Vorkaufsrecht bietet ausreichend Handlungsspielraum
Ein Jahr nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum gemeindlichen Vorkaufsrecht (BVerwG 4 C 1.20) erhöht die SPD in der Ampelkoalition den Druck auf die FDP, einer Neuregelung im Baugesetzbuch (BauGB) und der Schaffung eines anlasslosen gemeindlichen Vorkaufsrechtes in Milieuschutzgebieten zuzustimmen. Ziel sei es, die bisherige Verwaltungspraxis der Gemeinden zur Ausübung ihrer Vorkaufrechte in Gebieten mit einer Erhaltungssatzung auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen. Gemäß eines in Abstimmung befindlichen Referentenentwurfs zum Vorkaufsrechtsänderungsgesetz aus dem Baumministerium geht es dabei vor allem darum, die Käufer von Mietshäusern per Abwendungsvereinbarung zu einer Unterlassung von Umwandlungen in Wohneigentum für einen Zeitraum von 20 Jahren zu verpflichten. Der Bedarf für diese Änderung ist aber fraglich, sagt Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner bei der auf Wirtschafts- und Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei Bottermann::Khorrami.
Generelles Vorkaufsrecht eventuell grundgesetzwidrig
Ausgangspunkt des Gesetzesentwurfs ist die Ergänzung von Paragraph 26 / Satz 4 BauGB. Bislang galt hier der Grundsatz, dass kein gemeindliches Vorkaufsrecht besteht, wenn das verkaufte Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Baubauungsplans oder den Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und die Gebäude keine Missstände oder Mängel aufweisen. Diese Einschränkung soll in Milieuschutzgebieten künftig entfallen.
„Aus der Ergänzung folgt, dass Kommunen das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten auch anlasslos bei jeder Immobilientransaktion ausüben können.“ Aus Sicht von Uwe Bottermann ist es jedoch zweifelhaft, ob eine solche Regelung noch verfassungskonform ist. „Sollte die Änderung tatsächlich beschlossen werden, wird wahrscheinlich in einigen Jahren in Karlsruhe darüber entschieden.“ Die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht in jedem Fall ausüben zu dürfen, könne zudem sehr rasch zu einer Überforderung der Kommunen sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht führen.
Kommunen wollen eher Abwendungsvereinbarungen erreichen
In Anbetracht dieser Herausforderungen würde ein generelles Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten in der Praxis eher als Drohkulisse zur Erreichung so genannter Abwendungsvereinbarungen fungieren. „Tatsächlich ist es für Kommunen oft attraktiver, den Käufern den Verzicht auf Aufteilungen und aufwändige Modernisierungen aufzuerlegen, als selbst oder zugunsten Dritter und mit öffentlichem Geld in den Vertrag einzutreten“, sagt Bottermann. „Der Gesetzentwurf hebt diese Zielstellung hervor, in dem er erstmals explizit Inhalte für Abwendungsvereinbarungen in Milieuschutzgebieten vorsieht, zum Beispiel einen bis zu 20jährigen Verzicht auf Umwandlung in Wohneigentum.“
Priorität sollte auf Präzisierung des Milieuschutzrechtes liegen
Bezüglich dieser Einschränkung sieht Bottermann allerdings keinen Handlungsbedarf. „Die Umwandlung in Eigentumswohnungen kann in angespannten Wohnungsmärkten bereits jetzt unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt werden“, sagt der Anwalt. „Ebenso haben Kommunen schon jetzt die Möglichkeit, Genehmigungen für Vorhaben zu versagen, wenn sie eine nachteilige Veränderung bei der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung befürchten“. Sinnvoller als ein generelles Vorkaufsrecht sei die Präzisierung der Instrumente und des Anwendungsrahmens des Milieuschutzrechts im Zuge der im Bundeskoalitionsvertrag vorgesehenen Baurechtsnovelle. Hier fehlten bislang konkrete Leitlinien, was wiederum zu von Käufern und Verkäufern als willkürlich empfundenen Zuständen in einzelnen Verwaltungseinheiten geführt habe.
„Das Milieuschutzrecht ist vom Gesetzgeber als Instrument zur Unterstützung einer vorausschauenden Stadtplanung konzipiert und ausgestaltet worden. Das Vorkaufsrecht dient zur Absicherung dieser Planung, aber nicht zum Füllen vermeintlicher Regelungslücken“, sagt Bottermann. Derzeit handelten die Kommunen allerdings vor allem reaktiv und einschränkend. „Anstatt jetzt nachprüfbare Kriterien für Festsetzung von Milieuschutzgebieten und den dort durchzusetzenden Standards zu definieren, will der Gesetzgeber die Gemeinden möglichst unkontrolliert agieren lassen, mit der eigentlichen Zielrichtung, An- und Verkauf von Immobilien einschränken zu können.“
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von BOTTERMANN::KHORRAMI
Erstveröffentlichung: TPP November 2022