28.05.2015

Ein weiter Weg

Langsame Entwicklung zum Total Facility Management.

Thomas Häusser, Partner und Geschäftsführer, Drees & Sommer SE
Thomas Häusser

Medien zufolge wollen die Facility-Management-Dienstleister internationaler und leistungsspezifisch deutlich breiter werden. Auch von großen Paketvergaben und Total-Facility-Management-Konzepten im nationalen oder gar internationalen Kontext ist in der Presse beinahe wöchentlich zu lesen. Schaut man hinter die Kulissen und wirft einen Blick auf die tatsächliche Praxis vieler Unternehmen, bietet sich jedoch nach wie vor ein sehr verhaltenes Bild hinsichtlich der Bewegung in Richtung Total-Facility-Management-Vergaben.

Drees & Sommer hat auch in diesem Jahr (September 2014) mit einer internationalen Marktstudie über 200 Unternehmen aus ganz Europa mit Themen rund um den Immobilienbetrieb auf den Zahn gefühlt. Unter anderem wurde analysiert, nach welchen Kriterien die Auftraggeber ihre operativen Facility-Management-Dienstleister auswählen und welche Vergabemodelle und dazugehörigen Ziele, Wünsche aber auch Ängste in der Praxis eine Rolle spielen.

Total FM: Der Markt bewegt sich langsam – zwischen den Wünschen der Auftraggeber und der Praxis klaffen zum Teil Welten

Die aktuelle Marktstudie zeigt wieder deutlich, dass sich Modelle für die Zusammenarbeit bei Flächenportfolios nur langsam konzeptionell weiterentwickeln. Noch immer ist die Einzel- bzw. losweise Vergabe die gängige Herangehensweise – bei nahezu 40 Prozent der Befragten ist dies der Status Quo. Gebündelte Paketvergaben, etwa für Reinigung, Sicherheit, Wartung und Catering, oder gebündelte Infrastrukturelle-Gebäudemanagement-(IGM)- beziehungsweise Technische Gebäudemanagement-(TGM)-Vergaben sind jeweils bei rund 15 Prozent der Studien-Teilnehmer ein Thema. Eine Komplettvergabe (alle Services an einen Dienstleister) können derzeit nur zehn Prozent vorweisen.

Während man im infrastrukturellen Facility Management schon lange auf externe Partner baut – hier sind Paketvergaben für sämtliche „Soft Services“ fast schon Standard (Ausnahmen bilden hier Catering, Security, Entsorgungsleistungen, Winterdienst, die oftmals an regionale oder spezialisierte Auftragnehmer vergeben werden) – sieht es im technischen Facility Management noch häufig anders aus.

Besonders bei der Vergabe von Wartungsleistungen bei komplexen Immobilienstandorten sind zu einem großen Prozentsatz die jeweiligen Anlagenerrichter unter Vertrag und das Bedienen dieser technischen Anlagen wird überwiegend durch eigene Mitarbeiter sichergestellt.

Der Trend zu größeren Vergabeeinheiten, beispielsweise via Total Facility Management, überregionaler oder gar internationaler Vergaben, hat sich bis dato lediglich bei einigen großen Corporates etabliert. Von einem Massentrend kann jedoch noch lange nicht gesprochen werden. Vodafone beispielsweise hat das Facility Management in vielen seiner europäischen Immobilien neu organisiert und Vergabestrategien in Richtung Total Facility Management umgesetzt.

Ziele Total FM: Monetäre Einsparungen & Steigerung der Flexibilität sind Hauptgrund für Outsourcing

Monetäre Einsparungen werden heute von den meisten direkt mit dem Thema Outsourcing in Verbindung gebracht. Die Vorteile für den Auftraggeber liegen auf der Hand: Neben den reinen ressourcentechnischen Optimierungen spielt die größere Flexibilität von professionell aufgesetzten Betreibermodellen eine große Rolle. Immobilienportfolios von Banken, Versicherungen und Fonds „leben“– kontinuierliche An- und Verkäufe können mit relativ kurzer Vorlaufzeit gemanagt und die Dynamik des Kerngeschäfts gut bedient werden. Bei Produktionsstandorten lässt sich durch Sonderschichten in guten Zeiten oder bei Kurzarbeit in weniger guten Zeiten die Betreibermannschaft flexibel verändern. Das benötigte „Atmen“ des Betreiberteams erfolgt durch den flexibel gestalteten Vertrag, ohne die interne Belegschaft grundsätzlich verändern zu müssen.

