25.02.2025

Ein Paradigmenwechsel für ESG-Fonds?

Neuer ESMA-Vorschlag zur Definition von „grün“

Hanna Ritter, Senior Director ESG, REICON Consulting
Hanna Ritter

Die Diskussion über die Definition von „grün“ in ESG-Investitionen hat durch einen neuen Regelvorschlag der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) an Dynamik gewonnen. Dieser Vorschlag könnte tiefgreifende Auswirkungen auf nachhaltige Finanzprodukte haben, da er die Kriterien für Fonds, die sich als „grün“ ausweisen, deutlich verschärfen würde.

Was schlägt die ESMA vor?

Die ESMA will sicherstellen, dass Fonds, die sich als nachhaltig vermarkten, tatsächlich strenge Umweltkriterien erfüllen. Der neue Vorschlag sieht vor, dass ESG-Fonds, die mit dem Label „grün“ werben, nicht mehr in Unternehmen investieren dürfen, die erhebliche Umsätze aus Kohle, Öl oder Gas erzielen – es sei denn, diese Unternehmen erfüllen spezifische Kriterien, etwa durch einen klaren Plan zur Dekarbonisierung.

Diese Regelung würde viele bestehende ESG-Fonds zwingen, ihre Portfolios zu überarbeiten oder ihr Marketing anzupassen. Bislang war es vielen Fonds möglich, trotz Investitionen in Unternehmen mit fossilen Geschäftsmodellen als „nachhaltig“ zu gelten – eine Praxis, die oft als Greenwashing kritisiert wurde.

Unterschiede zwischen PAI und dem neuen ESMA-Vorschlag

Bisher gibt es bereits die Principal Adverse Impact (PAI)-Indikatoren, die im Rahmen der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) eingeführt wurden. Diese verpflichten Finanzmarktteilnehmer, nachhaltigkeitsbezogene Risiken und negative ökologische und soziale Auswirkungen offenzulegen. Doch im Vergleich zum neuen ESMA-Vorschlag gibt es klare Unterschiede:

Aspekt

PAI (SFDR)

Neuer ESMA-Vorschlag

Zielsetzung

Transparenz über negative Nachhaltigkeitsauswirkungen

Verbot bestimmter Investitionen für „grüne“ ESG-Fonds

Pflicht für Fonds?

Offenlegungspflicht, aber keine direkten Investitionsvorgaben

Fonds mit „grünem“ Label dürfen nicht in fossile Unternehmen investieren (mit wenigen Ausnahmen)

Relevanz für ESG-Fonds

Gilt für alle Fonds, die ESG-Strategien anwenden (Artikel 8 & 9 SFDR)

Betrifft explizit Fonds, die als „grün“ oder „nachhaltig“ vermarktet werden

Hauptkritikpunkt

Reine Offenlegung reicht nicht aus, um Greenwashing zu verhindern

Einschränkung könnte Kapitalflüsse in die Transformation fossiler Unternehmen reduzieren

Während die PAI-Indikatoren lediglich Transparenz schaffen, setzt die ESMA mit ihrem Vorschlag auf harte Ausschlusskriterien. Das bedeutet, dass ESG-Fonds in Zukunft nicht nur über Nachhaltigkeitsrisiken berichten, sondern auch ihre Anlageentscheidungen restriktiver ausrichten müssen.

Mögliche Auswirkungen des ESMA-Vorschlags

Sollte der Vorschlag in Kraft treten, hätte dies weitreichende Konsequenzen für den Finanzmarkt:

  1. Strengere Anforderungen an ESG-Fonds – Viele Fonds müssten ihre Investmentstrategie überdenken, um weiterhin als „grün“ zu gelten.
  2. Weniger Kapital für fossile Unternehmen – Unternehmen mit hohem Umsatzanteil aus Kohle, Öl oder Gas könnten den Zugang zu ESG-Kapital verlieren, es sei denn, sie haben klare Dekarbonisierungspläne.
  3. Reduzierung von Greenwashing – Die neuen Regeln könnten dazu beitragen, dass das Label „grün“ tatsächlich strengeren Nachhaltigkeitskriterien entspricht.

Allerdings gibt es auch Kritik: Einige Marktteilnehmer argumentieren, dass ein pauschales Verbot von fossilen Investitionen hinderlich für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft sein könnte. Wenn Unternehmen mit hohen Emissionen keine ESG-Finanzierung mehr erhalten, könnten sie sich schwerer transformieren.

Fazit: Ein großer Schritt oder eine Hürde für nachhaltige Investitionen?

Die neue ESMA-Regelung könnte das ESG-Investing grundlegend verändern. Während die PAI-Indikatoren bislang nur Transparenz schaffen, würde ein explizites Investitionsverbot für fossile Unternehmen in „grünen“ Fonds eine weitere Regulierungsebene hinzufügen. Ob dies die nachhaltige Finanzbranche stärkt oder zu einer Verlagerung von Kapitalströmen führt, bleibt abzuwarten.

Klar ist jedoch: Falls die ESMA ihren Vorschlag durchsetzt, wird die Definition von „grün“ in der Finanzwelt wesentlich strenger – und das könnte die gesamte ESG-Fonds-Landschaft neu ordnen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von REIC-Gruppe
Erstveröffentlichung: REIC-Gruppe

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