25.02.2025

Falsches Instrument Klimageld

Das Klimageld klingt sozial. In der Praxis wird es aber weder dem Klimaschutz helfen, noch den Menschen

Dr. Paul Kowitz, Partner, KPC KOWITZ Policy Consultants
Dr. Paul Kowitz

Wer Klimaschutz und Sozialverträglichkeit zusammenbringen will, kommt um das Klimageld nicht herum. Diesen Eindruck kann man haben, wenn man die Wahlprogramme von vor drei Jahren mit denen von heute vergleicht. Beim Klimageld geht es darum, den privaten Haushalten am Ende eines Jahres einen pauschalen Betrag (entweder pro Kopf oder pro Haushalt) zu erstatten für die Kosten, die im Laufe des Jahres im Rahmen der CO2-Bepreisung (beim Heizen oder beim Autofahren) entstanden sind. Die Ampelkoalition hätte das Klimageld laut ihres eigenen Koalitionsvertrages wohl längst eingeführt, wenn der deutsche Staat technisch dazu in der Lage wäre, alle seine Bürger zu erreichen. Da es aber bisher keine Verknüpfung von Steuer-ID und IBAN gibt, musste das Bundesfinanzministerium diese kleine technische Raffinesse erst noch lösen – was wohl bis Ende 2025 geschehen sein soll. Dann soll der CO2-Preiskompensation nichts mehr im Wege stehen. Doch wie sinnvoll ist so ein Klimageld überhaupt?

Was spricht für ein Klimageld?

Jeder bekommt gerne Geld, vor allem wenn es mal vom Staat kommt. Jede Steuerrückerstattung ist willkommen, so vermutlich auch eine Pauschalvergütung für CO2-Kosten. Niemand würde sich dagegen wehren. Für die Politik hat es den Vorteil, dass man Klimaschutz als soziale Angelegenheit verkaufen kann. Man betreibt eifrig Klimaschutz und kann die Bürger trotzdem „entlasten“. Wer würde auf dieses verlockende Angebot nicht eingehen?

Das Klimageld hat mit seinem Pauschalbetrag, dessen Höhe politisch noch bestimmt werden muss, außerdem eine – wie es in der Wissenschaft heißt – sozialprogressive Wirkung: Kleine Einkommen profitieren von einem Pauschalbetrag mehr als große Einkommen. Der Politik gelingt es mit der Kostenkompensation gleichzeitig auch noch, Umverteilungspolitik zu betreiben, was auch breiten gesellschaftlichen Rückhalt genießen dürfte.

Denjenigen, denen am Klimaschutz am meisten gelegen ist, werden jedoch noch ein weiteres Argument für das Klimageld ins Feld führen: Wenn die CO2-Preise steigen, könnte sehr schnell die Akzeptanz der Bevölkerung für den Emissionshandel, der die CO2-Preise auswirft, sinken. Das wäre fatal, da der Emissionshandel das vermutlich wichtigste Leitinstrument der Energie- und Klimapolitik ist – sowohl in Deutschland als auch in Europa. Man muss also, so das Argument, möglichst schnell soziale Folgen abfedern, noch bevor die Menschen die Härte eines CO2-Preises überhaupt zu spüren bekommen, um die Akzeptanz des Emissionshandels zu erhalten.

Warum das Klimageld trotzdem eine schlechte Idee ist

Bei näherer Betrachtung verliert das Klimageld jedoch an Attraktivität. Was einfach und sozial klingt, hat Ecken und Kanten:

  1. Der Emissionshandel ist kein zweites Steuersystem, das nur im Vergleich zum Original ökologisch angehaucht ist. Wer umverteilen will, sollte dafür das Steuersystem nutzen. Der Emissionshandel hat einen anderen Zweck. Beim Emissionshandel geht es darum, einen CO2-Preis zu generieren, der dafür sorgt, dass die CO2-Emissionen genau dort eingespart werden, wo es am günstigsten ist. Der Emissionshandel soll eine ökologische Lenkungswirkung haben und nicht für steuerliche oder gar sozialpolitische Wunschvorstellungen missbraucht werden.
     
  2. Ein Klimageld könnte den direkten Anreiz zur Verringerung des CO2-Ausstoßes verringern. Der Hauptzweck einer CO2-Bepreisung ist es, den CO2-Ausstoß durch Marktmechanismen zu senken, indem die Preise für umweltschädliche Produkte und Dienstleistungen steigen. Wenn die Rückvergütung in Form eines Klimageldes die steigenden Kosten ausgleicht, könnte der Druck auf private Haushalte verringert werden, ihren Energieverbrauch oder ihre Konsumgewohnheiten zu ändern. Der Eigentümer einer selbst genutzten Immobilie wird genau dann eine energetische Gebäudesanierung vornehmen, wenn der Betrieb der Immobilie durch den CO2-Preis so teuer geworden ist, dass sich selbst eine energetische Sanierung rechnet. Wird die Gastherme zu teuer, kommt die Wärmepumpe in den Keller. Ein Klimageld nimmt genau diese Lenkungswirkung, weil die ansteigenden Kosten im Gaspreis nachträglich vom Staat teilweise wieder ausgeglichen werden. Der Zeitpunkt der Umstellung auf fossilärmere Heizungstechniken wird auf Jahre verschoben, was dem Klima nicht hilft.
     
