10.12.2019

Digitale Immobilienverwaltung

In drei Stufen zur digitalen Integration

Peter Schindlmeier, Geschäftsführer, casavi GmbH
Peter Schindlmeier

Das Verwalten von Immobilien ist schon seit langem keine analoge Branche mehr. Verwaltungsprogramme gibt es bereits seit Jahrzehnten, zusätzlich wird Spezialsoftware für einzelne Aufgaben eingesetzt, etwa für die digitale Wohnungsabnahme oder die Erstellung der Heizkostenabrechnung. Trotzdem sind die meisten Immobilienverwalter von einem digitalen Geschäftsmodell noch weit entfernt. Um das volle Potenzial der Digitalisierung zu nutzen, gilt es notwendige Veränderungen zu forcieren. Diese lassen sich in drei Stufen untergliedern: Digitalisierung der Information, Digitalisierung der Interaktionen und digitale Integration aller internen und externen Geschäftsprozesse. Ein strukturiertes Vorgehen anhand dieser Stufen hilft dabei, die Transformation zu organisieren und sicherzustellen, dass auch die Mitarbeiter diesen Weg mitgehen.

In der Immobilienbranche gibt es noch wenig Bewegung im Bereich der Digitalisierung. Das ergab eine aktuelle Studie des Spitzenverbands der deutschen Immobilienwirtschaft ZIA und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young aus dem Jahr 2018. Der Großteil der Unternehmen (77 Prozent) sieht sich entweder in einer Phase der Entwicklung oder ist gerade dabei, den digitalen Wandel zu etablieren. Zudem mangelt es nach Auskunft der Befragten an einer unternehmensweiten Digitalisierungsstrategie (64 Prozent) und Fachkräften (74 Prozent) (vgl. ZIA & EY, S.4). Doch es gibt auch Hoffnung: Immerhin 70 Prozent der Immobilienverwalter gaben an, dass die Digitalisierung ihrer Ansicht nach zu positiven Effekten führt (siehe Abbildung 1), wie z.B. Prozessoptimierung und -automatisierung oder Steigerung der Nutzerzufriedenheit.

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Abbildung 1: Positive Auswirkungen der Digitalisierung Quelle: ZIA & EY, S. 27, eigene Bearbeitung

Gerade neu gegründete Unternehmen haben einen gewissen Startvorteil bei der Digitalisierung. Sie müssen sich nicht mit festgefahrenen Routinen auseinandersetzen und sowohl Geschäftsleitung als auch die ersten Mitarbeiter sind offener für das Thema. Daher gibt es zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Newcomer in der Branche, die verstärkt auf digitale Unternehmensabläufe setzen und dabei Effizienz und Kundenorientierung vorbildlich kombinieren. Dies bestätigt auch die Umfrage der Haufe Group. 58 Prozent der Befragten geben an, dass sie durch eigene Digitalisierungsmaßnahmen bereits Kosten und Verwaltungsaufwand senken konnten.

Aber auch die digitalen Pioniere schöpfen das Potenzial der Branche noch lange nicht aus. Die meisten Unternehmen befinden sich noch in der ersten der drei Ausbaustufen.

Stufe 1: Digitalisierung der Information
Immobilienverwalter finden sich heutzutage zunehmend in der Rolle des Archivars wieder. Sämtliche liegenschaftsbezogenen Dokumente und Informationen müssen langfristig und wiederauffindbar gespeichert werden. Erfolgt die Speicherung analog, verstopfen nicht nur Aktenschränke die Büros, sondern die Mitarbeiter haben auch nahezu keine Chance, einzelne Dokumente rasch wiederzufinden. Daher müssen im ersten Schritt alle Dokumente und Informationen digitalisiert und in einem Dokumenten Management System (DMS) abgelegt werden. Dazu zählt auch das Scannen der Eingangspost. Das garantiert eine elektronische Weiterverarbeitung, durch die dauerhaft auf Papier verzichtet werden kann. Darüber hinaus wird so der Platzbedarf verringert und die Auffindbarkeit von Dokumenten vereinfacht. Dank moderner Bilderkennungssoftware ist eine automatische Verschlagwortung möglich. Mit zunehmender künstlicher Intelligenz bei der Verarbeitung selbst komplexer Texte, können so aus unstrukturierten Daten wertvolle Information extrahiert werden. Bereits heute ist es möglich, beispielsweise Vertragsklauseln in Fließtexten automatisch zu evaluieren.

Bei der Digitalisierung der Information ist es wichtig, sich mit den bestehenden Geschäftsprozessen und deren Digitalisierungspotenzial zu befassen und diese zu dokumentieren und standardisieren. Um selbst ausschließlich digitale Information zu generieren, müssen neben einem DMS entsprechende weitere Lösungen eingeführt werden: eine ERP-Software für die Buchhaltung, ein Vorgangsmanagement für die Dokumentation und Bearbeitung von Geschäftsvorfällen oder Apps zur digitalen Wohnungsübergabe und Gebäudeinspektion sind nur einige Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen.

