Ein Modellprojekt in Neu-Ulm
Die große Herausforderung der Energiewende ist der Gebäudebestand. Daher wird im Bereich des Kleinhausbaus der Fokus in den nächsten Jahren auf Sanierungslösungen gelegt. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Bundesumweltministerium das Ziel, durch Forschung und Entwicklung Erkenntnisse für die Markteinführung des Effizienzhaus Plus Ansatzes im Bereich der Sanierung zu gewinnen.
Modellvorhaben in Neu-Ulm
Vor vier Jahren wurde der Wettbewerb zur Umwandlung von Bestandsgebäuden in Effizienzhäuser Plus gemeinsam vom damaligen Bundesbauministerium und der Wohnungsgesellschaft der Stadt Neu-Ulm GmbH (NUWOG) europaweit ausgeschrieben. Mehrere Wohngebäude aus den 30er Jahren in Neu-Ulm sollten energetisch saniert und architektonisch modernisiert werden. Die Zeilenbauten in der Pfuhler Straße waren stark in die Jahre gekommen und sanierungsbedürftig. Für die Mieter schlug vor allem die für den Betrieb benötigte Endenergie in Höhe von 507 Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr zu Buche.
Die vorgelegten Modernisierungskonzepte der TU Darmstadt und der Hochschule Ruhr-West führen das Plus an Energie durch gebäudeintegrierte Photovoltaik herbei und lösen zugleich den hohen Anspruch an Architektur und Wohnkomfort ein. Die bestehenden Gebäude erhielten neue, barrierefreie Bäder und vergrößerte, bodentiefe Fenster. Verschattungselemente zur Südseite verhindern die Überhitzung der Räume in den Sommermonaten. Die modifizierte Grundrissgestaltung bietet großzügige, nutzungsneutrale Räume und damit eine langfristige Flexibilität. Die bislang nur als Abstellfläche genutzten Dachgeschosse wurden zu hochwertigem Wohnraum ausgebaut. Die Bewohner nutzen hocheffiziente Elektrogeräte und LED-Beleuchtung.
Neu-Ulm, Pfuhler Straße 4 & 6
Der Stuttgarter Generalplaner Werner Sobek integrierte als planerisches Hauptelement vorgefertigte Wand- und Dachelemente, die das Gebäude umschließen. Der Bestandsdachstuhl wurde komplett entfernt und durch die neuen Elemente ersetzt. Das hoch wärmegedämmte Fassadensystem in Holzbauweise wurde anschließend inklusive der Lüftungskanäle auf die bestehende Außenwand montiert.
Die Gebäudetechnik wurde im Untergeschoss angeordnet, da dort genug Platz vorhanden und die Anlage einfach zugänglich ist. Auf 214 m2 Fläche des Süd- und Flachdachs befinden sich monokristalline und hinterlüftete PV-Module mit einer Leistung von 33,5 kWp. Das Warmwasser wird durch eine Sole-Wasser-Wärmepumpe bereitgestellt, welche einen 1000 l Kombi-Speicher versorgt, der die Versorgung von Heizung und Warmwasserbedarf sicherstellt. Auf Grund des geringen Heizwärmebedarfs ist eine Erdsondenbohrung im Vorgarten ausreichend. Die in jeder Wohneinheit installierte Frischwasserstation dient der Anhebung der Temperatur des Trinkwassers und zur Vorbeugung der Legionellenbildung. Die installierte Lüftungsanlage hat eine Wärmerückgewinnung mit einem Wirkungsgrad von 80 % und kann jederzeit über individuelle Fensterlüftung ergänzt werden. Dadurch, dass die Versorgungsleitungen in der Fassade integriert sind, wird eine Kanalführung in den Wohnungen mit niedrigen Raumhöhen vermieden.
Neu-Ulm, Pfuhler Straße 12 & 14
Nach den Plänen von o5 Architekten aus Frankfurt entstanden im Obergeschoss durch die räumliche Erweiterung unter dem Satteldach großzügige Maisonettewohnungen. Die Vorgaben der Energieeinsparverordnung an den spezifischen Transmissionswärmeverlust werden über die Dämmung des Bestandes und die Passivhaus-Anbauten um über 60 Prozent unterschritten.
Durch den neuen Anbau in Holzrahmenbauweise auf der Nordseite entstand ein Wohnungsmix unterschiedlicher Wohnungsgrößen (von 2- bis 4- Zimmer-Wohnung). Außerdem wurden die Dachgeschosse ausgebaut, wodurch weiterer Wohnraum gewonnen werden konnte. Auf der Südseite wurden Holzterrassen und -balkone angebaut, welche auch als Verschattungselemente dienen.
Die Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser erfolgt über getrennte Systeme. Geheizt wird über eine zentrale Sole-Wasser-Wärmepumpe, die das Erdreich über 30 Helixsonden als Umweltwärmequelle nutzt. Die Warmwasserbereitung erfolgt über dezentrale Abluftwärmepumpen in den jeweiligen Wohneinheiten. Die dachintegrierte 156 m2 große Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 24,93 kWp liefert den erforderlichen Strom. Hier kamen monokristalline Hocheffizienzmodule zum Einsatz, die ausschließlich nur auf der Süddachfläche angeordnet sind. Außerdem wurden vier 700 l Speichern zur zentralen Speicherung von Heizwärme eingebaut und es werden dezentrale Wärmepumpen mit vergrößertem Speicher (200 l bis 300 l) für die dezentrale Warmwasserbereitung genutzt. Durch die größeren Speicherkapazitäten steigt der Eigennutzungsgrad des erzeugten PV-Stroms. Das dezentrale Konzept sieht vor, dass die Raumtemperatur an jedem einzelnen Heizkörper gesteuert wird, der Strombedarf der dezentralen Warmwasserbereitung wird wohnungsweise erfasst.
Die Besonderheit bei den dezentralen Komponenten ist, dass dadurch jedem einzelnen Nutzer die Möglichkeit geboten wird, den Energieverbrauch und letztendlich die Energiekosten selbst zu steuern.
Die Neu-Ulmer Modellvorhaben zeigen: Durch geeignete planerische und bauliche Maßnahmen lassen sich der Effizienzhaus Plus Ansatz und zugleich ein hoher Wohnkomfort umsetzen. Erwartet werden nun neue Forschungserkenntnisse und Aufschlüsse im Rahmen des zweijährigen Monitorings für die hocheffiziente Modernisierung von Bestandsimmobilien.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZEBAU GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2016