Wenn Etablierte mit PropTechs kooperieren
"PropTechs denken vor allem in Client Experience - Immobilienunternehmen in Prozessen. Beides ist wichtig. Damit ein PropTech erfolgreich ist und Immobilienunternehmen Innovationen umsetzen können, benötigen beide Marktteilnehmer branchenerfahrene Brückenbauer, die beide Welten zusammenbringen"
Armbanduhr oder Wandkalender
„Bei der Frage, wann wollen wir ein Projekt starten, schaut das PropTech auf die Armbanduhr und das etablierte Unternehmen auf den Wandkalender“…Was zunächst wie ein frecher, überzogener Spruch aussieht, enthält je nach Interpretation viele Wahrheiten. Beide, PropTechs (i.d.R. Startups) und erfahrene Immobilienunternehmen, weisen jeweils wesentliche Stärken auf.
Die Etablierten bringen vor allem langjährige Markterfahrung, ein etabliertes Branchennetzwerk und finanzielle Ressourcen mit. Da kann auch die Orientierung am Wandkalender für ein nachhaltiges Wirken manchmal passender sein, als das hektische Reagieren auf moderne Trends.
Das PropTech agiert auf Grundlage agiler Strukturen sehr schnell, hat ausschließlich Kundenfokus und ist sehr innovativ. Minimal Viable Product ( MVP ) bezeichnet die erste minimale Version eines Produkts, das entwickelt werden muss, um mit minimalem Aufwand den Kundenbedarf zu decken. Das heißt: Produkt muss schnell auf den Markt, selbst wenn es noch Fehler hat! MVP ist Standard bei allen Startups und der große Unterschied zwischen beiden Unternehmenstypen. Vor allem in der Ingenieurnation Deutschland mit einem traditionsreichen „Null-Fehler“-Anspruch für Neuprodukte ist dies ein völlig neuer Ansatz, der jedoch viele Chancen bietet.
Wertschöpfungskette und Insellösungen müssen sich verstehen lernen
Die aktuell etwa 220 deutschen PropTechs haben bisher fast ausschließlich Insellösungen entwickelt, bspw. Portale für die Vermietung oder die Mieterkommunikation oder die Buchhaltung…während die Etablierten weite Teile der gesamten Wertschöpfungskette im eigenen Unternehmen vereinen. Insofern ist manche Kritik, einzelne Insellösungen helfen der Branche nicht weiter und lösen erst recht keinen Konkurrenzdruck aus, durchaus nachvollziehbar.
Allerdings gibt es bereits heute hervorragende PropTech-Portale bspw. für den Vermietungsprozess oder Teilaufgaben des Property Managements. Was geschieht erst, wenn sich demnächst weitere PropTechs zusammenschließen und die Wertschöpfungskette der Immobilienbewirtschaftung komplett anbieten? Dann könnten diese Lösungen deutlich komfortabler, preisgünstiger und vor allem kundenorientierter sein.
Kooperationen sollten strukturiert und moderiert werden
Es spricht also einiges dafür, dass langjährig erfahrene Unternehmen und PropTechs kollaborieren. Eine Reihe von Kooperationen und Unternehmensbeteiligungen gibt es bereits, allerdings meist nur von wenigen großen Immobiliengesellschaften. Viele kleinere und mittelständische Wohnungsunternehmen, Asset – oder Property Manager hatten bisher kaum Kontakt mit den Startups. Die Vorteile für beide liegen aber auf der Hand. Gelingt es in einer Kooperation die unterschiedlichen Stärken zu bündeln und gegenseitig nutzbar zu machen, können tolle Ideen, erfolgreiche Projekte oder sogar ein gemeinsames Produkt, bspw. durch Integration in bestehende Anwendungen entwickelt werden.
Von einem lockeren Kickoff ohne jede Agenda ist jedoch abzuraten, wenn es ernst gemeint ist. Kultur-und Denkweisen, manchmal auch eine völlig andere Sprache können gegenseitig rasch Desinteresse und Missverständnisse auslösen. Der Prozess sollte daher durch branchenerfahrene Persönlichkeiten moderiert, strukturiert und begleitet sein. Diese können als „Brückenbauer“ fungieren und bereits im Vorfeld definieren, was das Ziel und der mögliche Nutzen einer Zusammenarbeit sein sollte. Dabei ermöglichen die bestehenden Netzwerke zu beiden Unternehmensgruppen den jeweils passenden Partner zu finden.
Agenda und gemeinsamer Weg
Zunächst müssen PropTechs und Etablierte also für sich das Ziel einer Zusammenarbeit klären: Gegenseitiger Austausch, Talente aufnehmen, einen Kapitalgeber/ eine Investitionsmöglichkeit oder einen Technologie-und Marktzugang finden. Bei der Partnersuche ist zu überlegen, ob es ein junges Startup sein sollte oder bereits ein mehrjährig am Markt agierendes PropTech. Und umgekehrt muss das Startup entscheiden, ob es einer international agierenden Firma oder einem erfolgreichen Traditionsunternehmen partnerschaftlich verbunden sein will. Beides hat Vor - und Nachteile. Egal wer es wird, die Zusammenarbeit wird nur funktionieren, wenn beide Unternehmen profitieren.
Werden dann die Details in einem Setup aufgesetzt, müssen Kulturunterschiede am Anfang klar benannt werden und dass PropTech sollte auch bei einer Kooperation oder Beteiligung getrennt von der Organisation der Etablierten arbeiten dürfen. Kleinere gemeinsame Teams könnten bspw. außerhalb von der Kernorganisation ungestört zusammenarbeiten.
Da es sich bei PropTechs meistens um junge Unternehmen handelt, muss man auf den Nachweis eines langjährigen Trackrecords verzichten. Andere Kriterien, wie persönliche Kompetenz des Managements, bisherige Erfahrungen als Startup und die Attraktivität des Produkts müssen bei der Auswahl des Partners überzeugen.
Done is better than perfect
Treiber der Digitalisierung sind nicht eine neue Hard- oder Software, sondern die immer stärker individualisierten Bedürfnisse von Kunden und eigenen Mitarbeitern. Insofern wird es auch in einem aktuell boomenden Immobilienmarkt künftig nicht mehr genügen, einfach nur die Prozesse zu optimieren, sondern es müssen neue digitale Geschäftsmodelle entwickelt werden. Wenn immer mehr Etablierte mit PropTechs kooperieren, zusammenarbeiten oder gemeinsame Unternehmen gründen, wird die gesamte Branche davon profitieren. Und wenn es am Ende statt gemeinsamer Produkte „nur“ ein spannender Erfahrungsaustausch war: “Done is better than perfect.“
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Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2018