Stiefkind Betreiberverantwortung

Interessant und in Teilen auch verwunderlich sind der Umgang und die Kenntnis rund um das Thema der Betreiberverantwortung. Wo bei Sonderimmobilien und Industriestandorten naturgemäß ein klares Verständnis der Pflichten, Normen und Regularien zu finden ist, wird durch die Marktstudie deutlich, dass es hierzu noch großen Nachholbedarf gibt: sowohl auf Auftraggeber- als auch Dienstleisterseite. Oft ist den verantwortlichen Personen nicht durchgängig klar, dass es neben schriftlicher Delegationspflichten auch klare Vorgaben bezüglich der Qualifikation eingesetzter Mitarbeiter gibt und man als Eigentümer immer eine Überwachungspflicht hat, ganz gleich wie viele Leistungen man an Dritte vergeben hat. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Auftraggeber mit gezielter externer Unterstützung möglichst viel der genannten Betreiberverantwortung auf externe Provider verlagern möchten. Wobei eines natürlich allen klar sein muss: Die Delegationsmöglichkeiten hängen stark vom jeweiligen Vergabe- und Betreibermodell ab, denn bei einer Vergabe von einzelnen Wartungs- und Reparaturleistungen auf Zuruf kann von der Delegation von Verantwortung nicht mehr die Rede sein. Nur bei klar definierten Betreiberleistungen, die einen Grundumfang an Ortspräsenz und Aufgabenspektrum erfüllen, sind die gewünschten Effekte möglich.

Befürchtung: Abhängigkeit und fehlende Kompetenz sowie Fachexpertise beim Dienstleistern

Grund für die noch verhaltenen Paket- bzw. Total-FM-Vergaben ist unter anderem, dass die Entscheider dem Thema „Ausweitung der externen Unterstützung“ oft noch skeptisch gegenüberstehen. Die großen Vorteile werden zwar erkannt, gleichzeitig gibt es jedoch starke Bedenken hinsichtlich der eigenen Einflussmöglichkeiten in der Steuerung, dem Know-how-Verlust im eigenen Haus und die damit verbundene Abhängigkeit. Auch potenzielle Auswirkungen auf das Kerngeschäft bei zukünftigen Dienstleisterwechseln werden befürchtet. Je komplexer die Immobilien sind, desto mehr Skepsis herrscht auf Auftraggeberseite vor. Die Antworten der Studienteilnehmer sehen wie folgt aus (Auszug):

Weitere Punkte, die bei zahlreichen Auftraggebern tendenziell gegen strategisch aufgesetzte externe Betreiberkonzepte sprechen, sind zum einen der vorhandene Datenbestand sowie der Aufwand, funktionierende und individuelle Standortkonzepte auf- und auszuarbeiten.

Während man sich im internationalen Umfeld in Form von Top-down-Kalkulationsansätzen leichter tut, braucht der „typische Kalkulator“ im mitteleuropäischen Umfeld eine detaillierte und anlagenbezogene Bottom-up- Kalkulation. Der Aufwand, im Vorfeld einer Vergabe sämtliche Anlagen aufzunehmen und die anlagenspezifischen Kenndaten zu dokumentieren, um Bietern eine nachtragssichere Angebotsgrundlage zu bieten, wird oft gescheut. Stattdessen werden Datenfragmente an den Markt gegeben, die den Kalkulator entweder „mit dickem Daumen“ kalkulieren lassen oder man besteht auf einen detaillierten Massenabgleich im Zuge der Implementierungsphase. Die Folge: ein immenser Aufwand für beide Seiten und ein oft wenig erfreulicher nachgelagerter Verhandlungsprozess.

