Transparente Bewertung von Forward Share Deals von Immobilien in Immobilienfonds
Bei einem Forward Share Deal können Fonds in der Gegenwart das Recht auf Übertragung an Anteilen an einer Projektentwicklungsgesellschaft nach der zukünftigen Fertigstellung der von der Gesellschaft gehaltenen Immobilie erwerben. Der Verkehrswert dieser Forderung kann je nach Projektverlauf und Marktentwicklung mit der Zeit erheblich vom ursprünglichen Kaufpreis abweichen. Anlegerschutz und gesetzliche Vorgaben erfordern deshalb, dass der Verkehrswert regelmäßig ermittelt und im Preis der Fondsanteile berücksichtigt wird. Wie sieht das in der Praxis aus?
Bei einem Forward-Share-Deal wird in der Gegenwart ein Kaufvertrag abgeschlossen, nach dem Anteile an einer Immobiliengesellschaft, auch Zweckgesellschaft oder Special Purpose Vehicle (SPV) genannt, die eine Immobilien-Projektentwicklung hält, nach Fertigstellung der Immobilie auf den Käufer übertragen werden. Der Käufer erwirbt also zunächst eine Forderung auf die zukünftige Übertragung des Eigentums an der die Immobilie haltenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der Immobilienfertigstellung.
Der Kaufpreis für die nach Immobilienfertigstellung zu übertragenden Anteile an der Zweckgesellschaft steht ab dem Erwerbszeitpunkt fest und wird anteilig nach Baufortschritt beglichen. Während des Projektverlaufs kann es allerdings dazu kommen, dass sich der Wert der Immobilie bzw. des Projektes verändert und beginnt, von den ursprünglich veranschlagten Kosten abzuweichen – je nach Marktphase gelegentlich auch erheblich nach oben oder nach unten.
Zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung, wenn abschließend der Verkehrswert der Immobilie ermittelt wird, kann es gerade in volatilen Märkten zu erheblichen Preissprüngen bzw. -korrekturen kommen. Das liegt nicht im Interesse eines Anlegers, der einen Immobilienfonds zeichnet, um von einem langfristigen und kontinuierlichen Wertzuwachs zu profitieren.
In aufwärtsgerichteten Marktphasen und bei einfachen Anlegerkonstellationen mag das nicht allzu sehr ins Gewicht fallen. Die Tatsache, dass Verkehrswertermittlungen bei Forward Share Deals in der Praxis bis heute kaum durchgeführt werden, bestätigt, dass Ungenauigkeiten und Intransparenzen tendenziell in Kauf genommen werden, sofern sie durch Wertsprünge positive finanzielle Folgen für den Anleger nach sich ziehen.
Eventuelle Haftungsrisiken
Problematisch dürfte es allerdings dann werden, wenn Anleger größere Anteile vor Abschluss der Projektentwicklung zurückgeben, sich seit Beginn aber höhere Wertzuwächse angesammelt haben, die erst zum Ende mit der Eigentumsübertragung festgestellt werden. Zur Debatte steht dann beispielsweise, ob ein Anspruch auf die nachträgliche Auszahlung der Wertzuwächse besteht. In unsicheren oder gar abwärts gerichteten Marktphasen, wenn es um Wertverluste geht, ist erst recht davon auszugehen, dass die Anleger genauer hinsehen und Fragen bis hin zur Haftung für Verluste stellen werden.
Ungleichbehandlung von Anlegern
In komplexeren Anlegerkonstellationen, in denen beispielsweise Anteile von Fonds, die in Forward Share Deals investieren, an mehrere Anleger vertrieben werden, stellt sich bei einer ausschließlichen Bewertung auf Grundlage des Nominalpreises von Forward Share Deals zudem die Frage nach der Gerechtigkeit und Fairness: Anleger, die zu einem frühen Zeitpunkt einsteigen und sich dadurch in einer Phase mit vergleichsweise höheren Risiken an der Projektentwicklung beteiligen, tragen ein entsprechendes finanzielles Risiko als Anleger, die ihre Anteile kurz vor der Fertigstellung und Eigentumsübertragung erwerben.
Rechtslage verpflichtet zur Verkehrswertermittlung
Das Gesetz ist in der Frage nach der transparenten Bewertung eindeutig. Es kann mit der Forderung nach einer Verkehrswertermittlung im Widerspruch stehen zu dem weit verbreiteten, da gewohnten, einfachen und pragmatischen Ansatz, den Wert mit dem Nennwert der Forderung auf Übertragung der Anteile an der Zweckgesellschaft gleichzusetzen. Der Verkehrswert der Forderung mag häufig seinem Nennwert, d.h. den bisher geleisteten Kaufpreisraten entsprechen. Tatsächlich aber ist dies ein Indiz, denn der Verkehrswert dieser Forderung entspricht im Wesentlichen dem Wert der Gesellschaft, deren Vermögen als Objektgesellschaft im Wesentlichen aus dem Verkehrswert der Immobilie resultiert, so dass gegebenenfalls weitere, über den Nennwert der Forderung hinausgehende wertbildende Faktoren zu berücksichtigen sind
Bewertung der Forderung
Die Bewertung der vom Fonds gehaltenen Forderung hat nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 168 Abs. 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) zu erfolgen. Danach ist der Verkehrswert von Vermögensgegenständen, für die kein handelbarer Kurs verfügbar ist, nach geeigneten Bewertungsmodellen unter Berücksichtigung der aktuellen Marktgegebenheiten zu ermitteln.
