte entwickeln sich zu unverzichtbaren Regionalzentren
Die dynamische Entwicklung in Berlin geht dabei nicht zulasten der anderen ostdeutschen Wachstumszentren. Vielmehr gelingt es ostdeutschen Regionen wie Dresden, Leipzig, Rostock, Erfurt und Potsdam in immer stärkerem Maße, sich zu eigenständigen Wachstumstreibern der deutschen Wirtschaft zu entwickeln. Inzwischen ist dieser Trend auch an den lokalen Arbeitsmärkten angekommen. Ende 2015 waren die Arbeitslosenzahlen in den fünf genannten Städten erstmals seit 1992 einstellig. Dabei lag die Arbeitslosenquote in Potsdam mit 6,9 Prozent und in Dresden mit 7,7 Prozent auch im gesamtdeutschen Vergleich besonders niedrig. Dazu kommt ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum, das mittlerweile in diesen Städten zu beobachten ist. Den höchsten nominalen Anstieg der Einwohnerzahl gab es 2015 in Leipzig, wo die Bevölkerung binnen eines Jahres um knapp 13.000 Personen zunahm. In der sächsischen Messestadt nahm auch die Zahl der Bürobeschäftigten in den letzten Jahren besonders stark zu, allein von 2011 bis 2015 um 12,9 Prozent. Die positive Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung in den genannten fünf Städten führt auch zu einer höheren Nachfrage nach Büroflächen. Angesichts des vergleichsweise niedrigen Mietniveaus und der daraus resultierenden relativ geringen Neubauaktivitäten führt dies zu einem spürbaren Abbau von Leerständen. Ungeachtet des zu beobachtenden Aufschwungs finden Investoren an den Büromärkten dieser Städte jedoch noch immer ein relativ hohes Niveau der Mietrenditen vor.
Kaufkraft und Einzelhandelsmieten steigen
Mit Ausnahme von Erfurt hat die Kaufkraft seit 2014 in allen untersuchten Städten zugenommen. Dabei konnte Potsdam im Jahr 2015 als erste ostdeutsche Stadt mit einem Kaufkraftindex von 99 nahezu den Bundesdurchschnitt erreichen und die Bundeshauptstadt Berlin sogar um fast drei Indexpunkte übertreffen. Der Einzelhandelsumsatz pro Kopf sowie die Einzelhandelszentralität blieben in den ostdeutschen Städten 2015 relativ stabil. Die Mieten für Einzelhandelsflächen wiesen insgesamt eine positive Tendenz auf. Hervorzuheben sind dabei Leipzig und Rostock mit Steigerungen der Spitzenmieten für Einzelhandelsflächen bis 100 Quadratmeter um acht beziehungsweise sechs Prozent. Bei größeren Objekten mit Flächen von etwa 150 Quadratmetern an aufwärts stiegen die Spitzenmieten dort sogar um elf beziehungsweise 18 Prozent.
Tourismus in Ostdeutschland wächst weiter
Die positiven Beschäftigungs- und Wachstumsimpulse in den ostdeutschen Städten sind nicht zuletzt auch auf ihre touristische Attraktivität zurückzuführen. Schon seit Jahren ziehen die fünf untersuchten Städte Dresden, Leipzig, Rostock, Erfurt und Potsdam immer mehr Touristen an und auch die Zahl der in- und ausländischen Geschäftsreisenden nimmt immer weiter zu. Mit Ausnahme Dresdens stiegen die Übernachtungszahlen auch 2015 weiter. Die stärksten Zuwächse verzeichneten Potsdam mit knapp sieben Prozent und Erfurt mit knapp fünf Prozent. Die rege Nachfrage ließ zudem in allen Städten die Zimmerpreise und in der Konsequenz auch die Erlöse pro Zimmer steigen.
Insgesamt betrachtet, lässt sich somit feststellen, dass die Gewerbeimmobilienmärkte in den ostdeutschen Wachstumsstandorten in jüngster Zeit deutlich an Dynamik gewonnen haben. Gleichwohl standen sie bislang, abgesehen von Berlin, noch deutlich weniger im Fokus vieler Investoren als vergleichbar Standorte in anderen Bundesländern. Aus heutiger Sicht spricht jedoch viel dafür, dass sich dies immer mehr ändern wird.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von TLG Immobilien AG
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, Oktober 2016