Die implizite Volatilität der Eigenheimfinanzierung
Subtile Zinsfestschreibungsmodelle gepaart mit geringem Tilgungsanteil sowie die Blauäugigkeit der Kunden unterstützt im Fall der Fälle nicht die Zukunftsfähigkeit der eigenen vier Wände. Beste Aussichten für die nächste Runde denn ein gängiges Argument vieler privater Kunden über den eigenen Immobilienbesitz nachzudenken, ist, dass der Bau oder der Kauf einer Immobilie günstiger sei als das Mieten einer Immobilie. Die Zinsen für Baukredite sind in den letzten 40 Jahren stetig gesunken und heute so günstig wie noch nie. Eine Chance für viele Kunden, jetzt ein Eigenheim zu erwerben, denn das aktuelle Zinsumfeld bietet massiven Rückenwind. Die wenigsten nutzen diesen Rückenwind zur vollständigen Rückzahlung der Eigenheimfinanzierung mit einer langen Zinsfestschreibung und hohen Tilgungsraten. Die Folgen der dann anstehenden Prolongation werden in vielen Fällen unterschätzt und können zu einer massiven Kostenexplosion führen - mit verheerenden Auswirkungen auf die persönliche Liquidität.
Die Nachfrage ist ungebrochen und verlockend
Es ist schon ein verlockendes Angebot, wenn der Zins 40 Jahre lang nach unten geht und dieser heute bei unter einem Prozent für die Baufinanzierung liegen kann. Manch einer, der es sich vor fünfoderzehn Jahrennicht vorstellen konnte, ein Eigenheim zu realisieren oder zu erwerben, wird sogar durch die Medien motiviert. Große Überschriften wie „Bauen billiger als Mieten“ oder „Nicht träumen, kaufen!“ ermutigen hier den Unentschlossenen zusätzlich. Dieser Entschluss wird durch die immer weiter steigende Zahl der Finanzierungsspezialisten sowie der teils explodierenden Mieten in den Ballungsräumen gefördert. Ohne sich über die langfristigen Konsequenzen im Klaren zu sein, wählt die überwiegende Zahl der Schuldner meist nur eine zehnjährige Zinsbindung für die Eigenheimrealisierung – hier wird oft die Zukunftsfähigkeit der Liquidität nicht in Betracht gezogen.
Besitzen alleine reicht nicht mehr
Nur ein kleiner Bruchteil schafft es, während der ersten Zinsbindungsphase das Darlehen vollständig zu tilgen. Der überwiegende Teil tilgt maximal zwei Prozent um die Darlehensrate überhaupt langfristig bedienen zu können. Sicherlich wird bei vielen Anbietern vorsorglich schon heute intern mit einer zukünftigen Annuität zwischen 6 und 8 Prozent gerechnet, doch mitgeteilt wird diese dem Darlehensnehmer in den seltensten Fällen. Wenige sind sich darüber wirklich im Klaren, dass Eigentümer nicht nur wohnen heißt, sondern dass der Eigentümer die volle Verantwortung in allen finanziellen Belangen trägt mit seinem ganzen Vermögen – auch dem zukünftigen! Wer sich nur wegen der günstigen Konditionen jetzt eine Finanzierung mit allen Konsequenzen aufbürdet, die unter normalen Umständen nicht realisierbar wäre, sitzt womöglich in einer Zeitbombe.
