Was bedeutet die letzte Mifid-Novelle konkret?
Am August 2022 trat der letzte Meilenstein der europäischen ESG-Regulierung in Kraft: Das Thema Nachhaltigkeit bzw. ESG muss in den Vertrieb von Fondsanteilen integriert werden. Der Regulator hat damit der Immobilien- und Fondsbranche einen Knüppel zwischen die Beine geworfen, denn die Regeln für den Vertrieb sind nicht mit der bisherigen Regulierung harmonisiert. Dies führt zu verschiedenen Friktionen und Unklarheiten. Dennoch haben die Anbieter und der Vertrieb keine Wahl. In der Praxis behelfen sich die meisten Fondsanbieter mit der Aufnahme der so genannten PAIs – das sind nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsziele – in ihre Fondsdokumentation.
Dies führt zu unterschiedlichen Friktionen und Unklarheiten. Dennoch haben die Anbieter und der Vertrieb keine Wahl. In der Praxis behelfen sich die meisten Fondsanbieter mit der Aufnahme der sogenannten Principal Adverse Impact (Pais) – also nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsziele – in ihre Fondsdokumentation.
Ab dem 2. August muss das Thema Nachhaltigkeit in seinen drei Dimensionen Ökologie, Soziales und Governance (ESG) in den Vertrieb von Fondsanteilen und Finanzinstrumenten integriert werden. Dies besagt eine Novelle der Mifid – auch bekannt als Richtlinie 2014/65/EU beziehungsweise Finanzmarktrichtlinie. Wie sieht das in der Praxis aus? Vertriebe von Fonds und Finanzprodukten müssen jeden Anleger zu seinen Nachhaltigkeits-Präferenzen befragen. In der Folge dürfen ihm nur noch Produkte angeboten werden, die zu diesen passen.
Das Problem bei der Mifid-Novelle ist, dass die neuen Vorgaben nicht auf die bisherige ESG-Regulierung, wie die Offenlegungsverordnung oder die Taxonomie, abgestimmt sind. Dies bedeutet beispielsweise, dass es für bestehende Artikel-8-Fonds nach der Offenlegungsverordnung keine entsprechende Kategorie in den Mifid-Vorgaben gibt. Die Artikel-8-Fonds müssen zu sogenannten Artikel-8-Plus-Fonds upgegradet werden, wenn sie auch unter den neuen Mifid-Vorgaben als nachhaltig vertrieben werden sollen. Für die Fondsanbieter bedeutet das erheblichen Zusatzaufwand.
Vier Kategorien von Anlegern
Künftig muss der Vertrieb Anleger gemäß ihren Nachhaltigkeitspräferenzen in eine der folgenden vier Kategorien einteilen:
1. Der Anleger wünscht keine Rücksichtnahme auf Nachhaltigkeitsaspekte.
2. Es genügt, wenn die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren
– die sogenannten Pais – berücksichtigt werden.
3. Der Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in nachhaltige Investitionen im Sinne der Offenlegungsverordnung
angelegt werden soll.
4. Der Kunde legt fest, dass ein Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der Taxonomieverordnung
angelegt werden soll.
Was kompliziert klingt, ist auch kompliziert: Die vier Kategorien sind sehr erklärungsbedürftig und vor allem für Privatanleger nicht leicht verständlich.
Was müssen die Fondsanbieter nun tun? Die Produktseite muss reagieren, denn sie muss dem Vertrieb Informationen an die Hand geben, wie ihre Produkte zu den Kategorien passen. Sie tut sich schwer, auf die neuen Kriterien zu reagieren, da nicht klar ist, wie etwa ein bereits von der Bafin zum Vertrieb zugelassener Artikel-8-Fonds mit seinen individuell definierten ESG-Zielen die neuen Zielmarktkategorien in der Praxis umsetzen kann.
Viele der mit den Kategorien „nachhaltige Investitionen“ verbundenen Anforderungen sind nach wie vor nicht final geklärt. Daher gehen die meisten Produktanbieter aktuell dazu über, die Berücksichtigung der nachteiligen Auswirkungen (Pais) eines Fonds auf Nachhaltigkeitsziele in ihre Fondsdokumentation aufzunehmen.
Negative Nachhaltigkeitsauswirkungen müssen in die Fondsdokumentation
In der Praxis bedeutet das, dass bestimmte Informationen in die Fondsdokumentation integriert werden müssen. Dort muss beschrieben werden, welche negativen Auswirkungen der Fonds auf Nachhaltigkeitsziele hat. Bei Immobilienfonds sind das zum Beispiel Immobilien, die nicht energieeffizient sind. Des Weiteren muss beschrieben werden, wie diese Auswirkungen berücksichtigt werden oder was der Vermögensverwalter dagegen machen möchte – also beispielsweise, ob er eine neue Heizung einbauen oder Sanierungsmaßnahmen durchführen wird.
Diese Informationen müssen zudem im sogenannten Artikel-10-Dokument auf die Webseite des Anbieters gestellt werden. In der Folge muss dann in den Jahresberichten des Fonds über diese nachteiligen Auswirkungen und den Umgang damit regelmäßig berichtet werden.
Fazit: Die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Vertrieb ist durchaus sinnvoll und für viele Privatanleger wichtig. Allerdings ist die Umsetzung alles andere als trivial. Vor allem die Tatsache, dass die Regulierungsschritte nicht miteinander harmonisiert sind, ist ärgerlich. Dennoch hat die Immobilien- und Fondsbranche keine Wahl. Ab dem 2. August muss sie mit den Regeln leben.
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Erstveröffentlichung: Das Investment, August 2022