eine Wasserstandsmeldung
Es wird wärmer. Und das deutlich schneller als gedacht, wie der erste Auszug des Sechsten Sachstandbericht des Weltklimarates (International Panel on Climate Change, IPCC) darlegt. Schon Anfang der 2030er Jahre könnte das im Pariser Klimaschutzabkommen definierte Ziel von 1,5 °C Temperaturerhöhung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter überschritten werden. Dabei lässt das IPCC keinen Zweifel daran, dass die Datenlage diese Schlüsse als „äußerst wahrscheinlich“ zulässt.
Um dem Klimwandel entgegenzuwirken, hatte die EU schon vor der Veröffentlichung des IPCC-Berichts im Rahmen ihrer Sustainable Finance Strategie ein umfangreiches Regelwerk veröffentlicht, um Finanzströme in nachhaltige Anlageformen zu lenken. So teilt die EU-Offenlegungsverordnung Finanzprodukte in drei Kategorien ein: klassische Produkte nach Artikel 6, Produkte, die nach Artikel 8 Nachhaltigkeitsmerkmale und jene, die nach Artikel 9 Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Die insgesamt sechs Nachhaltigkeitsziele wurden in der EU-Taxonomie definiert und die Bemessung des Beitrages zu zwei dieser Ziele, dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel, in angeschlossenen delegierten Verordnungen festgelegt. Produkte die entsprechend Artikel 9 aufgelegt werden, werden auch als „dunkelgrün“ bezeichnet. Fonds nach Artikel 8 werden in Abgrenzung dazu „hellgrün“ genannt. Dieser Rahmen bezieht sich auf die gesamte Finanzindustrie.
Die Immobilienbranche ist global für etwa 40 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich, dementsprechend groß ist ihr Einfluss auf das Klima. In Deutschland beispielsweise, das im Coronajahr 2020 seine Emissionsziele erfüllen konnte, hat der Immobiliensektor als einziger Sektor sein Klimaziel von 118 Mio. t CO2-Ausstoß um ca. 2 Mio. t verfehlt. Natürlich haben pandemiebedingte Effekte unter anderem den Verkehrs- oder Energiesektor besser aussehen lassen als diese tatsächlich sind und das gute Ergebnis dürfte sich im Jahr 2021 nicht wiederholt haben, die Statistiken stehen noch aus. Dennoch ist eindeutig, dass in der Immobilienbranche Einiges geschehen muss, damit das definierte Sektorziel eingehalten werden kann.
Neben regulatorischen Vorgaben der EU und der jeweiligen Länder, die einen gewissen Druck auf die Anbieter von Finanzprodukten ausüben, hat sich auch das Investitionsumfeld verändert. Der Ruf nach nachhaltigen Anlagen wird lauter, gerade die jüngere „Generation Greta“ schaut genauer hin, wohin Finanzmittel allokiert werden. Das in diesem Zusammenhang unumgängliche Akronym lautet ESG, das steht für Environmental, Social und Governance und meint die Verantwortung von Unternehmen in den Bereichen Ökologie, Sozialem und guter Unternehmensführung. Auch mieterseitig wächst, induziert unter anderem durch interne ESG-Strategien, die Nachfrage nach „grünen“ Immobilien. Das führt dazu, dass Immobilien, die gewissen Standards nicht mehr genügen, am Markt nicht mehr vermietbar sind. Das kann beispielsweise ein fehlendes Gebäudezertifikat sein oder die Tatsache, dass das Gebäude in der Nutzung einen höheren CO2-Ausstoß hat als der, nach dem im Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) bestimmte, EU-Dekarbonisierungspfad. Solche Immobilien werden als Stranded Asset bezeichnet. Das bedeutet nicht, dass die Immobilie mit dem Wert Null taxiert werden muss, aber dass spätestens jetzt größere CapEx-Maßnahmen anstehen, die natürlich Einfluss auf die Rendite haben. Das potenzielle Risiko auf Investments durch staatliche Eingriffe verdeutlichen Beispiele aus dem Vereinigten Königreich, wo seit dem letzten Jahr zu vermietende Wohnimmobilien mindestens das Energielabel E aufweisen müssen, aus Frankreich, wo ab dem Jahr 2025 Wohngebäude der Energielabelklassifizierungen G und F renoviert werden müssen oder den Niederlanden, wo ab 2023 alle Bürogebäude mindestens einen Energieausweis der Klasse C aufweisen müssen. Die Europäische Kommission hat Mitte Dezember einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden unterbreitet, der vorsieht, dass öffentliche und Nichtwohngebäude, die nicht mindestens einen Energieausweise der Klasse F aufweisen, ab 2027 weder vermiet- noch veräußerbar sind. Ab 2030 sollen diese Bauten nur noch marktfähig sein, wenn sie mindestens Klasse E entsprechen. Für Wohngebäude soll eine entsprechende Regelung mit drei Jahren Zeitversatz gelten. Auch wenn über die Energieeffizienz des Gebäudebestandes bisher keine verlässlichen Statistiken existieren und Energieeffizienzklassen für Nichtwohngebäude nicht definiert sind, ist anzunehmen, dass eine solche Regelung einen signifikanten Teil der deutschen Bestandsgebäude betreffen würde.