Die Forderung auf Übertragung der Anteile am SPV ist weder an einer Börse noch an einem anderen organisierten Markt zugelassen und hat keinen handelbaren Kurs. Daher ist der Verkehrswert gemäß § 168 Abs. 3 KAGB zu ermitteln. Der Nennwert der Forderung könnte ein Anhaltspunkt sein, ist es jedoch nicht zwingend. Weder das KAGB noch die Kapitalanlage-Rechnungslegungs- und -Bewertungsverordnung (KARBV) enthalten spezifische Vorgaben zur Bewertung von Forderungen, daher gelten die allgemeinen Grundsätze: Der aktuelle Verkehrswert ist zu ermitteln, wobei sowohl negative Wertberichtigungen als auch werterhöhende Faktoren zu berücksichtigen sind. Der Wert ist gutachterlich zu belegen. Bei einem Forward Share Deal bestimmt sich der Wert der Forderung typischerweise im Wesentlichen aus dem Wert des SPV.
Bei der Bewertung des SPV sind die Bewertungsregeln für Beteiligungen an einer Immobiliengesellschaft nicht unmittelbar anwendbar, da der Fonds die Anteile am SPV noch nicht dinglich erworben hat. Gemäß § 284 Abs. 1 KAGB i.V.m. § 248 Abs. 4 KAGB ist der Wert der Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft unter Berücksichtigung etwaiger Modifikationen in den Anlagebedingungen des jeweiligen Fonds nach allgemein anerkannten Grundsätzen zu ermitteln. Immobilien sind mit dem Wert anzusetzen, der gemäß § 249 Abs. 1 KAGB durch externe Bewerter festgestellt wurde. Nähere Einzelheiten zur Bewertung von Immobiliengesellschaften sind in § 31 KARBV geregelt. Der Nettowert gemäß der Vermögensaufstellung ist der Ausgangspunkt für die Bewertung.
Bewertung der Immobilie
Bei Grundstücken, die zum Zwecke der Bebauung erworben werden, sind gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 3 KARBV § 248 Absatz 3 Satz 1 und 2 nicht anzuwenden. Die Begründung der BaFin zu § 30 KARBV führt hierzu erläuternd aus:
„Absatz 2 Nummer 3 legt fest, dass dann, wenn die Herstellung einer Immobilie im Vordergrund steht, ein Ansatz von Anschaffungsnebenkosten neben dem Kaufpreis bzw. dem Verkehrswert zu unterbleiben hat. Für im Bau befindliche Objekte sind während der Bauphase grundsätzlich auch Verkehrswerte zu ermitteln, wobei in der Regel auf den Fertigstellungszeitpunkt projektierte Ertragswerte abzüglich der zum Wertermittlungsstichtag verbleibenden kalkulatorischen Fertigstellungskosten zugrunde zu legen sind."
Bei dem SPV im Rahmen eines Forward Share Deals ist die zu errichtende Immobilie typischerweise ein im Bau befindliches Objekt. Laut BaFin-Erläuterungen sind insoweit in der Regel auf den Fertigstellungszeitpunkt projektierte Ertragswerte abzüglich der zum Wertermittlungsstichtag verbleibenden kalkulatorischen Fertigstellungskosten zugrunde zu legen.
Allerdings ist auch bei Verwendung des sog. Residualwertverfahrens sicherzustellen, dass dieser Wert der Definition des Verkehrswertes einer Immobilie gemäß § 2 Nr. 5 KARBV standhält. Danach ist der Verkehrswert einer Immobilie der Preis, der zum Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Eigenschaften, nach der sonstigen Beschaffenheit und der Lage der Immobilie ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
Umsetzung in der Praxis
In der Praxis bedeutet dieses, bei Forward Share Deals den Verkehrswert der Immobilie regelmäßig zu ermitteln, zu dokumentieren und in die Bewertung des Fonds bzw. Fondsanteile einfließen zu lassen. Das hierzu erforderliche enge Monitoring des Baufortschritts sollte zum Zwecke des Risikocontrollings ohnehin vorhanden sein. Um die Marktentwicklung, die Entwicklung der Baukosten und dergleichen zu berücksichtigen, sollte das Baufortschrittscontrolling um ein wirtschaftliches Controlling ergänzt werden.
Im Sinne einer fairen und einstiegszeitpunktunabhängigen Gleichbehandlung der Anleger sollte auch die Entwicklung des Projektrisikos, das mit Fortschreiten des Projekts zurückgeht, in der Bewertung berücksichtigt werden.
Die im Gesetz festgehaltenen Grundsätze der Bewertung machen eine enge Abstimmung mit allen Beteiligten erforderlich – mit dem Anlageberater, der Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG), dem Wirtschaftsprüfer, Anlageausschuss, Verkehrswertgutachter, Baucontroller und anderen Stakeholder.
Fazit
Noch ist es gängige Praxis, Forward Share Deals kurzerhand mit ihrem Nennwert zu bewerten und bisher scheint dies auch noch nicht zu nennenswerten Problemen geführt zu haben. Mit zunehmender Regulatorik, immer strengeren Compliance-Anforderungen und höherer Volatilität der Märkte ist jedoch absehbar, dass die spezifischere Ermittlung des Verkehrswertes dieser Forderungen zum Marktstandard wird. Fondsanbieter, die ihre Bewertungsverfahren bereits umgestellt haben, sorgen im Sinne der Anleger für eine deutlich bessere Transparenz und für reduzierte Haftungsrisiken. Vor allem bei jenen, die frühzeitig über Forward Share Deals in Projektentwicklungen eingestiegen sind.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Hauck Aufhäuser Lampe
Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2025