  3. Selbst wenn sich der Eigentümer doch für eine Wärmepumpe entscheidet und seinen CO2-Footprint reduziert, erhält er weiterhin das Klimageld. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob man für CO2-Emissionen verantwortlich ist oder nicht. Man erhält schlicht das Klimageld vom Staat. Daraus entsteht das, was die Wissenschaft einen „negativen Rebound-Effekt“ nennt: Das Klimageld wird schlicht in den nächsten Mallorca-Flug investiert. Ökologisch ist damit nichts gewonnen.
     
  4. Es ist auch nicht wirklich sinnvoll, einkommensstarken Haushalten ein Klimageld zukommen zu lassen. Genauso wenig entscheidend für die Auszahlung des Klimageldes die Höhe der selbst verantworteten CO2-Emissionen ist, genauso wenig entscheidend ist das private Haushaltseinkommen. Während einkommensstarke Haushalte den CO2-Preis weniger spüren, genauso wenig spüren sie finanziell die Entlastung mittels Klimageld. Hier würden staatliche Gelder mit der Gießkanne in eine Bevölkerungsgruppe verteilt, die es nicht braucht.
     
  5. Das Klimageld suggeriert, dass die einkommensschwachen Haushalte den Auswirkungen steigender CO2-Preise schutzlos ausgeliefert seien. Allein stimmt das nicht. Es gibt heute schon soziale Absicherungsinstrumente wie etwa eine im Wohngeld eingepflegte CO2-Komponente. Dass diese gestärkt werden muss bei steigenden CO2-Preisen ist keine Frage. Aber mit dem Wohngeld gibt es eben schon heute ein treffsicheres und auch etabliertes System inkl. Auszahlungswege im Rahmen der Subjektförderung.
     
  6. Am schwersten wiegt vermutlich der Umstand, dass der Klima- und Transformationsfonds (KTF), in den die Einnahmen der CO2-Bepreisung fließen und aus dem heraus das Klimageld finanziert werden würde, gerade kurz davor steht, zu implodieren. Das hat etwas damit zu tun, dass ab 2027 die CO2-Preise im europäischen Emissionshandel auf 45 Euro je zu erwerbendes Zertifikat gedeckelt sind. Damit verliert der KTF 30 Prozent seiner aktuellen Einnahmen aus der CO2-Bepreisung im Wärmemarkt. Um eine soziale Wirkung durch das Klimageld zu erzielen, müssten – und so wird es auch von einschlägigen und ernst zu nehmenden Think Tanks vorgeschlagen – alle Einnahmen aus der CO2-Bepreisung des Wärmemarktes verwendet werden. Es blieben aktuell nur 5,5 Mrd. Euro aus der CO2-Bepreisung der Industrie und Energie im KTF übrig. Das wären nur noch 25 Prozent des gegenwärtigen KTF-Volumens. Zum Vergleich: Die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG), die für alle Förderprogramme in der energetischen Gebäudesanierung steht, verausgabte im Jahr 2023 11,049 Mrd. Euro.
     
  7. Das Klimageld verhindert Investitionsanreize. Der KTF hat schlicht kein Geld, Klimageld und investive Förderprogramme gleichzeitig zu finanzieren. Investitionsanreize lösen jedoch nicht nur Vorhaben der energetischen Gebäudesanierung aus, was die CO2-Emissionen im Gebäudesektor senkt (Klimaeffekt), sondern auch Aufträge in der Wirtschaft, wie den bauausführenden Firmen im Handwerk und Baugewerbe. Über Löhne und Steuern profitiert der Staat und sichert zusätzlich Beschäftigung (Wirtschaftseffekt). All das bliebe künftig aus.
     
  8. Man mag so eigentlich gar nicht mehr argumentieren, aber die Vorbereitung zum Klimageld zeigt bereits, wie hoch der bürokratische Aufwand ist. Bevor auch nur ein Euro jemals ausgezahlt wurde, arbeitet die staatliche Administration bereits seit geschlagenen 2,5 Jahren daran, einen Auszahlungsmechanismus herzustellen, der funktioniert und keine Missbräuche entstehen lässt.

Wie soll es denn sonst gehen, wenn nicht mit einem Klimageld?

Die Politik hat sich die Antwort schon selbst gegeben. Der Emissionshandel generiert schon heute das beste Preissignal für lohnende Klimaschutzmaßnahmen. Ordnungsrecht und Pauschalvergütungen sind gar nicht notwendig. Der Emissionshandel generiert außerdem Einnahmen für den Staat. Je höher der CO2-Preis, desto höher die Einnahmen für den Staat, desto höher aber auch gleichzeitig die sozialen Belastungen. Dieses Dreieck lässt sich nur dadurch auflösen, dass die hohen Einnahmen des Staates für zielgerichtete Abfederungen sozialer Härten verwendet werden. Ein CO2-Preis von 300 Euro, statt wie aktuell von 55 Euro würde mehr als das Fünffache an Einnahme für den Staat bedeuten, mit dem ohne Weiteres Menschen unter die Arme gegriffen werden kann, ohne alle Menschen in gleichermaßen mit der Gießkanne zu bedenken. Dies ist ein Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft und sollte auch auf dem Politikfeld des Klimaschutzes nicht vergessen werden. Die ungenutzten Mittel können weiter für investive Maßnahmen verwendet werden.

Ja, ein Klimageld könnte kurzfristig eine soziale Entlastung bieten, aber langfristig könnte es die gewünschten Klimaschutzmaßnahmen und die Verhaltensänderungen bei den Verbrauchern bremsen. Es stellt sich also die Frage, ob eine pauschale Rückvergütung tatsächlich das beste Instrument ist, um sowohl die soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten als auch die notwendigen Klimaziele zu erreichen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPC KOWITZ Policy Consultants
Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2025

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