22.04.2015

Die Investitionslücke schließen

Wie Bund, Länder und Kommunen notwendige Investitionen in die öffentliche Infrastruktur stemmen können.

Martin Eilbacher, Bereichsleiter Öffentliche Infrastruktur, Hannover Leasing GmbH & Co. KG
Martin Eilbacher

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat in seinem viel beachteten Buch „Die Deutschland-Illusion“ Deutschlands Investitionslücke als entscheidende „wirtschaftspolitische Achillesferse“ bezeichnet. Während sich lange Zeit nur Experten mit dem Thema auseinander gesetzt hatten, wird in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit mittlerweile immer intensiver darüber diskutiert, dass Deutschland über die vergangenen zwei Jahrzehnte eine immense Investitionslücke aufgebaut hat.

Da sich immer deutlicher zeigt, dass Bund, Länder und Kommunen nicht in der Lage sind, die notwendigen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zu stemmen, ist in der Politik die Einsicht gewachsen, dass der Investitionsbedarf nur durch Kooperationen der Öffentlichen Hand mit der Wirtschaft gelöst werden kann. In diesem Zusammenhang kündigte kürzlich Finanzminister Wolfgang Schäuble an, verstärkt privates Kapital für Infrastrukturprojekte mobilisieren zu wollen. Ein Weg soll über den Abbau regulatorischer Hürden führen, etwa bei der Anlegergruppe der Versicherungen und Pensionsfonds. Denn Fakt ist: Viele Kommunen sind auf das Kapital Dritter angewiesen, wenn sie beispielsweise neue Schulen bauen oder Verwaltungsgebäude sanieren möchten, die einen großen Teil der öffentlichen Infrastruktur ausmachen.

Hoher Neubau- und Sanierungsbedarf im kommunalen Hochbau

Wie dringend etwas passieren muss, zeigen die Fakten im kommunalen Hochbau: Laut einer KfW-Studie unterhält die Öffentliche Hand in Deutschland insgesamt rund 300.000 kommunale Gebäude mit einer Gesamtfläche von 313 Millionen Quadratmetern. Für die Zeit bis zum Jahre 2020 wird dabei mit einem Sanierungsbedarf von rund 75 Milliarden Euro sowie mit einem Neubaubedarf von rund 50 Milliarden Euro gerechnet. Der größte Neubau- und Sanierungsbedarf besteht dabei bei gesellschaftsrelevanten kommunalen Einrichtungen wie Schulen, Sporthallen, Pflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten sowie bei Verwaltungsgebäuden. Allein im Bereich Schulen wird der Investitionsbedarf der Kommunen bis zum Jahr 2020 auf rund 27 Milliarden Euro für Sanierungen sowie rund 8,1 Milliarden Euro Baukosten für Neubauten veranschlagt.

Investitionen in Immobilien der Öffentlichen Hand

Investoren aber gewinnt man nur mit einer überzeugenden „Story“. Generell sind die Voraussetzungen für Investitionen in Immobilien der Öffentlichen Hand gut: Zum einen verläuft ihre Ertrags- und Wertentwicklung weitestgehend unabhängig von den Konjunkturzyklen. Zudem ist die Öffentliche Hand ein besonders bonitätsstarker Mieter und Partner. Dies resultiert auch daraus, dass bei Kommunen eine Insolvenz aufgrund der besonderen rechtlichen Situation nicht möglich ist – trotz der teilweise hohen Verschuldung. Von der Öffentlichen Hand genutzte Immobilien bieten außerdem langfristig stabile Cash Flows – nicht zuletzt aufgrund von Mietvertragslaufzeiten von 20 Jahren und mehr. In diesem Bereich lassen sich IRR-Renditen von fünf bis sieben Prozent p.a. erzielen.

Investitionen in kommunale Einrichtungen sind damit interessant für diejenigen Investoren, für die es in den vergangenen Jahren zunehmend schwieriger geworden ist, Investments zu finden, die ihrer sicherheitsorientierten Anlagestrategie entsprechen und die gleichzeitig akzeptable Renditen vorweisen können – beispielsweise Stiftungen. Insgesamt ergibt sich eine klassische Win-Win-Situation: Für Investoren wie für die Öffentliche Hand sind solche Projekte von großem Vorteil und können dazu beitragen, die konstatierte Investitionslücke in Deutschland zu schließen.

Bund, Länder und Kommunen sind damit oft überfordert. Ab 2016 gilt die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die einen ausgeglichenen Haushalt verlangt. Angesichts einer sich abzeichnenden verschlechterten Konjunktur wird es ohnehin schwierig, dieses Ziel zu erreichen. Bereits heute muss die Öffentliche Hand erhebliche Mittel für den Kapitaldienst aufwenden, die dann nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung stehen. Sollten die Zinsen wieder steigen, wird die Situation noch schwieriger.

Projektvolumen, Lage und Drittverwendungsfähigkeit als Erfolgsfaktoren

Nicht alle Projekte, bei denen Kommunen Finanzierungsbedarf haben, eignen sich für den Einstieg institutioneller Investoren. So variiert der Bedarf an Flächen, die die Öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt, typischerweise in Abhängigkeit von der örtlichen Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte. Kleinere Projekte im ländlichen Bereich werden häufig von den betreffenden Kommunen allein realisiert, da sie im Hinblick auf die Risikoverteilung einfacher handzuhaben sind und sich zumeist auch mithilfe von Kommunalkrediten finanzieren lassen. Für eine Beteiligung von Investoren kommen erfahrungsgemäß vor allem größere Vorhaben in großen Städten und Ballungsräumen mit Projektvolumina ab etwa 30 Millionen Euro aufwärts in Betracht.

Neben dem Projektvolumen sind vor allem die Lage der Immobilie und ihre Drittverwendungsfähigkeit dafür ausschlaggebend, ob ein Projekt für Investoren geeignet ist. Projekte, die diese Kriterien erfüllen, finden sich in der Regel in den Regionen Deutschlands mit einer höheren Bevölkerungsdichte und werden in wachsendem Maße am Investorenmarkt ausgeschrieben, etwa über Vergabeverfahren mit Bauverpflichtung bzw. über Mietmarktabfragen.

Bei den genannten Punkten handelt es sich allerdings nur um die Kernmerkmale, die eine Investition prinzipiell interessant machen können. Aufgrund der Komplexität, die mit einer Investition in Immobilien der Öffentlichen Hand verbunden ist, sind für den Erfolg ebenso fundierte Marktkenntnisse im öffentlichen Sektor sowie ein tiefes Verständnis der politischen Zusammenhänge und Entscheidungsprozesse erforderlich. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, stellen von der Öffentlichen Hand genutzte Immobilien vor allem für jene Investoren Anlagen mit Potenzial dar, die derzeit ohnehin großes Interesse am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt zeigen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Hannover Leasing
Erstveröffentlichung: Börsenzeitung, 2014