25.10.2022

Die Transformation: E-Mobilität

Das Future-Proofing neuer und bestehender Assets

Anne Böker, ESG- und Nachhaltigkeitsbeauftragte, HIH Real Estate GmbH
Frederik Lammersen, Co-Head of Fund Management, HIH Invest Real Estate
Falk Schönberg, Senior Asset Manager, HIH Real Estate GmbH
Anne Böker

Immer mehr Mieter wünschen sich, dass auf den angemieteten Stellplätzen die Möglichkeiten zur Elektromobilität geschaffen werden. Firmen wie Privatpersonen befinden sich in einem Transformationsprozess. Fuhrparks werden umgestellt; das neue Privatauto hat einen Akku. Ein mieter- und serviceorientierter Asset Manager tut gut daran, hier Lösungen zu finden. Bei der HIH sind inzwischen rund 550 Ladepunkte in 48 Objekten geplant – der Einbau startet zeitnah. Damit verbunden sind auch Herausforderungen.

Elektromobilität ist spannend, weil sie gleich drei positive Nebeneffekte mit sich bringt: Erstens ist sie mieterseitig von Vorteil; Logistik- und Fachmarktzentren können neue Kunden gewinnen und nicht zuletzt ihren Beitrag zur fossilen Unabhängigkeit leisten. Zweitens ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Investoren und Vermieter attraktiv, da er nahezu kostenneutral vom Vertragspartner übernommen wird. Die HIH monetarisiert somit erstmals die Parkplätze von Fachmarktzentren. Entsprechend verdient der Investor an einem Parkplatz, den er einem Fachmarktzentrum unentgeltlich zur Verfügung stellt. Drittens spielt der Ausbau der Ladeinfrastruktur eine wichtige Rolle bei der Verbreitung einer Zukunftstechnologie und kann neben einer Wertsteigerung zusätzlich die Zukunftsfähigkeit der Immobilie sichern – und Mieter langfristig halten. Nebenbei spielt Elektromobilität für viele Nachhaltigkeitsbenchmarks eine wichtige Rolle.

Was es zu beachten gilt
Welche Möglichkeiten gibt es, Liegenschaften zu „elektrifizieren“? Die Thematik ist an einigen Stellen noch recht komplex. Die Zustimmung auf Mieterseite ist zwar erforderlich, jedoch sind auch in Multi-Tenant-Immobilien mieterseitig kaum Einwände zu erwarten. Die gewöhnlichen Herausforderungen fangen bei Bestimmungen zur Baugenehmigung an, gehen über Wartezeiten bei der Prüfung der Netzanschlussleistung einer Liegenschaft seitens der Netzbetreiber hin zu rechtlichen Ungenauigkeiten. Retail-Flächen sind zum Beispiel immer mit einer Mindestanzahl von Stellplätzen, die vorhanden sein müssen, verbunden. Derzeit ist noch nicht geklärt, ob ein Parkplatz mit E-Ladestation weiterhin als „klassischer Parkplatz“ gilt oder ob sich die Definition nach der gesetzlichen Ansicht ändert – und damit die Mindestanzahl der Stellplätze effektiv erhöht werden muss oder eben nicht. Eine konkrete Regelung wird in näherer Zukunft vom Gesetzgeber erwartet. Für ein Fachmarktzentrum werden in der Regel deutlich mehr Stellplätze gebaut als mindestens notwendig, weswegen der Transformation grundsätzlich nichts im Wege steht. Teils kann es aber aufgrund bestimmter Bauteile, wie etwa Transformatoren, zu längeren Wartezeiten kommen, insbesondere wenn Lieferketten unterbrochen sind.

Eine weitere Herausforderung: Aus rechtlichen Gründen darf die HIH als Vermieter beim Einbau und Betrieb von Ladestationen nicht direkt tätig werden und ist auf Vertragspartner angewiesen. Zwar ist dies mittlerweile ein gängiges Geschäftsmodell, dennoch ist der Immobilien-Bezug für viele Akteure noch ein neues Gebiet und Erfahrungswerte müssen geschaffen werden. Darin liegt allerdings auch eine Chance, denn der HIH kommt die Rolle des Vorreiters zugute.

Pioniere des elektrifizierten Portfolios
Das ESG-Team der HIH hat einen stringenten Lernprozess hinter sich. Gemeinsam mit unseren Vertragspartnern wurde Pionierarbeit geleistet: Unsere Immobilienkompetenz wurde mit unserer erarbeiteten E-Mobilitätskompetenz zusammengeführt. Die Portfoliolandschaft war auch für Anbieter von Elektromobilitätskonzepten Neuland, und wir konnten hier gemeinsam eine starke Inhouse-Expertise aufbauen.