Das Zinsroulette mit dem Eigenheim
Der heutige Darlehensnehmer wählt meist eine Zinsbindungsfrist bis zu zehn Jahren und in Ausnahmefällen auch mal 15 Jahre. Durch einen geringen Tilgungsanteil ist in aller Regel dann noch eine erhebliche Restschuld vorhanden, die eine Anschlussfinanzierung erforderlich macht. Eine Anschlussfinanzierung ist seit der Einführung von Basel II und der daraus resultierenden Prolongation für viele Darlehensnehmer keine Selbstverständlichkeit mehr geworden. Selbst wenn sich das aktuelle Zinsniveau noch 3 bis 4 Jahre hält, betrifft das Prolongationsrisiko einer Zinserhöhung alle Kunden erst nach dem Ablauf der ersten Zinsbindungsfrist. Kunden sollten also von Beginn an die möglich längste Zinsbindungsfrist, also mindestens 20 Jahre mit einer hohen Tilgung und möglichst vielen Sondertilgungsmöglichkeiten vereinbaren, um eine lange Kostenkontrolle sicherzustellen. Gerade bei der Eigenheimfinanzierung geht es doch um mehr! Familienglück und Altersvorsorge sowie persönliche Entfaltung sind nur drei gravierende Faktoren bei der Entscheidung, ein Eigenheim sein Eigen zu nennen.
Es muss nicht zum Bruch kommen
Bei so hohen Investitionskosten ist jedes Ausfallrisiko in Betracht zu ziehen und die möglichen Mehrkosten nach der ersten Zinsfestschreibung sind also aus heutiger Sicht ein solches Risiko. Bei anderen Krediten wie z.B. einem Konsumkredit ist immer die erste und letzte Rate über die gesamte Laufzeit bekannt. Auch im Versicherungsbereich schließt kaum ein Kunde z.B. bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder Pflegeversicherung nur 10 Jahre ab, wenn er erst in 30 Jahren in Rente geht, sondern sichert den gesamten Zeitraum mit Garantien ab. Experten, die eine Kostenexplosion reduzieren können, sorgen vor, denn sie wissen, dass die reale Kostenkalkulation mit Ablauf der ersten Zinsbindung beendet ist.
Die Einfachheit der Berechnung
Nach einer zehnjährigen Zinsbindung mit zwei Prozent Zinssatz und zwei Prozent Tilgung verbleibt in der Regel eine Restschuld in Höhe von ca. 77,9 % des Ursprungsdarlehens. Also bei einem Darlehen von 300.000 EUR sind das 233.640 EUR die zu einer Neuverhandlung für den Eigenheimbesitzer bei der Anschlussfinanzierung anstehen. Da Experten in der Branche nicht von einem weiteren Absinken der Zinssätze ausgehen, sollten sich Laien über die Auswirkungen einer möglichen Zinserhöhung Gedanken machen. Wenn der Zinssatz nur um 2 % p.a. für den Eigenheimbesitzer steigt, schmälert dies seine monatliche Liquidität zukünftig um ca. 390 EUR oder um ca. 4.680 EUR im Jahr - vorausgesetzt es wird eine Anschlussfinanzierung gewährt.
Overconfidenz oder Nachhaltigkeit im Fokus!
Berechnet und vergessen - eine Überprüfung der eigenen aktuellen Finanzierung realisieren die Wenigsten, denn hier wird sich oft auf dem Erreichten ausgeruht. Dabei genügt ein einfacher Taschenrechner, um mit einer „Bierdeckelformel“ eine mögliche Kostenexplosion zu ermitteln. Ausruhen kann sich derjenige, der bereits bei Vertragsbeginn eine langfristige Zinsfestschreibung gewählt hat, also sich heute schon für 20 oder 25 Jahre mit einer hohen Tilgung entschieden hat. Für die, die eine kurze Zinsbindung bis zehn Jahre gewählt haben, heißt das Zauberwort: Heute eindringlich zusätzliche Liquidität bilden.
Liquiditätsbildung kann geschehen, indem man während der Zinsbindung zusätzlich bauunabhängiges Kapital anspart und dieses dann möglicherweise für eine Sondertilgung bei der Prolongation benutzt, um eine Restschuld bzw. die neue Darlehensrate zu verringern. Selbst bestehende Spar- und Versicherungsverträge können hier in Betracht gezogen werden. Hier bleibt der Darlehensnehmer aber immer noch von den Gegebenheiten einer Zinserhöhung betroffen.
