20.05.2015

Gekommen, um zu bleiben

Wo sich Unternehmen zuhause fühlen.

Roland Huber, Partner und Geschäftsführer, Drees & Sommer SE
Roland Huber

Attraktive Gewerbegebiete sind die Grundpfeiler einer gesunden kommunalen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund wächst auch der Konkurrenzkampf zwischen Städten und Gemeinden: Sie alle trachten danach, gesunde, zukunftsfähige Unternehmen in ihr jeweiliges Herrschaftsgebiet zu locken.

Finden investitionswillige Unternehmen jedoch nicht die richtigen Rahmenbedingungen vor, werden sie sich nicht in ansiedeln. So logisch und einfach dieser Zusammenhang ist, so komplex und vielschichtig sind seine Folgen. Zweifelsohne ist derzeit bei der Gestaltung von Business-Parks erheblicher Handlungsbedarf gegeben. In Stuttgart verlassen sogar bereits erste vermeintlich etablierte Gewerbegebiete. Freie Flächen gibt es in der Schwabenmetropole wenige, neue große Gewerbegebiete sind nicht in Sicht. Anderen Städte wiederum machen verwaiste Flächen zu schaffen. Für die Kommunen hat dies Folgen, die weit über die nächsten Jahre hinausgehen: Schließlich werden nicht nur Arbeitsplätze abgezogen, auch die Steuereinnahmen fließen künftig in andere Kassen. Der Wirtschaftsstandort gerät durch die sinkende Attraktivität in eine Abwärtsspirale. Diesen Missstand aus dem Weg zu räumen, ist Aufgabe der Politik. Ein Gewerbegebiet so zu gestalten, dass es zum Investitionsmagnet für finanzstarke Unternehmen wird, erfordert jedoch weit mehr, als nur geeignete Flächen auszuweisen.

Das Angebot bestimmt die Nachfrage

Das Gewerbegebiet der Zukunft gewinnt vor allem durch neues Denken und neue Prozesse. Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit müssen Hand in Hand gehen, wenn langfristig Unternehmen und Bevölkerung gleichermaßen zufriedengestellt werden sollen. Ansonsten wird das Areal zum Ladenhüter. Die ehemals scharfen Grenzen zwischen Arbeiten, Wohnen und Freizeit bekommen zunehmend mehr Lücken. Konzepte, die Schlafstädte auf der einen und Arbeitsstätte auf der jeweils anderen Seite der Gemarkung vorsehen, werden bald zu den Dinosauriern der Stadtentwicklung gehören.

Zu beachten gibt es dabei einiges: Beispielsweise ist Stuttgart zwar weltweit als Automobilmetropole bekannt, doch Staus und lange Anfahrtswege zur Arbeitsstätte empfindet wohl kaum jemand als erstrebenswert.  Hervorragende Verkehrsanschlüsse – dazu gehört vor allem in Ballungszentren auch die Anbindung an das Öffentliche Nahverkehrsnetz – sind für die Investoren und Betreiber ebenso eine Selbstverständlichkeit wie hochfunktionale, rentable Gebäude. Konzepte, die Arbeiten und Wohnen besser verbinden, Cafés, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten, Grünflächen, Fitnessstudios in fußläufiger Erreichbarkeit – all diese Faktoren machen ein Areal attraktiv für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gleichzeitig dreht sich in Wirtschaft und Gesellschaft längst nicht mehr alles darum, den Raumbedarf um jeden Preis zu decken. Stattdessen ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur und dem sozialen Umfeld Richtschnur des Denkens und Handelns geworden. Nachhaltig gestaltete Gewerbegebiete sind nicht zuletzt aus Imagegründen attraktiv für zukunftsorientierte Unternehmen und erweisen sich so als ein ausschlaggebender Wirtschaftsfaktor.

Knappe Kasse, hoher Standard

Bei der Neuausweisung von Gewerbegebieten gilt es, von der ersten Idee bis zur Umsetzung den vielen verschiedenen Facetten Aufmerksamkeit zu zollen. Eine tiefgehende Potenzialanalyse ist die Grundvoraussetzung für ein tragfähiges Konzept. Größere Vorhaben können – wenn der Masterplan steht – stufenweise geplant und umgesetzt werden. Fakt ist, je größer und komplexer ein Projekt und je mehr Beteiligte mit unterschiedlichen Interessen mitreden und mitentscheiden – desto schwieriger wird es, das Vorhaben zu steuern. Dennoch lassen sich auch diese Projekte erfolgreich abwickeln. Entscheidend ist, in den Stufen Beraten, Planen, Bauen und Betreiben richtig zu agieren.

Die oftmals knappen Kassen der Öffentlichen Hand und die gebotene Wirtschaftlichkeit werden oft als Hemmschuh für hochmoderne Gewerbegebiete missverstanden. Zwar wünschen sich Kommunen zeitgemäße Areale und damit verbunden starke Wirtschaftsunternehmen in der Umgebung, sind aber oft nicht in der Lage, die Investitionen im Vorfeld der Entwicklung zu stemmen und den Unterhalt zu finanzieren.