Stufe 2: Digitalisierung der Interaktion
Immobilienverwalter stehen häufig im Zentrum der Kommunikation mit unterschiedlichen Stakeholdern, egal ob als Mediator, Koordinator oder Vermittler. Hierbei den Überblick zu behalten, ist zeitraubend und fehleranfällig. Die Digitalisierung der Interaktion ist deshalb eine grundlegende Voraussetzung, um die Kommunikationsaufwände zwischen Verwaltung und Mietern sowie Dienstleistern, aber auch die interne Abstimmung zu optimieren. Ziel ist es die Kommunikation via Telefon oder Post auf elektronische Medien zu verlagern. Das ermöglicht eine effizientere und transparentere Bearbeitung, und es entstehen Workflows, bei denen bisherige Zwischenschritte automatisiert werden, etwa die Zuordnung einer spezifischen Anfrage an den zuständigen Mitarbeiter.

Insbesondere wird die digitale Interaktion durch die Einführung eines Ticketmanagements gefördert. Damit werden rein interne sowie externe Abläufe erfasst. Grundlage hierfür sind die im Schritt zuvor bereits digitalisierten Informationen, die nun in Echtzeit abrufbar sind und für die Prozessdurchführung verwendet werden können. Ohne weitere Interaktion weiß dadurch jeder Mitarbeiter, was er wann zu tun hat. Die Digitalisierung der Interaktionen rund um die Immobilie steigert Transparenz und Messbarkeit, führt zu einer höheren Standardisierung und gewährleistet damit eine konstante Qualität, auch bei größeren Teams. Um informelle Informationsflüsse interner Arbeitsgruppen zu beschleunigen, kann auf Messaging-Dienste zurückgegriffen werden.

Stufe 3: Digitale Integration aller internen und externen Geschäftsabläufe
Sind nun Immobilienverwalter, Kunden und Partner auf digitaler Augenhöhe, gilt es die Systeme zu einem integrierten Ökosystem zusammenzuführen. Um den Automatisierungsgrad also noch weiter zu erhöhen, werden im dritten Schritt die zur digitalen Interaktion eingesetzten Systeme integriert. Grundlage hierfür sind offene und flexible Teilsysteme sowie Abläufe, die Veränderungen in den Unternehmensprozessen ermöglichen. Das erlaubt eine vollständig digitale und unternehmensübergreifende Prozesskette. So kann beispielsweise die Reparatur einer kleineren Schadensmeldung digital erfasst und durch automatische Buchung eines Handwerkers beschleunigt werden. Dieser erhält einen zeitlich begrenzten Zugang zum Gebäude, das er durch Nahfeldkommunikation (NFC) per Smartphone betreten kann. Der Mieter wird dabei in Echtzeit per App über alle Schritte informiert. Nach Abschluss der Arbeit empfängt das System die Rechnung des Handwerkers und führt eine korrekte Verbuchung und automatisierte Zahlung durch.

Wird ein derartig integriertes Ökosystem digitaler Prozesse und Lösungen mit künstlicher Intelligenz (KI) gekoppelt, lassen sich zahlreiche wiederkehrende und standardisierte Vorgänge automatisiert abwickeln. Die Konsequenz ist ein sich über weite Strecken selbst verwaltendes Gebäude, bei dem sich die Rolle des Immobilienverwalters zunehmend ändert.

Ausblick: Auswirkungen von künstlicher Intelligenz für das Berufsbild des Immobilienverwalters
Wie in vielen anderen Dienstleistungsbranchen findet sich auch in der Verwaltungsbranche ein hoher Anteil an manuellen Prozessen, die im Zuge der Digitalisierung und Einbindung künstlicher Intelligenz sukzessive automatisiert werden. Eine interne Verwaltung mit Sachbearbeitern wird daher zunehmend redundant. Aber wird der Verwalter selbst abgelöst? Nicht zwingend. Sein Aufgabenfeld wird sich auf inhaltlich anspruchsvollere Themen verlagern, bei denen Fachwissen, Empathie und Kreativität im Vordergrund stehen. Er wird vorwiegend eine kontrollierende, konsultative und vermittelnde Rolle einnehmen und kaum mehr mit der Ausführung der klassischen Verwaltungsaufgaben selbst beschäftigt sein. Relativ standardisierte Verwaltungsbereiche, wie die Sondereigentumsverwaltung (SEV), haben das größte Potenzial vollständig automatisiert zu erfolgen. So können Eigentümer die SEV an einem spezialisierten Bot, also an ein KI-gestütztes Computerprogramm, auslagern.

Der durch höhere Komplexität geprägte WEG-Bereich wird auch weiterhin auf qualifizierte Verwalter angewiesen sein, die jedoch im Hintergrund enorme Prozesserleichterungen dank Unterstützung durch KI-Assistenz erfahren werden. So kann der Kostendruck reduziert und Mitarbeitermangel kompensiert werden.

Nur Verwalter, die frühzeitig auf verstärkte Automatisierung und in weiterer Folge auch auf die Möglichkeiten von Assistenzfunktionen dank künstlicher Intelligenz setzen, werden in einem durch Konsolidierung geprägten Marktumfeld langfristig bestehen können. Dafür reicht es nicht, einzelne praktische Tools willkürlich einzuführen und Auszubildende für die Betreuung dieser Systeme abzustellen. Stattdessen sollte die strategische Bedeutung digitaler Geschäftsprozesse für das Fortbestehen des eigenen Unternehmens in den Mittelpunkt gerückt werden. Um das zu erreichen, muss sich Digitalisierung in vielen Immobilienverwaltungen zuerst zur Chefsache entwickeln.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von casavi GmbH
Erstveröffentlichung: Whitepaper IN 3 STUFEN ZUR DIGITALEN IMMOBILIENVERWALTUNG von casavi GmbH

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