Ein beliebtes Zinssicherungsinstrument mit langer Geschichte in Verbindung mit der Eigenkapitalbildung ist der klassische Bausparvertrag. Diese gemeinschaftliche Spareinrichtung wird von vielen zum Sparen genutzt, doch weniger um ein Darlehen zu erhalten. Die Absicherung des Zinsrisikos für eine Anschlussfinanzierung ist sicherlich über einen Zeitraum von zehn Jahren möglich, erfordert jedoch die Aufbringung von hohen monatlichen zusätzlichen Geldmitteln, um sich die günstigen Darlehenszinsen für die Zukunft zu sichern. Je nach Bausparkasse und Tarif braucht der Kunde zwischen 30 und 50 Prozent Eigenkapital. Vorteilhaft und sehr bekannt sind hier die möglichen staatlichen Förderungen, wie z. B. das Vermögensbildungsgesetz, die Wohnungsbauprämie oder sogar Wohnriester mit Steuervorteilen.
Neues Traumpaar mit alten Werten?!
Eine weitere, noch weitestgehend unbekannte Alternative zur Zinssicherung sind die Angebote von manch einer Wohnungsgenossenschaft. Das Prinzip der Wohnungsgenossenschaften ist mitgliederorientiert und weniger gewinnorientiert. Diesem liegt bei den Berechnungsgrundlagen die ursprüngliche Idee des Bausparens mit dem gemeinschaftlichen Sparen und dem Punktesystem für seine Mitglieder zugrunde. Genossenschaftssparen, z.B. mit dem Zielkaufkonzept der GenoBau Zielkauf eG, ist für viele eine Alternative zur Absicherung einer Anschlussfinanzierung für das eigengenutzte Wohnen. Wer hier regelmäßig Genossenschaftsanteile erwirbt, dem steht schon nach wenigen Jahren eine stattliche Investitionssumme, für eine zinssichere Anschlussfinanzierung des Eigenheims zur Verfügung. Diese zusätzliche Zinssicherheit ist bis zu 25 Jahre festgelegt, und das bei einer Eigenkapitalbildung von nur zehn Prozent der benötigten Summe für die Anschlussfinanzierung. So ist der monatliche zusätzliche Sparbetrag für den Kunden überschaubar. Durch die „Kann-Option“ hat das Mitglied die Freiheit, bei einem zukünftig hohen Zinsangebot für die Anschlussfinanzierung die Investitionssumme von der Genossenschaft abzurufen, oder die Möglichkeit, das angesparte Kapital in der Genossenschaft zur freien Verfügung zu nutzen. "Eigentümer" sein und die Risiken des Wohnens auf die breiten Schultern einer starken Gemeinschaft zu legen, lässt jeden in den "eigenen vier Wänden" ruhiger schlafen. Auch die staatlichen Förderungen, gerade im Bereich der Vermögensbildung (VL), machen das Genossenschaftskonzept auch aus Sicht der Zulagen für viele interessant.
Machen Sie Ihre Hausaufgaben!
Das Internet bietet heute viele Möglichkeiten, die persönliche Situation zu berechnen und nach Alternativen zu suchen. Wer seine Finanzierung auf den Prüfstand stellt, schaut danach möglicherweise entspannt in die Zukunft. Doch leider sieht die Realität anders aus, und nur wenige werden schon in den ersten Jahren der Zinsfestschreibung aktiv, da die aktuelle Rate oft schon an der Liquiditätsgrenze des Einkommens liegt. Hier liegt auch die neue Chance für eine professionelle Finanzberatung durch Makler. Diese können dem Kunden das persönliche Einsparpotenzial aufzeigen, damit er Liquiditätsreserven für die Finanzierung bilden kann.
Hinterher ist man immer schlauer, doch manchmal ist das Hinterher noch ganz weit weg.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von GenoBau Zielkauf Wohnungsgenossenschaft eG
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung Ausgabe 12/2015