Kunden erwarten heute vor der Ansiedlung bereits ein funktionierendes und qualitativ hochwertiges städtebauliches Umfeld aus gestalteten Freiräumen, sozialen Infrastrukturen wie Kindergärten und Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Diese Voraussetzungen können oftmals nicht alleine durch eine baurechtliche Absicherung festgeschrieben werden. Abhilfe schafft ein sogenanntes Gestaltungshandbuch. Es schreibt Rahmenbedingungen fest, wie die Unternehmen ihre Flächen gestalten können. Mit einem derartigen Handbuch lassen sich auch die Qualitäten des Business-Parks in hohem Maß beeinflussen: Vorgaben für Fassaden und technische Konzepte beispielsweise sind sinnvolle Instrumente. Auf den ersten Blick mögen diese Vorgaben kontraproduktiv erscheinen – sichern aber für alle Beteiligten die zukünftige Werthaltigkeit der Entwicklung. sind die Unternehmen doch in ihrer Freiheit eingeschränkt und müssen erst mal mehr Geld in die Hand nehmen. Aber im Endeffekt ist es entscheidender, dass das Umfeld, der öffentliche Raum und die „gute Adresse“ stimmen. Wenn alle Grundstücke in der Hand eines Trägers liegen, bleiben dabei unangenehme Überraschungen aus. Zu den grundlegenden Überlegungen gehört die Frage, ob sich das Gewerbegebiet speziell an eine Branche richten soll. Hierfür braucht es zeitnah einen Ankermieter, zudem können konjunkturelle Schwankungen ein erhöhtes Risiko bedeuten.

Rosskur für den Bestand

Die Wirtschaft in der Region boomt und es gibt durchaus Interesse von Unternehmen, sich in der Gegend niederzulassen. Was jedoch tun, wenn Flächen Mangelware sind und die bereits vorhandenen Gebiete offensichtlich in die Jahre gekommen sind und im Wettbewerb nicht mehr bestehen können? Langfristige, strategische Planung ist hier gefragt: Der Bestand muss auf Vordermann gebracht werden. Mitunter entstehen durch Betriebsaufgaben freie Flächen, die neu genutzt werden können. Nachhaltigkeitsstrategien wie eine dezentrale Energieversorgung oder die bessere Nutzung von Grauwasser lassen sich jedoch auch in vorhandenen Arealen umsetzen. Fast immer gibt es Möglichkeiten, die Umgebung attraktiver zu gestalten – gerade in innerstädtischen Lagen - und Schritt für Schritt in Richtung einer Mischnutzung zugehen. Um detailliert zu erfahren, was die derzeitigen Anforderungen des Gewerbeimmobilienmarktes sind, können Unternehmen, die bereits am Standort angesiedelt sind, befragt werden. Mindestens ebenso wichtig ist es, zu analysieren, weshalb Betriebe das Gebiet verlassen.

Der Teufel steckt im Detail

Ob ein neues Gewerbegebiet ausgewiesen wird oder ein vorhandenes modernisiert. Letztendlich geht es darum, viele verschiedene Facetten zu bedenken und das Ganze wirtschaftlich umzusetzen. Heutzutage Stromtankstellen zu vergessen oder keine für die LKW der Unternehmen ausgerichteten Zufahrtswege vorzusehen, die erforderliche Anzahl an Parkplätzen zu unterschätzen – das alles sind Fehler, die eigentlich nicht vorkommen dürften. In Stadt- und Gewerbegebietsplanung erfahrene Experten zu konsultieren, reduziert derartige Risiken auf ein Minimum.

Ökonomie, Ökologie und soziale Faktoren sind Voraussetzungen für ein zukunftsfähiges Areal. Dies muss der Masterplan berücksichtigen – vor allem aber sind auch die einzelnen Immobilien nach diesen Kriterien auszurichten. Die Konzeption von Neubauten von wird demzufolge zahlreiche Merkmale unter einen Hut bringen müssen. Dazu gehören

  • Energieautarkie: Es ist keine Energiezufuhr von außen erforderlich
  • Emissionsneutralität
  • Wandelbare Hülle: Anpassung an Witterung und Lichtverhältnisse
  • Ganzheitlichkeit: Nutzraum, Energieproduzent, Stofflager
  • Flexibilität: Einfache Anpassung an verschiedene Nutzungen
  • Lokale Integration: Hülle integriert sich in die Umgebung
  • Abfallfreie Materialien: Rückbau mit Rückkehr in den Stoffkreislauf
  • Smart Technologies: Vernetzte Gebäude- und Medientechnik
  • Smart City: Integration in eine vernetzte Kommune

Bei der Planung von Gewerbegebieten muss eine ganze Palette an Faktoren berücksichtigt werden.

Der Petrisberg in Trier ist die gelungene Symbiose aus Wirtschaftsstandort, Lebensdomizil und Naherholungsgebiet.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Drees & Sommer GmbH
Erstveröffentlichung: IHK Magazin Wirtschaft, Ausgabe 10/2014