Die übliche FM-Ausschreibung am Markt ist heute zudem noch überwiegend ein einkaufsgetriebenes Pauschalverhandlungsverfahren. Dabei erstellt die Fachabteilung die Anforderungen und liefert die kalkulationsrelevanten Daten zu und der Einkauf verhandelt die Leistungen nach einem standardisierten und Compliance-konformen Verfahren inkl. Abschläge und sonstiger Zugeständnisse. Nicht selten kommt es dazu, dass nicht mehr alle FM-Dienstleister bei allen am Markt platzierten Ausschreibungen teilnehmen. Internationale Corporates gehen in Teilen einen anderen Weg: weg von stark monetär getriebenen Verhandlungsverfahren, wo der mutigste Bieter den Zuschlag erhält, hin zu klar definierten Business Cases für eine langjährige Zusammenarbeit. Oft spielt ein externer und neutraler Berater eine Rolle, der im Vorfeld der Marktanfrage zusammen mit dem Einkauf, dem Controlling und den Fachabteilungen eine detaillierte Analyse der aktuellen Kosten aufzeigen kann. Hierfür gilt es, einige Fragen genau beantworten zu können: Wofür bezahlen wir aktuell? Mit wem arbeiten wir heute zusammen? Wer kommt aus der Region? Welche Strukturen gibt es vor Ort? Welche Leistungen brauchen wir? Wie wird sich das Portfolio in den kommenden Jahren verändern? Welches Leistungs- und Abrechnungsmodell zwischen Grund- und Sonderleistungen passt am besten? Ist das individuelle und passgenaue Betreiberkonzept erarbeitet? Die monetäre „Nulllinie“ muss definiert und ein vorgelagerter RFI nach klaren Bewertungskriterien am Markt durchgeführt werden, um, im Unterschied zu üblichen Ausschreibung, ggf. nur noch mit einem oder zwei Bietern in intensive Gespräche bis zur Vertragsunterzeichnung einzusteigen. Der grundlegende Unterschied zwischen den beiden Herangehensweisen liegt darin, dass der Fokus mehr auf eine individuelle und passgenaue Lösung gelegt wird, die im kleinen Kreis dann auf Augenhöhe verhandelt wird und nicht in einem breiten Bieterkreis der günstigste Bieter gekürt wird. Zudem bietet das exakte Abbilden der Null-Linie eine für beide Seiten verbindliche Grundlage für langfristige Optimierungen.

Strategische Dienstleister sind noch nicht bereit für Total Facility Management

Bereits letztes Jahr hat Drees & Sommer in einer ebenfalls internationalen Studie in Erfahrung gebracht, dass zwischen Anforderungen und Markt erhebliche Diskrepanzen liegen – was in der diesjährigen Studie wieder bestätigt wurde. So haben die Entscheider nach eigenen Aussagen oft nicht die Möglichkeit, alle immobilienrelevanten Leistungen für ihre europäischen Standorte in die Hände eines strategischen Betreibers zu geben, sondern müssen in zum Teil aufwändigen Auswahlverfahren die Unternehmen für die einzelnen Länder mit individuellen Lösungen dem jeweiligen länderspezifischen Markt anpassen. Auf die Frage, ob der jeweilige FM-Dienstleister Betreiberverträge, die mindestens zwei Länder umfassen, gelebte Praxis sind, haben 45 Prozent der Befragten mit ja, 55 Prozent mit nein geantwortet. Spricht man sowohl mit der Unternehmensführung, dem Einkauf und der jeweiligen Fachabteilung der Auftraggeber zeigt sich, dass je nach Situation, Standort, Art und Umfang des Portfolios und gewähltem Modell alle Modelle ihre Daseinsberechtigung in unterschiedlichen Ausprägungen haben. Jedoch wurde eins deutlich – Total Facility Management mit einer hohen Eigenleistungstiefe über ganz Europa deckt dabei derzeit kein Anbieter wirklich ab.

Fazit:

Den Vorwurf der Auftraggeber, dass der Anbietermarkt oft die Anforderungen nach erweiterten Leistungen und ggf. auch nach mehr unternehmerischen Betreibermodellen nicht erfüllen können, kontern die Anbieter damit, dass deren Kunden oft nicht genau wissen, was sie möchten,die kalkulatorischen Grundlagen nicht ausreichend sind und das Risiko lediglich abgewälzt werden soll. Wie bei jeder Geschichte ist bestimmt bei beiden Aussagen ein Stück Wahrheit dran – jedoch ist aus der Studie Folgendes wieder deutlich geworden:

  1. Von tatsächlichen Total-FM-Verträgen in überregionalen oder gar internationalen Portfolios kann noch lange nicht von einem Massentrend gesprochen werden
  2. Viele Auftraggeber wünschen sich integralere und auch umfassendere Zusammenarbeitsmodelle mit strategischen Partner – nur, die Bieter tun sich bei der Kalkulation und den Modellen oft noch schwer – und die dazu notwendigen Konzeptions- und Ausschreibungsmodelle auf Einkaufsseite sind hierfür oft noch nicht richtig aufgestellt

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Drees & Sommer GmbH
Erstveröffentlichung: Facility Manager Ausgabe 11, 2014