Die von der letzten Bundesregierung geschaffene CO2-Steuer wird aus sozialen Gründen vorerst nicht über den bisher feststehenden Wert von 55 €/t CO2 im Jahre 2025 steigen, so wurde es im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP beschlossen. Eine Aufteilung der CO2-Steuer zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen steht weiterhin im Raum. So ist im Koalitionsvertrag ein Stufenmodell entsprechend der Gebäudeenergieeffizienzklasse geplant. Der derzeit sehr hohe Energiepreis kann dazu führen, dass bestimmte Mieter, deren Geschäftstätigkeit hohe Energiemengen erfordert, unter besonderen finanziellen Druck geraten und damit ein höheres Mietausfallrisiko vorliegt oder der Standort für diesen Mieter aufgrund fehlender - beispielsweise solarer - Energiegewinnung unattraktiv wird.
Eine gesteigerte Nachfrage nach sogenannten Green Premium oder Green Premium Plus Immobilien mit korrelierend steigenden Preisen und zu erzielenden Mieteinnahmen ist bereits zu verzeichnen, während einige Bestandshalter bereits planen, ihre Portfolios um energetisch schlechte Gebäude zu bereinigen. Ein deutlicher Preisnachlass ebensolcher Immobilien lässt sich aber aufgrund der knappen Produktverfügbarkeit noch nicht beobachten. Es darf aber nicht vergessen werden, dass der Abriss von Bestandsimmobilen und der anschließende Neubau von energetisch hochwertigen Gebäuden auf der freigewordenen Fläche mit einem erheblichen CO2-Ausstoß einhergeht. Wenn tatsächlich und kurzfristig positive Wirkung erzielt werden soll, muss der Bestand umfangreich und unter Kriterien der Nachhaltigkeit saniert werden. Das bedeutet möglichst viel Substanz zu erhalten und Immobilien mit gezielten Maßnahmen effizienter und klimaresilienter zu machen, unter Berücksichtigung der späteren Wiedernutzung der verwendeten Baumaterialien.
Der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der damit einhergehende Anstieg der globalen Mitteltemperatur hat schon jetzt direkten Einfluss auf die Immobilienbranche. Der Sommer 2021 hat die Problematik der größeren Wasserspeicherungskapazität warmer Luft deutlich aufgezeigt. Die in Teilen Deutschlands heftigen Starkregenereignisse und die daraus resultierende Überflutung ganzer Landstriche hat immense Schäden verursacht. Solche Extremwetterlagen werden laut Rückversicherern und Klimaexperten zukünftig häufiger auftreten. Die Lage einer Immobilie in einem potenziellen Überflutungsgebiet und die damit verbundene Gefahr eines Totalausfalls der Immobilie oder schwerer Beschädigung muss unter neuen Gesichtspunkten bewertet werden. Über entsprechende Versicherungen kann zumindest der finanzielle Verlust ausgeglichen werden, aber die Mieterfindung in solchen Gefahrengebieten dürfte sich bei nicht entsprechend vorbereiteter Immobilie zunehmend schwierig gestalten. Andere durch den Klimawandel induzierte Risiken sind u.a. zunehmende Trockenheit sowie andauernde Hitzewellen, welche dazu führen können, dass gerade industriell oder logistisch genutzte Hallen, aber auch andere unklimatisierte Gebäude, aufgrund hoher Innentemperaturen zumindest tageweise unbenutzbar werden. Eine Nachrüstung von Kühltechnik kann Abhilfe schaffen, jedoch führt das zu steigenden Energieverbräuchen und damit erhöhten Kosten. Allerdings gibt es auch klimaschonende oder sogar -positive Maßnahmen. So erzeugt eine Fotovoltaikanlage in vielen Fällen genau dann Strom, wenn gleichzeitig Kühlbedarf anfällt, welcher über Kältemaschinen bedient werden kann, die energetisch direkt aus der Fotovoltaikanlage gespeist werden. Die Verschattung von sonnenexponierten Flächen mittels Bepflanzung, seien es Bäume, Gründächer oder Grünwände ist natürlich aufgrund der CO2-Bindung besonders vorteilhaft.
Die verstärkte Nachfrage nach ESG-konformen Fonds stellt also keineswegs nur ein Mittel dar, sich ein grünes Gewissen zu erkaufen, sondern ist auch aktives Risikomanagement. Dennoch wird der Markt damit für Anleger zunehmend komplizierter. Gerade bei Artikel 8-Produkten, die legislativ noch keinem festgelegten Regulierungsrahmen unterliegen, muss sehr genau geprüft werden, nach welchen Kriterien Fonds aufgelegt werden. Beispiele der jüngeren Vergangenheit zeigen deutlich, dass Greenwashing, also das Vorgeben, sich an ESG-Kriterien zu halten und es dennoch nicht zu tun, wenig toleriert wird. Es lohnt sich also, einen kompetenten Partner zu suchen, der seine ESG-Strategie transparent darlegt und Nachhaltigkeitsrisiken professionell steuert.
Die EU hat bereits einen knapp tausendseitigen Entwurf für technische Bewertungskriterien der anderen vier Umweltziele vorgelegt, welcher sich momentan in der Konsultationsphase befindet. In einer beschlussfähigen Fassung bringen diese erhöhte Rechtssicherheit, allerdings erhöht sich die Anzahl der möglicherweise berücksichtigten Indizes stark, der Beratungsaufwand steigt also. Damit wäre dann das „E“ von ESG in einen Rahmen gegossen. Gleichzeitig arbeitet die EU an einer sozialen Taxonomie und wird auch beim „S“ Bewertungskriterien schaffen, die sich in der Messbarkeit komplexer darstellen dürften, als es bei der Ökologie der Fall ist. Die Anwendung der Level II-Regelungen der Offenlegungsverordnung wurde auf den 1.1.2023 verschoben.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Januar 2022