Wir haben zwei Lösungen bei der HIH erarbeitet: Für öffentliche Parkplätze, wie bei Fachmarktzentren und Supermärkten, greifen wir gemeinsam mit unserem Vertragspartner auf die gängigen Modelle zurück. Bei privaten Parkplätzen an Wohn- und Bürogebäuden ist das Nachrüsten mit Ladestationen in Tiefgaragen mitunter jedoch herausfordernder und verlangt von uns und unserem dortigen Vertragspartner ein hohes Maß an individueller Lösungsbereitschaft. Das reicht von individuellen Ladevorrichtungen über Mieterstromabrechnung hin zu rein logistischen Aspekten. Auch hier ist die Frage offen, ob Parkplätze mitLadesäulen aus dem Raster des „klassischen Parkplatzes“ hinausfallen oder nicht.

Die zukunftsgesicherte Immobilie
Bis 2025 will die HIH die gesetzlichen Anforderungen des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) erfüllen. Bereits jetzt gehen die Mieteranfragen und unsere Aktivitäten über die regulatorischen Vorgaben hinaus – das betrifft alle Assetklassen. Wir sind auf einem guten Weg, um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und unsere Assets fit für die Zukunft zu machen. Nach dem Screening unseres Bestandsportfolios haben wir eine Priorisierung vorgenommen: Im Jahr 2022 und 2023 werden wir zunächst unsere Fachmarktzentren und Supermärkte mit Ladestationen ausstatten. Im Wohnbereich befinden sich zwei Fonds in der Investitionsphase und fokussieren sich auf Neubau-Projektentwicklungen, welche in den kommenden zwei Jahren fertiggestellt werden sollen. In diesen Objekten ist das Thema Elektromobilität langst eingeplant. Ob Wohnen, Büro, Logistik oder Retail: Im Rahmen der ESG-Due-Diligence ist Elektromobilität gerade beim Neugeschäft inzwischen maßgeblich.

Traumszenario Photovoltaik
Es bleibt noch die Frage nach der Stromerzeugung für die E-Ladestationen. Diese kann in geeigneten Assets, beispielsweise auf den Dächern von Fachmärkten oder Logistikhallen, über Photovoltaik-Anlagen produziert werden, welche ohnehin auf Neubauten gesetzlich vorgesehen sind. Die Verbindung dieser Technologien wird die Baugesetzgebung mit Sicherheit vornehmen. Netzanspruchsleistungen von Liegenschaften sind limitiert, und eine Ladeinfrastruktur benötigt auch ein entsprechendes Netz. Die Zukunft der Elektromobilität ist da und sie ist am liebsten "grün" und komfortabel. Das Konzept des „Plug and Charge“ findet immer weitere Verbreitung: Es wird eine schnittstellenoffene Abrechnungssoftware verwendet, die automatisch zwischen Auto und Ladesäule kommuniziert. So können Ladesäule und Auto die Abrechnung des Strom-Tankens selbstständig vornehmen. Solar-Carports, bei denen der Ladestrom direkt über die Solarzellen einer Parkplatzüberdachung eingespeist wird, haben mancherorts schon ihren Weg in die Baugesetzvorhaben gefunden. Und ein Blick in die Zukunft verspricht: Ein komfortables Laden geht auch ohne Kabel über Induktionsschleifen – man kennt das Grundprinzip vom Induktionsherd. So wird dann „Plug and Charge“ ganz einfach zu „Park and Charge“. Wir sind gespannt.

 

 

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen kurz erklärt: Das GEIG
Warum ist Elektromobilität ein Immobilien-Thema geworden und was müssen Investoren darüber wissen? Für die Antwort eignet sich ein Blick auf die rechtlichen Bestimmungen seitens der Europäischen Union: Seit März 2021 gilt das sogenannte GEIG, das „Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität“, oder kurz: das „Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz“. Es soll damit eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, die die Errichtung von und die Ausstattung mit Leitungs- und Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität in Projektentwicklungen und im Bestand regelt. Für die HIH als Investitionshaus ist das GEIG zunächst eine Leitlinie, was folgende Gesetzesvorgaben angeht. In der praktischen Umsetzung bestimmt das GEIG, dass ab 1. Januar 2025 alle Nichtwohngebäude, also auch der Bestand, mit mehr als 20 Parkplätzen über einen Ladepunkt verfügen müssen. Bereits heute müssen Neubauten die Vorgaben aus dem GEIG erfüllen und zur Leitungsinfrastruktur beitragen sowie Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellen – je nach Gebäudetyp und Parkplatzangebot ist diese bei bis zu 33 Prozent der Stellplätze erforderlich. Mitunter wird zusätzlich noch ein Ladepunkt gefordert.
Das Gesetz wird begleitet von einer gezielten Steuer- und Förderpolitik. Auch hat sich auf der Produktseite viel getan. Längst gehören Elektroautos zur Produktpalette der gängigen Autohersteller – in Deutschland und international. Apropos international: Man hört bereits von Mietverträgen, in denen eine vorhandene Ladeinfrastruktur für die Anmietung zwingend erforderlich ist.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von HIH
Erstveröffentlichung: TPP, Oktober 2022

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