Das sagen Experten zur Zinsentscheidung
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 30. Januar den für Banken und Sparer wichtigen Einlagensatz um 0,25 Prozentpunkte auf 2,75 Prozent herabgesetzt. Auch die Zinssätze für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und für die Spitzenrefinanzierungsfazilität wurden um jeweils 25 Basispunkte auf 2,90 beziehungsweise auf 3,15 Prozent gesenkt. Wie Experten die Entscheidung einschätzen.
Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden, Hamburg Commercial Bank
„Die Senkung des Einlagensatzes durch die EZB um 0,25 Prozentpunkte auf 2,75% war mehrheitlich erwartet worden. Dies ist ein weiterer Schritt weg von der momentanen inversen Zinsstruktur und damit in eine normale Welt, in der der Preis des Geldes immer höher wird, je länger es zur Verfügung gestellt wird. Dieser Trend wird gestützt durch die Entwicklung der langfristigen Zinsen, die sich seit Jahresbeginn um rund 20 Basispunkte erhöht haben. Wir rechnen mittelfristig nicht mit einem Rückgang der Zinsen, sondern mit einer Stabilisierung des aktuellen Niveaus, sofern einerseits die Inflation nicht wieder aufflackert und andererseits die Wirtschaft nicht in eine nachhaltige Rezession abrutscht."
Prof. Dr. Felix Schindler, Head of Research & Strategy, HIH Invest
„Die EZB setzt ihren Kurs erwartungsgemäß fort und senkt den Leitzins erneut um 25 Basispunkte. Weitere Zinssenkungen werden folgen. Interessanter dürfte es zur Jahresmitte werden: Die Zinsdifferenz zu den USA wird sich bis dahin weiter ausweiten und den Euro belasten. Das Zinsniveau nähert sich dann dem neutralen Zins, die Kerninflation sowie die Preisdynamik im Dienstleistungsbereich werden vermutlich weiterhin über dem EZB-Ziel liegen und die Wachstumsdynamik in Europa bleibt schwach. Auch die Auswirkungen der Zollpolitik des neuen US-Präsidenten könnten bereits klarere Formen annehmen. In dieser Gemengelage dürften die Diskussionen über den geldpolitischen Kurs der EZB ab Mitte des Jahres kontroverser geführt werden. Für die Entwicklung am langen Ende der Zinskurve ist weiterhin von einer Seitwärtstendenz auszugehen."
Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG
„Noch immer ist die Inflation im Euroraum nicht gebannt. Von 2,2 Prozent im November 2024 ist sie im Dezember auf 2,4 gestiegen. Deutschland rangiert dabei knapp über dem Durchschnitt des Euroraums. Besonders der Sektor Dienstleistungen hat die Teuerung befeuert. Obwohl der Zielwert von zwei Prozent noch immer nicht erreicht ist, senkt die EZB erneut die Leitzinsen. Das könnte sich rächen.“
Prof. Dr. Steffen Sebastian, Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung, IREBS Institut für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg
„Zwar wirkt eine Leitzinserhöhung nur mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren in der Realwirtschaft, aber die Kapitalmärkten reagieren schnell. Sollte der Markt wegen der Zinssenkung der EZB wieder mehr Inflation erwarten, könnte das zu einer Erhöhung der langfristigen Zinsen führen. Hingegen hat die Leitzinssenkung selbst keinen großen Einfluss auf die Zinsen von zehnjährigen Finanzierungen, die für den Immobilienmarkt entscheidend sind. Beispielsweise bleiben die Zinsen für private Baufinanzierungen seit einem Jahr stabil. Dagegen hat nach der vorhergehenden Leitzinssenkung der Zentralbank am 12. Dezember 2024 der Zehnjahres-Swap erheblich zugelegt, von 2,22 auf 2,50 Prozent . Möglicherweise ist das nur eine Momentaufnahme, doch Vorsicht ist geboten. Ich würde es begrüßen, wenn sich die EZB mit weiteren Zinssenkungen zurückhalten würde. Die amerikanische Zentralbank FED hat unterdessen in ihrer Sitzung am 29. Januar auf eine weitere Leitzinssenkung verzichtet.“
Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management, Hauck Aufhäuser Lampe
„Der aktuelle Zinsentscheid der EZB wird keine nennenswerten Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft haben. Selbst ein psychologischer Effekt ist nicht zu erwarten, da sich die Zinsen mittlerweile auf einem Niveau befinden, mit dem die Branche wieder gut arbeiten kann. Aktuell ist der Markt noch durch eine grundsätzliche Investitionszurückhaltung geprägt. Jedoch sehen wir selektiv Chancen für Nischen-Strategien, deren Renditen an Attraktivität gewinnen.“
Dr. Tim Schomberg, CEO, KINGSTONE RE
„Die heutige Zinssenkung um weitere 25 Basispunkte ist allgemein erwartet worden. Die EZB hatte bereits 2024 angekündigt, den Einlagesatz bis Ende 2025 schrittweise auf etwa 2,0 Prozent zu senken. Allerdings wirkt sich die erneute Senkung der Leitzinsen nur sehr indirekt auf die Rendite von zehnjährigen Staatsanleihen aus. Die EZB trägt mit ihrer heutigen Aktion dazu bei, den Korridor für den langfristigen Zinssatz zu stabilisieren. Dies ist eine gute Nachricht für Immobilieninvestoren, da ein normalisierter Zinsmarkt langfristige Investitionen – wie Immobilien – verlässlicher macht. Diese gewinnen an Attraktivität, da ihre Werthaltigkeit durch ein stabiles Zinsniveau besser einschätzbar wird.“
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2025